Feuerberg sucht Feuerteufel

Um den Urhebern eines Anschlages auf einen Kaiser's-Supermarkt auf die Spur zu kommen, setzt die Berliner Polizei auf illegale Ermittlungsmethoden

Das Bild der ausgebrannten Kaiser«s-Supermarktfiliale im Prenzlauer Berg, die am 3. Oktober vergangenen Jahres in Brand gesetzt wurde, zählt mittlerweile zum festen Bestandteil in Berlins Chroniken zum Tag der Deutschen Einheit. Was den einen ein gelungenes Beispiel militanten Widerstandes gegen den Gutscheinzwang für AsylbewerberInnen, ist den anderen, wie beispielsweise zahlreichen AnwohnerInnen des Hauptstadt-Bezirkes, ein Sinnbild fehlgeleiteter Militanz.

In einem Bekennerbrief hatten die Urheber des Brandes damals erklärt, die Aktion sei eine "Warnung an die Tengelmanngruppe (Kaiser«s, Plus usw.), sich an dem geplanten Warengutscheinabrechnungssystem für alle 32 000 in Berlin lebenden Flüchtlinge zu beteiligen". Trotz eines Spielraumes, den das Asylbewerberleistungsgesetz bietet, hielt der Berliner Senat damals noch an dem auch von Grünen, PDS und Flüchtlingsinitiativen kritisierten Verfahren fest und wollte es auf über 30 000 Bürgerkriegsflüchtlinge ausdehnen.

Innensenator Jörg Schönbohm nutzte den Anschlag auf seine Weise: Immer wieder dient der Brand dem Law and Order-Hardliner als Rechtfertigung für Kampagnen gegen "autonome Chaoten". Seit vier Monaten ermittelt eine anfangs 50köpfige Sonderkommission des Staatsschutzes in Sachen Kaiser«s unter Leitung der politischen Abteilung 81 der Berliner Staatsanwaltschaft. Noch in der Brandnacht stellten zivile und uniformierte Polizeikräfte nach Aussagen von Augenzeugen willkürlich die Personalien von Schaulustigen fest, die sich in der Nähe des Supermarktes aufhielten und durch Kleidung und Outfit ins "Chaoten-Raster" zu passen schienen.

In den folgenden Monaten wurden, so läßt die Staatsanwaltschaft wissen, über 100 Personen zu dem Anschlag und dem möglichen Täterkreis befragt. Besonders im Bezirk Friedrichshain, aber auch in Berlin-Mitte schwärmten Zivilfahnder aus, um Kneipengespräche zu belauschen, ertappte Sprayer mit gezielten Fragen unter Druck zu setzen oder AnwohnerInnen zu befragen.

Vergangenen Dienstag hat nun der zuständige Staatsanwalt Feuerberg eine Gruppe von 16- bis 20jährigen SchülerInnen zur Zeugenvernehmung beim Staatschutz vorladen lassen. Was sich dort abspielte, bezeichnete Rechtsanwalt Sven Lindemann gegenüber Jungle World als "klaren Rechtsbruch". Zunächst wurde der von vier ZeugInnen als Beistand mitgebrachte Verteidiger gegen den erklärten Willen der Betroffenen von Ermittler Feuerberg wieder nach Hause geschickt. Danach, so berichten die SchülerInnen, habe eine stundenlange Prozedur begonnen, die "den Charakter einer Beschuldigtenvernehmung hatte". Die Staatsschutzbeamten hätten den ZeugInnen mehrfach vorgeworfen, zu lügen und im gleichen Atemzug "Straffreiheit" zugesichert, "wenn sie die Wahrheit sagen" würden. Detailliert seien sie über ihre Kleidung an besagtem Abend befragt worden. Auch zu Aktionen, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Brandanschlag gestanden hätte, habe Feuerberg Informationen sammeln wollen, so beispielsweise über eine Autobahnblockade von AntifaschistInnen gegen ein Demonstrationsverbot im thüringischen Saalfeld im November 1997.

"Ein klarer Mißbrauch von Zeugenvorladungen", reagierte eine der Betroffenen gegenüber Jungle World, zumal sechs von ihnen nach den Einzelvernehmungen auf einem Gang des Präsidiums einer Gruppe von Personen - darunter zwei zivilen Polizeibeamten - gegenübergestellt worden seien. Der siebte Zeuge habe eine Gegenüberstellung hinter einer Spiegelwand über sich ergehen lassen müssen. Rechtsanwalt Lindemann hat mittlerweile eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Staatsanwalt angekündigt.