Bahros Guru

Nachruf auf Rudolf Bahro.

Deutsche Tradition ist lügen, wenn jemand stirbt. "Rudolf Bahro hat (...) seinen physischen Körper verlassen", sprach ein esoterischer Bahro-Freund an dessen Grab. Die bislang Nachrufenden hat offensichtlich allesamt ihr "Geist" und jede Wahrheitsliebe verlassen. Was mensch in Deutschland gern "Respekt" vor den Toten, vor "fremden Kulturen" usw. nennt, ist erneut nichts anderes als Feigheit vor dem Konflikt. Mensch macht es sich neben der Leiche bequem. Nur Bauch, kein Verstand.

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) scheint Bahros Geist bereits 1979 gen Himmel gefahren zu sein. Wie die FAZ fast so die taz: "Grüner Romantiker" ist das Kritischste, was ihr einfällt. Manfred Kriener schwärmt, wie Bahro, "in seinem spartanischen Bauwagen" sitzend, in "unnachahmlicher Weise über die Welt" schwadronierte und über den "Selbstlauf (!) der Ökonomie", über "Meister Eckehart" und "Buddha" frei "assoziierte". Karl-Heinz Baum (Frankfurter Rundschau) schrieb um einen ganzen Satz kritischer als FAZ und taz. Bahro habe seine Anhänger "befremdet", als er "'positive Erfahrungen'" mit der Bewegung des Guru Bhagwan machte und sich stark dem Transzendentalen zuwandte".

Als Bahro 1980 nach zwei Jahren DDR-Knast zu den Grünen kam, verstand er sich als Sozialist, und es ließ sich mit ihm streiten. Doch spätestens in "Logik der Rettung" (1987) verlangte er eine "Rettungsregierung" (z B. aus Biedenkopf/Lafontaine/Schily), später eine "Weltregierung", einen "Fürsten der ökologischen Wende", ein bißchen "Ökodiktatur", einen "starken Mann".

Dem ökodiktatorischen Coming-out war die Begegnung mit Bhagwan vorausgegangen. Der Hitleranhänger, Antisemit und Schwulenhasser Bhagwan vernebelte seinen Verstand. Bahro: "Das Wichtigste ist, daß sich die vernetzen, die den Weg 'zurück' gehen und auch weisen wollen in die Großen Gleichgewichte, in die Übereinstimmung der menschlichen Ordnung mit dem Tao des Lebens." Ob im "spartanischen Bauwagen" oder vom Plüschsofa herunter verkündet: Eso-Schrott.

Bahro schloß sich nach seinem Austritt aus den Grünen (1985) "spirituellen" Lebensgemeinschaften an, wie der "Lernwerkstatt" in Niederstadtfeld/ Eifel. Die hatte nicht nur Verbindungen zur rechtsextremen esoterischen Kommune Findhorn. In Niederstadtfeld durfte nach dem Motto "spirituelle Neubegründung der Politik" auch Bahros Kumpel Rainer Langhans seinen eso-faschistischen Dreck abladen: "Spiritualität in Deutschland heißt Hitler." Mensch müsse "erstmal" Hitlers "Vision verstehen", "was er Großes versucht" habe, und "dann seine Fehler sehen (...) Wir müssen sozusagen die besseren Faschisten werden." Im NS-Faschismus habe sich ein "Volk" "in einem rauschhaften Amoklauf auf eine Gottsuche gemacht (...), alles gewollt, was nur irgend an Schönem, Lichtem möglich war", und sei "dabei in der tiefsten Hölle" gelandet. Wo im NS-Faschismus haben sich Jüdinnen und Juden, KommunistInnen und Rom "rauschhaft" auf "Gottessuche" begeben?

Auch Bahro sah den NS-Faschismus als eine spirituelle Bewegung, seine Gewalttätigkeit als Reaktion auf einen "übermächtigen Materialismus". 1987 schreibt Bahro: "Kein Gedanke verwerflicher als ein neues anderes 1933? Gerade der aber kann uns retten. Die Ökopax-Bewegung ist die erste deutsche Volksbewegung seit der Nazibewegung. Sie muß Hitler miterlösen."

Bahro HauptgegnerInnen waren längst Linke: "Es ist nun einmal so, daß das Stammesbewußtsein tiefer als das Klassenbewußtsein (...) liegt." Für Bahro war "die nationale Frage eine objektive Realität von tieferen Gründen als die Klassenfrage". "Die Grünen" waren - als sie noch moderat links waren - für Bahro "eine Enttäuschung, weil sie dieses nationale (...) völkische Moment nicht bedient (haben). Eigentlich ruft es in der Volkstiefe nach einem grünen Adolf. Und die Linke hat davor nur Angst, anstatt zu begreifen, daß ein grüner Adolf ein völlig anderer Adolf wäre als der bekannte." Weil die Linke sich der Notwendigkeit völkisch-autoritärer Strukturen nicht bewußt sei und die spirituelle Sicht ablehne, könne sie den "deutschen Volksgeist" "in sich" nicht realisieren.

Bahro denunzierte antinational Denkende als psychisch gestört: "In meinen Augen ist die Abwehrneurose, wo es um Deutschland geht, bloß die Kehrseite des 'normalen' Nationalismus." Für ihn existierte ein "Nationalcharakter". Die "natürliche" (!) Entwicklung des Menschen bzw. der Gattung verlaufe in "vier Stufen" über die Horde, den Stamm, das Volk bis schließlich zur Nation, die sich gleichsam organisch bilde. Die deutsche Nation hatte in seinen Augen ohnehin einen "besonderen Auftrag". Daß Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen ist und von sozialen Auseinandersetzungen, hatte der Ex-Sozialist längst vergessen. Ihm ging es nicht mehr um sozialen Widerstand und politische Opposition, sondern um eine Zusammenfließen von "Energien". Die Nation habe "Tiefenschichten" und eine Seele und sei historisch nicht mehr gebunden an das Aufkommen der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Das "Nationale" wurzele in einer Art "Stammesgeschichte in unseren Seelen".

So wabernd Bahros Sprache hier, so eindeutig dort, wo es gegen den Antifaschismus ging. Es gelte nicht "Anti" zu sein, sondern die "Energie", das "verborgene Wahrheitsmoment" im "Stoff der Gegenseite" zu integrieren. "Unter meinen Selbstdefinitionen kommt 'Antifaschist' nicht vor (...) Und diese Art Antifaschismus, wie er heute großteils betrieben wird (...), ist eine Art Götzenkult."

Bei den "heutigen Rechten und Braunen (...) müssen (wir) wahrnehmen, was für Energie da aufsteigt". Wer will schon Energie verschwenden? Bahro integrierte "braune Energie" praktisch. In seinen Vorlesungen bezog er sich z.B. positiv auf Sigrid Hunke, eine der Chefideologinnen der "Neuen" Rechten. Sie promovierte 1942 bei dem SS-Rassepsychologen L.F. Clauß, war Vize- und Ehrenpräsidentin (1971 bis 1983 bzw. 1985 bis 1988) der Sekte Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft (DUR) und stieg dann in den faschistischen Intellektuellen-Kreis beim "Thule-Seminar" auf, zu dem auch Alain de Benoist, der "Führer" der französischen "Neuen" Rechten gehörte. Bahro gefiel Hunkes "Verständnis für andere Volkscharaktere". "Tatsächlich sah H. die 'arabische Kultur' als eine 'hochwertige', die befruchtend auf 'germanische Völker' einwirken könne." In Übereinstimmung mit rechtsextremer, neuheidnischer Ideologie definierte Hunke Kultur als Trägerin der "Wesensart" eines angeblich homogenen "Volkes". Bahro lud auch den Unitarier Wolfgang Deppert als Referenten und die PropagandistInnen der sozialdarwinistisch-rassistischen, antisemitischen Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells wie Margrit Kennedy. Auch der scheinheilige Antisemit und C.G. Jung-Epigone Franz Alt fehlte nicht.

Bahro konnte sich eigenverantwortliche Kritik von Studentinnen an seinen ökofaschistischen Positionen so wenig vorstellen, daß er mich verantwortlich machte, als eine "Ökofaschismus-AG" 1993 an der Humboldt-Uni den Auftritt seiner Gäste Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels verhinderte, beide Gurus der autoritären Psycho-Sekte ZEGG (Belzig/Brandenburg).

Bahro versuchte, mit Briefen Druck auf mich auszuüben und mich zugleich zu gewinnen, in dem er einem seiner Briefe ein Buch beilegte, das er mir anpries, als sei es seine Bibel: Sri Aurobindo, "Zyklus der menschlichen Entwicklung".

Aurobindo, der "Freiheit" und "Gleichheit" haßt, der von einer spirituellen, rassischen Elite träumt, die über die minderwertige Masse herrschen soll, beschwört darin die Schönheit und Kraft der "Aggression" NS-Deutschlands. Er beschreibt die Nation als ein "spirituelles Wesen". Sieht in den Deutschen die "größte und höchste nordische Rasse" und in Deutschland die höchstentwickelte Nation. Er preist die reinigende Wirkung großer Kriege. Da das Ausmerzen der Minderwertigen zum Fortschritt gehöre, habe Deutschland recht gehandelt: "Logischerweise hielt sich (...) die deutsche Rasse für allein befähigt (...). Weniger fähige (...) sollten germanisiert werden, andere hoffnungslos dekadente, wie die lateinische Rasse in Europa und Amerika, oder von Natur unterlegenere wie die große Mehrzahl der Afrikaner und Asiaten sollten, wenn möglich, wie die Hereros ersetzt oder, (...) beherrscht, ausgeplündert und ihrer Inferiorität entsprechend behandelt werden. So würde (...) die menschliche Rasse ihrer Vollkommenheit entgegegehen."

So "assoziiert" auch Sri Aurobindo, Rudolf Bahros Guru, in "unnachahmlicher Weise über die Welt", verherrlicht die "Kühnheit" und "Aufrichtigkeit" der NS-Vision und verteidigt sie gegen ihre mutlosen und zögerlichen Kritiker. - Alles nur "grüne Romantik"?

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Rudolf Bahro findet sich in Jutta Ditfurths Buch "Feuer in die Herzen", Konkret Literatur Verlag, Neuausgabe 1997