Gummikugeln aus Francos Erbe

Die Polizei geht hart gegen den Streik der Minenarbeiter im nordspanischen Asturias vor

Spaniens Steinkohle-Minen im Norden des Landes sind traditionell ein Konfliktherd. 1934 sandte die Regierung gar Militärgeneral Francisco Franco in die Region, um einen Streik mit einem Blutbad zu beenden. Mehr als 1 000 Tote, 3 000 Verletzte und 13 000 Festnahmen soll es damals gegeben haben. Seit Anfang dieses Jahres werden wieder heftige Zusammenstöße gemeldet, in deren Verlauf bereits etliche Personen verletzt wurden.

Fast täglich kam es in der vergangenen Woche zu Straßenschlachten zwischen Minenarbeitern und der sogenannten Ordnungsmacht. Die seit Jahresbeginn streikenden Arbeiter versuchen, wichtige Straßen- und Eisenbahnlinien zu blockieren, die Polizei geht hart gegen die Streikenden vor. Mitte der vergangenen Woche formierten sich daraufhin solidarische Proteste der Bevölkerung mit den im Arbeitskampf befindlichen "mineros": In Figaredo beispielsweise veranstalteten die Einwohner eine Protestdemonstration gegen das Vorgehen der Polizei. In anderen Städten mobilisieren bereits Schülergruppen zu Solidaritätsdemos mit den Minenarbeitern.

Die Sicherheitskräfte kratzt die Unpopularität ihrer Aufstandsbekämpfungs-Methoden wenig. Besonders gerne setzt sie Gummikugeln oder Tränengasgranaten ein. Vergangenen Donnerstag verlor durch einen solchen Polizeieinsatz ein 33jähriger Soziologe sein linkes Auge. In Langreo wurde er von einer Gummikugel getroffen, als er gerade in unmittelbarer Nähe einer Straßenschlacht zwischen Streikposten und Uniformierten aus einer Kneipe trat. Tags davor war bereits ein 16jähriger von einer Gummikugel ins Auge getroffen worden, und mehrere weitere Personen mußten zu chirurgischen Eingriffen in Krankenhäuser gebracht werden, nachdem die Aufstandbekämpfer tätig geworden waren. Verletzt durch ein Polizeigeschoß, eine Tränengaskartusche, wurde auch ein Fotograf der spanischen Wirtschaftstageszeitung El Comercio.

Bereits im Sommer letzten Jahres verständigten sich das Industrieministerium und die Kohlearbeiter aus Asturien auf einen Plan zum Abbau der Belegschaften der Staatsbetriebe Hunosa und Minas de Figaredo. Von etwas mehr als 9 800 Beschäftigten sollten rund zwei Fünftel bis zur Jahrtausendwende mit 52 Jahren in den Vorruhestand geschickt werden, die jährliche Kohleförderung sollte bis 2001 auf 2,1 Millionen Tonnen (derzeit noch 2,5 Millionen Tonnen) reduziert werden. Aber die europäische Union war mit diesen Plänen nicht so ganz einverstanden: Es müßten noch mehr Arbeitsplätze und noch weniger Kohle abgebaut werden, so die Direktive aus Brüssel.

Für die Gewerkschaften ein glatter Vertragsbruch, sie fordern bereits seit Jahresbeginn, daß der Plan wie vereinbart umgesetzt wird und wollen unter keinen Umständen Veränderungen vornehmen. Streitpunkt zwischen der Regierung und den beiden größten spanischen Gewerkschaften UGT und CC.OO. ist insbesondere die Festlegung auf eine Mindestbelegschaft von 6 500 Minenarbeitern. Spaniens konservative Regierung, für die Energie-Staatssekretär Nemesio Fern‡ndez Cuesta am Verhandlungstisch sitzt, will sich darauf aber auf keinen Fall einlassen.

Zugleich deutet sich im Süden des Landes ein weiterer Konflikt an - zwischen Olivenbauern und der Regierung. Denn auch dort soll nach Willen der Europäischen Union die spanische Produktion verringert werden.