Nach Kritik tritt Gouverneur von Chiapas zurück

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Nach Mexikos Innenminister hat sich vergangene Woche der Gouverneur von Chiapas, Julio Cesar Ruiz Ferro, dem intellektuelle Urheberschaft des Massakers in Chenalho vorgeworfen wird, aus seinem Amt verabschiedet. Sein binnen weniger Stunden vom Parlament von Chiapas zum vorläufigen Nachfolger bestimmter Parteikollege Roberto Albores Guillen kündigte eine vollständige Aufklärung des Massakers von Chenalho an.

Was daraus wird, steht allerdings auf einem andern Blatt. In der mexikanischen Wochenzeitung Proceso war schon zuvor Hintergründiges zur Strategie der Aufstandsbekämpfung in Chiapas veröffentlicht worden. Ohne Rückendeckung hoher staatlicher Stellen hätte eine solche Strategie nicht durchgesetzt werden können. Sie geht auf den Vietnamkrieg zurück und wurde als "schmutziger Krieg" in Guatemala, El Salvador, Nicaragua und Angola erprobt. Die mexikanische Version dieses Krieges niedriger Intensität wird in Chiapas seit Februar 1995 angewandt.

Verschiedene Dokumente des mexikanischen militärischen Geheimdienstes und des Verteidigungsministeriums (Sedena) belegen die Entwicklung dieser Strategie seit Oktober 1994, insbesondere der zweite Band eines Handbuchs mit dem Titel "Manual de Guerra Irregular/Operaciones de Contraguerilla o Restauraci-n del Orden", das seit etwa drei Jahren von der Sedena an alle untergeordneten Stellen verteilt wurde.

Der schmutzige Krieg in Chiapas umfaßt drei Ebenen: die militärische, die zivile und die der öffentlichen Meinung. Auf der militärischen Ebene, so kritisiert eine Studie des Menschenrechtszentrums "Fray Bartolomé de las Casas" mit dem Titel "Weder Krieg noch Frieden", bedeute die in Chiapas angewandte Strategie, daß die "Streitkräfte der Zivilbevölkerung kein extremes Leid zufügen sollen, oder, wenn doch, dafür sorgen müssen, daß es keine populären feindlichen Reaktionen gibt".

Auf der zivilen Ebene wird vorgeschlagen, "alle zivilen Unterstützer zu rekrutieren, die die counterinsurgency-Strategie benötigt. Ebenso, wie es darum geht, den Rebellen die zivile Unterstützung zu entziehen, muß die Counterinsurgency die Köpfe der Zivilbevölkerung gewinnen." Auf dieser Ebene spielen, so das Zentrum, auch humanitäre Hilfe, soziale Unterstützung (wie die nach dem Massaker von Chenalho verteilten Zahnpastatuben), Aufbau einer auch militärisch nutzbaren Infrastruktur (Wege- und Brückenbau) eine Rolle sowie, "unerläßlich für das globale Schema der counterinsurgency", ein ökonomisches Projekt. Letzteres in einer Version, die den aus Guatemala bekannten Gedanken der "strategischen Dörfer" weiterentwickelt: In militärisch überwachten und politisch kontrollierten Gebieten Zonen zu entwickeln, in denen der traditionellen Maisanbau durch Agrokulturen, die für den Export bestimmt sind, ersetzt werden.

Auf der Ebene der öffentlichen Meinung schließlich müßten "die in den irregulären Krieg verwickelten bewaffneten Kräfte auf ihr Bild achten, den Feind schlechtmachen und versuchen, jedes mit ihm verbündete Potential zu finden und zu zerstören". Wobei Brigadegeneral José Rubén Rivas Pena die Schaffung einer "Regierungs"-Radiostation vorschlug.