Paul und das Geld

BdV-Vize Latussek bastelt an Politik, die seinem Verband die Bundesmittel kosten müßte

Die Junge Freiheit meldete in ihrer Ausgabe 51/1997 trocken, der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Paul Latussek, sei beim ersten Bundeskongreß der Wählergemeinschaft deutscher Heimatvertriebener und Entrechteter (WDHE) in Gotha zum Vorsitzenden gewählt worden. Was wie eine unspektakuläre Meldung klingt, dokumentiert einen fundamentalen Dissens in der BdV-Führungsriege und zeigt, daß ein Teil des von der Bundesregierung finanzierten Vertriebenenverbands immer mehr in Richtung extreme Rechte tendiert.

Der WDHE hatte sich im Juni 1997 in Zwickau gegründet. Vorbereitet und koordiniert wurde der Gründungsparteitag dieser in der Tradition des von Alt-Nazis durchsetzten Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) stehenden Wählergemeinschaft von den BdV-Geschäftsstellen in Gotha und Zwickau. In dem WDHE-Grundsatzprogramm findet sich, was von extrem rechten Parteien zu erwarten ist: Die Bevölkerung Deutschlands werde durch "Volksvertreter, die fremde Interessen" umsetzen wollten, bevormundet. Deshalb solle Deutschland auch, "solange dem deutschen Volk oder Teilen des deutschen Volkes das Recht auf politische und kulturelle Selbstbestimmung vorenthalten wird", darauf verzichten, Entwicklungshilfe zu zahlen. Die Nato betreibe eine "Deutschland demütigende Politik" und ihr "interner Auftrag" bestehe darin, "Deutschland unten, Rußland draußen und die USA in Europa zu halten".

Laut Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) soll das "Kulturgut der Vertriebenen" im "Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes" erhalten werden. Ob eine Parteigründung, wie die der WDHE, damit auch gemeint war? Auch die Satzung des BdV zeigt sich eigentlich nicht besonders offen für die Gründung einer eigenen Partei: "Der Bund ist überparteilich und überkonfessionell", heißt es in Paragraph 2, Absatz 4. Nebenbei: Ohne den Paraphen 96 BVFG stünde der BdV schnell vor der ökonomische Pleite.

Im Interview mit der Wochenzeitung Der Schlesier, die von der nicht der Fortschrittlichkeit verdächtigen Landsmannschaft Schlesien wegen ihrer zu deutlich rechten Ausrichtung als Verbandsorgan abgestoßen wurde, hatte sich Latussek im Vorfeld für eine neue, von "nationaler Sachpolitik" getragene Partei eingesetzt. Latussek genießt großes Ansehen bei der BdV-Basis, besonders bei den Verbänden in "Mitteldeutschland", wie die ehemalige DDR auch im BdV-Jargon genannt wird. Latusseks Jüngern paßt sein rechtes Engagement genau ins Konzept, repräsentiert es doch auch ihr Denken, Fühlen und Handeln.

In seinem Grundsatzartikel "Neue Aufgaben für den BdV" im neofaschistischen Theorieorgan Nation & Europa erklärte er, wie sich der Trab des BdV wieder in einen ritterlichen Galopp verwandeln soll: "Es ist Aufgabe der deutschen Politik, mit Selbstbewußtsein und Mut zur geschichtlichen Wahrheit unserer Nation wieder den Platz in der Völkergemeinschaft zu geben, der unseren Traditionen, aber auch unserer Bedeutung als Kulturnation und Wirtschaftsmacht entspricht." Polen und Tschechien wirft er eine "massive Unterdrückung des Selbstbehauptungswillens der Deutschen und ihrer deutschen Identität" vor.

Sicherheitshalber schreibt Latussek seine nationalen Wahnvorstellungen nicht nur nieder, sondern referiert sie jedem, der ihm zuhören will. So auch der sogar vom Verfassungsschutz als "größte rechtsextremistische Kulturvereinigung" eingestuften Gesellschaft für Freie Publizistik (GFP). Für diesen Auftritt bekam Latussek einen deutlichen Rüffel seines Präsidenten, Fritz Wittmann. Dieser distanzierte sich von Latusseks Auftritt und zeigte sich besorgt, daß das "Gesamtwohl des Verbandes beeinträchtigt" werden könnte. Wittmann habe seine Informationen "offensichtlich aus linksextremen Kreisen", tönte es aus Erfurt zurück. Es gebe "keinen Ort und keinen Zuhörerkreis, der für ein wahres und gerechtes Wort nicht geeignet" sei.

Was auf den ersten Blick nach kleinen Führungsstreitigkeiten zweier BdV-Kader aussieht, repräsentiert erheblich mehr: Wittmann auf der einen Seite verkörpert die legalistische Linie des BdV, die darauf abzielt, den BdV weiterhin aus dem Staatshaushaltes finanzieren zu lassen. Latussek schert sich hingegen einen Dreck um taktische Erwägungen. "Als Insider" wisse er, "was die Menschen denken". Großdeutschland nur als Gedanke und das Warten auf seine Rekonstruktion am St.Nimmerleinstag sind ihm zu wenig.

Latusseks Amtsantritt als WDHE-Vorsitzender steht für eine neue Dimension der BdV-Politik: sich offen rechts von der Union zu positionieren. Daß ihn sein Handeln aus dem BdV-Präsidium katapultiert bzw. dem BdV die Finanzmittel gestrichen werden, ist ebenso formal und juristisch zwingend wie undenkbar.

Denn auch die finanzierende Seite weiß, was sie an Latussek hat: Er sitzt im Beirat für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen beim Bundesinnenministerium, der die gesetzliche Aufgabe hat, die Bundesregierung "sachverständig" zu beraten.