Wiedergeburt im Mutterland

Eine neue Vereinigung will den Rußlanddeutschen eine Vertretung im Bundestag schaffen

Deutschland hat eine völkische Lobby mehr. Seit Mitte Januar ist die "Gesellschaftspolitische Bundesvereinigung Heimat" mit eigenen Landesverbänden in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vertreten, weitere sollen folgen. Während die bekannten Vertriebenenverbände ihren Hauptsitz in der Bundesrepublik haben und sich bemühen, im Ausland "Inseln der Hoffnung" (Horst Waffenschmidt, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung) zu etablieren, ging die "Heimat" den umgekehrten Weg.

Die Initiative zu ihrer Gründung Ende letzten Jahres ging von der "Deutschen Gesellschaft Wiedergeburt" aus - einer in verschiedenen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion ansässigen Organisation. Der Gründungsvorsitzende der 1989 ins Leben gerufenen "Wiedergeburt", Heinrich Groth, ist stolz auf die Leistungen seines Verbandes. Die "Wiedergeburt" sei "nach wie vor allen Verbänden in den Nachfolgestaaten der UdSSR zahlenmäßig weit überlegen", erklärte er letztes Jahr im Interview mit der Deutsch-Russischen Zeitung. "1991/92 zählte die Allunionsgesellschaft 'Wiedergeburt' mehr als 150 000 eingetragene Mitglieder, wobei an erster Stelle die 'Wiedergeburt' Rußlands lag, der die 'Wiedergeburt' Kasachstans und der Ukraine folgten."

Allein in Kasachstan verfügt die Gesellschaft in 15 Großstädten über Verwaltungsbüros und Begegnungsstätten für sogenannte Deutschstämmige. Diese Einrichtungen sollen zur Verbreitung und Stärkung deutscher Kultur beitragen, beispielsweise durch Deutschkurse für den ahnungslosen Anfänger bis zum Fortgeschrittenen. Ziel ist, "mit einfachen Mitteln die eigene Identität zu wahren", wie es eine Mitarbeiterin der Organisation gegenüber der Frankfurter Rundschau ausdrückte. In dieser Arbeit wird die "Wiedergeburt" auch durch das Bonner Innenministerium finanziell unterstützt.

Während Groth sich zufrieden über die Leistungen seiner Organisation zeigt, scheinen ihn Sorgen über den Zustand des Mutterlandes zu plagen. Es mißfällt ihm, daß es seit "zwei Jahrzehnten keinen Zuwachs an deutscher Bevölkerung mehr" gegeben habe und daß die "Geburtenrate der deutschen Bevölkerung" sinke. Außerdem gebe es mehrere Millionen Menschen innerhalb Deutschlands, die ihrer Volkszugehörigkeit nach nicht Deutsche und ihrer Religionszugehörigkeit nach nicht Christen seien, und diese Gruppe nehme quantitativ schnell zu. Wenn es so weitergehe, befürchtet Groth, seien die Deutschen in Zukunft "keine Nation mehr..., die dem Staat den Namen gibt", sondern erhielten den "Status einer nationalen Minderheit, zumindest in Teilen des Staatsgebietes".

Daß es soweit nicht kommt, dafür will Groth jetzt persönlich sorgen. Ende 1997 ließ er durchblicken, er werde seinen Hauptwohnsitz aus der Ukraine in die Bundesrepublik verlegen, um sich hier die "Wiedergeburt" einsetzen zu können. Folgerichtig ist es für ihn wichtig, "durch die Parteilisten oder auf eine andere Weise" in den Bundestag zu kommen, um die "Rußlanddeutschen" in der BRD repräsentieren zu können.

Das parteipolitische Begehren der Gesellschaft "Wiedergeburt" stieß jedoch auf Widerstand bei den befreundeten Organisationen. Beim 7. Treffen der bayerischen Landesgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland am 27. September 1997 in Augsburg stellte deren Bundesvorsitzender Alois Reiss klar, daß sich die Landsmannschaft mit Hilfe der Bundesregierung um die Integration der Aussiedler als "integraler Bestandteil des deutschen Volkes" bemühe. Er wies darauf hin, daß die "Rußlanddeutschen" durch eine eigene Partei zu einer Minderheit im "klassischen Sinne" gemacht würden.

Als Resultat dieser Auseinandersetzung entstand schließlich Ende des vergangenen Jahres zunächst keine eigene Partei, sondern die Gesellschaftspolitische Bundesvereinigung Heimat. Im Programm der "Heimat" heißt es, sie werde sowohl mit der "Wiedergeburt" um ständige Zusammenarbeit bemüht sein, als auch mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland.

Inhaltlich findet sich allerlei bekannter völkischer Unfug, wie der Rede von "deutschen Minderheiten" fast rund um den Globus oder die Forderung nach der "Verteidigung der Lebensinteressen" und dem "Schutz der Rechte der deutschen Aussiedler in Deutschland und der deutschen Minderheiten, die noch in den Gebieten der ehemaligen UdSSR leben". Daneben spiegelt sich im Katalog der "Heimat" auch der Drang in den Bundestag wieder: Die "Rußlanddeutschen" sollten "in den Repräsentationsorganen aller Ebenen - einschließlich des Bundestages" vertreten sein. Gefordert werden "besondere Abteilungen und Ausschüsse in Ministerien und Ämtern (Wirtschaftsministerium; Außenministerium usw.)", die von "Aussiedler-Fachkräften" besetzt werden sollen.