»Alles, bloß nicht Bibi«

In Israel wird über die politische Zukunft von Shimon Peres spekuliert

Ein merkwürdiges Gerücht setzte die nicht allzu bedeutende israelische Wochenzeitung Ha'ir vor wenigen Wochen in die Welt: Drei neue Parteien sollten im Jahr 1998 gegründet werden und bei eventuellen Neuwahlen antreten. Eine würde vom früheren Premierminister Shimon Peres angestrebt und nenne sich Friedenspartei, eine weitere solle Zentrumspartei heißen und würde von einigen Likud-Rebellen, vor allem von Tel Avivs Bürgermeister Roni Milo und seinem Jerusalemer Amtskollegen Ehud Olmert, anvisiert, eine dritte wolle sich links der Arbeitspartei etablieren und hinter ihr stehe Amir Perets, der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes Histadrut.

Das Gerücht blieb ein Gerücht, eine Bestätigung kam nicht, und wenn überhaupt irgendetwas realistisch daran anmutete, dann bloß die Vorstellung, daß sich der regierende rechte Likud-Block spaltet. Während die Abtrünnigen tatsächlich am 4.Januar eine neue Partei namens "Atid" gründeten, traf sich am Donnerstag vergangener Woche Shimon Peres mit Vertretern des bei der Arbeitspartei ohnehin nicht so gern gesehenen "Friedensforums", und heraus kam die Drohung, eine neue Partei ins Leben zu rufen. Dem Friedensforum gehören Politiker aller Parteien an, auch vom regierenden Likud, von den National-Religiösen und von der Gesher-Partei, deren Vorsitzender David Levy gerade vom Amt des Außenministers zurückgetreten ist.

Damit das Gerücht noch eine Weile weiter ein Gerücht bleibt, wurde es von Peres stante pede dementiert: "Ich habe nicht die Absicht, eine neue Partei zu gründen. Mein einziges Ziel ist, die Sache des Friedens voranzubringen."

Daß Peres, der zusammen mit dem ermordeten Yitzhak Rabin den Friedensnobelpreis erhielt, sich von der Arbeitspartei abwenden könnte, halten selbst Parteifreunde für möglich. Shlomo Buhbut, Bürgermeister von Ma'alot und Mitglied der Arbeitspartei, erklärte vieldeutig: "Alles ist möglich, seit der Premierminister direkt gewählt wird. Ich wäre nicht überrascht, wenn aus diesem Forum eine neue Friedenspartei entstünde."

Der Direktkandidat einer solchen Partei könnte nur Shimon Peres sein. Er ist prominent, auch bei Likud-Parteigängern akzeptiert, und ein richtiges Dementi kam von ihm nicht: "Ich werde niemanden um Erlaubnis bitten, um meine Ziele durchzusetzen", verkündete er ein wenig kryptisch, "dies ist ein freies Land." Erste Meinungsumfragen ergaben schon, daß eine solche Partei besser abschneiden könnte als die Arbeitspartei, der Ehud Barak vorsteht. Und bei einer Direktwahl des Ministerpräsidenten, die es in Israel seit 1996 gibt, bekäme er laut israelischem Fernsehen 56 Prozent der Stimmen.

Die Drohung einer neuen Partei, von der niemand weiß, wie ernst gemeint sie wirklich ist, hat schon Ergebnisse gezeitigt. Während Ehud Barak beschwichtigte ("Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand, der so tief verwurzelt in der reichen Tradition der Arbeitspartei ist wie Peres, sie verlassen und gegen sie antreten könnte"), wurde ein anderer aktiv, dem jede Krise in der Opposition wie gerufen kommt: Premierminister Benjamin Netanjahu.

Der hat, so will es ein weiteres Gerücht, Shimon Peres das Angebot gemacht, als Außenminister in die Rechts-Koalition einzutreten und Nachfolger von David Levy zu werden. Ein enger politischer Freund von Peres dementierte sofort, und die Frage, was Peres in der Regierung wollen könnte, blieb auch unbeantwortet. Schließlich ist Levy u.a. wegen Netanjahus Verschleppung des Friedensprozesses zurückgetreten, und die ähnlich begründete Rücktrittsdrohung von Verteidigungsminister Yzhak Mordechai scheint Netanjahu aus Rücksicht auf seine rechten Koalitionspartner und Wähler ebenfalls akzeptieren zu wollen. Der gleiche Netanjahu, der mit einem Außenminister Shimon Peres internationale Glaubwürdigkeit, vor allem gegenüber den USA, zurückgewinnen möchte, betreibt gerade eine nicht allzu glückliche Demontage von Levy ("Selbst der Außenminister der Elfenbeinküste macht einen besseren Job als er") und Mordechai ("Er verfügt über keine politische Macht").

Netanjahus politisches Kalkül zu beschreiben, ist relativ einfach: Bevor die Likud-Abtrünnigen mit ihrer neuen Atid-Partei ihn stürzen - nach Gerüchten, die die Jerusalem Post kolportierte, befürchten Mitarbeiter von Barak, Shimon Peres könne auch dort mitmachen -, will er lieber die Arbeitspartei spalten.

Was aber das Kalkül von Shimon Peres sein könnte, ist offen. Die Ha'aretz berichtet, bei einem Streit in der Cafeteria der Knesset habe Peres zu Barak gesagt, er könne sich als Minister in einer Regierung der "nationalen Einheit" vorstellen. Barak warf ihm daraufhin vor, er wolle ja nur verhindern, daß er, Barak, Premierminister würde. Im israelischen Fernsehen sagte Peres: "Alles, was ich möchte, ist, den Frieden zu retten. Wenn ich sehe, daß diese Idee in der Arbeitspartei umstritten ist, höre ich dort schnell auf."

Mindestens ein Drittel, vielleicht sogar zwei Drittel, des merkwürdigen Gerüchts einer Parteigründungswelle haben sich bestätigt. Einer der Gründer von Atid sagte, der Slogan seiner neuen Partei müsse zweifellos lauten: "Anything but Bibi." Nach diesem Motto verfahren anscheinend auch die Protagonisten einer eventuellen Friedenspartei, wobei zur Zeit niemand sagen kann, wer sich welcher Partei anschließen wird: Irgendwer halt, der nicht Netanjahu heißt.

Nur von den Plänen einer neuen sozialistischen Links-Partei hat man noch nichts weiter gehört.