Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)

Trotz allem Champagner

Sind Sie zufrieden mit der SPD?

Mit der SPD oder mit der FDP?

Mit der SPD, mit deren Verhandlungen beim Großen Lauschangriff.

Die SPD ist in die Verhandlungen mit dem Ziel hineingegangen, in jedem Fall einen Kompromiß zu erzielen. Sie hat in vielen Fragen ihre auch gute Tradition aufgegeben und Überzeugungen über Bord geworfen. Sie hat zwar noch versucht, ein bißchen Schutz von Berufsgeheimnissen durchzusetzen, aber insgesamt bin ich mit der SPD in diesem Punkt genauso unzufrieden wie mit allen anderen Parteien.

Mit ihrer eigenen Partei müßten Sie in diesem Punkt doch noch unzufriedener sein.

In meiner eigenen Partei hatten wir ja das Verfahren des Mitgliederentscheides. Da war eine Mehrheit für das Abhören von Wohnungen. Trotzdem hätte ich mir jetzt gewünscht, daß sich auch die Befürworter des Großen Lauschangriffs energischer für einen besseren Schutz von Berufsgeheimnissen eingesetzt hätten. Insofern bin ich auch da enttäuscht, aber der Prozeß der Unzufriedenheit liegt schon länger zurück.

Sie scheinen keine großen Hoffnungen zu haben, daß sich da in Ihrer Partei noch etwas ändert.

Ich sehe nicht, daß sich in der Frage des Abhörens von Wohnungen noch eine Grundgesetzänderung verhindern läßt.

Sie setzen auch keine Hoffnungen in Ihren Parteifreund, den rheinland-pfälzischen Justizminister Peter Caesar, der angekündigt hat, noch etwas über den Bundesrat zu versuchen?

Das finde ich sehr gut und ich unterstütze ihn. Ich habe seine Vorschläge auch in die Debatten in Bonn eingebracht. Wenn Herr Caesar Mehrheiten finden könnte im Bundesrat, dann wäre das mit Sicherheit noch eine erhebliche Verbesserung. Derzeit schätze ich die Lage im Bundesrat als noch etwas unsicher ein.

Nach all den Gesetzesverschärfungen, die die FDP mitzuverantworten hat: Ist da die Strategie Ihrer Parteispitze nicht erfolgversprechender als die des Freiburger Kreises? Die Bürgerrechtspartei kauft der FDP doch kaum noch jemand ab. Da sind die Grünen glaubwürdiger.

Das wird immer gerne so behauptet. Doch dann muß man auch konkrete Positionen hinterfragen. Bei den Grünen gibt es, das haben wir im letzten Jahr gesehen, nach wie vor eine sehr undifferenzierte Haltung zu der Frage, was ist Gewalt und wann ist Gewalt zulässig zur Durchsetzung bestimmter politischer Ziele. Auch in anderen Bereichen gibt es sehr große Unterschiede zwischen den Grünen und der FDP. Zum Beispiel bei der Einwanderung: Die Grünen haben da Regelungen vorgeschlagen, die überhaupt keine Steuerungs- und Begrenzungsmechanismen enthalten. Das ist ein Wolkenkuckucksheim, was dort teilweise an Politik gemacht wird. In anderen Bereichen hat die FDP die meiner Meinung nach sehr guten Bürgerrechtspositionen stark zurückgenommen oder vertritt sie heute nicht mehr. Deshalb habe ich diese Debatte in der FDP ja auch angestoßen.

Was macht Ihnen denn Hoffnung, daß sich da noch etwas bewegt?

Die Situation in diesem Wahljahr ist doch die, daß die FDP weitestgehend aus eigener Kraft versuchen muß, wieder in den Bundestag zu kommen. Das heißt, die FDP muß sich auf die vielen Nichtwählerinnen und Nichtwähler konzentrieren und zum Teil auch auf Wähler, die zu den Grünen gegangen sind, die aber in Wirtschafts- und Finanzfragen Reformen wollen, die nicht mit grünen Positionen übereinstimmen. Daher denke ich, daß die FDP gut beraten ist, wenn sie auch diesen Wählerinnen und Wählern ein überzeugendes Angebot macht. Klar ist für mich aber auch, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - und dazu gehört auch eine Steuerreform - ein wichtiges Thema ist. Aber die anderen Themen dürfen nicht so verschwinden, wie das teilweise der Fall war.

Man gewinnt jedoch den Eindruck, daß Bürgerrechtspositionen in der FDP bereits verschwunden sind. Und daß Sie nur noch die Rolle einer Alibi-Bürgerrechtlerin spielen.

Nein, aber das hängt ja auch davon ab, wie man sich selbst sieht. Ich empfinde mich nicht als Feigenblatt.

Wer keinen Einfluß mehr hat, der hat nur noch Alibifunktion.

Wenn man im Präsidium sitzt und dort mit Mehrheit hineingewählt worden ist, dann zeigt das schon, daß man auch Einfluß hat.

Was müßte denn in der FDP passieren, daß Sie die Hoffnung in diese Partei aufgeben?

Das ist für mich eine fiktive Frage, die sich derzeit nicht stellt. Ich habe in Starnberg einen Wahlkreis, in dem ich wieder für die FDP und gegen die Konkurrenten der anderen Parteien antreten werde. Deshalb liegt gerade im Jahr 1998 der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern.

Jetzt spielen Sie die brave Parteisoldatin. Hat der Feldgottesdienst in Stuttgart bei Ihnen Eindruck gemacht?

Nein. Ich lasse mich nur nicht von irgend jemandem benutzen. Ich kämpfe jetzt seit 20 Jahren in der FDP, seit 1990 im Bundestag. Es gibt überhaupt keinen Zweifel an meinen Positionen, es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß ich auch entsprechende Kritik in die Partei hineingebracht habe. Nicht zum Selbstzweck, sondern wegen der Profilschaffung der FDP. Diese Kritik gebe ich auch überhaupt nicht auf. Genauso werde ich mit meinen Themen - das habe ich auch letzte Woche auf mehreren Veranstaltungen gemacht - für die FDP kämpfen und nicht gegen sie.

Was würden Sie bei einer Wette auf den Einzug der FDP in den nächsten Bundestag setzen?

Mehrere Kisten Champagner.

Die Wette gilt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war von 1992 bis Anfang 1996 Bundesjustizministerin. Sie trat zurück, nachdem sich die FDP in einem Mitgliederentscheid mit 63,6 Prozent für den Großen Lauschangriff ausgesprochen hatte.