Pätzold auf Pro 7

Ende November vergangenen Jahres schrieb Wolfgang Wippermann in dieser Zeitung, Daniel J. Goldhagen habe aus drei Gründen nicht recht, wenn er beklagte, "the Germans tried to silence me", und seine Einwände lauteten: "Einmal sind es nicht die 'Deutschen', sondern die deutschen Historiker. Zweitens schweigen sie ihn nicht einfach tot, sie rufmorden ihn. Drittens haben sie es nicht nur versucht, sondern fast erreicht."

Anfang dieses Jahres nutzte Kurt Pätzoldt die Chance, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. In einem Blatt, das allzugern auf den Straßen von Berlin und anderswo dem Volk den linken Puls fühlt, publizierte er, die Rufmörder überholend, einen zweiseitigen Nachruf unter dem Titel "In memoriam Daniel J. Goldhagen", der, wir geben das gerne zu, journalistisch sorgfältig mit einem Fragezeichen versehen war.

Einmal mehr suggerierte der Historiker, den Matthias Küntzel mit einiger Berechtigung den "Ost-Mommsen" nannte, Mauscheleien bei der Plazierung Goldhagens in den Medien. Die so richtige wie allgemeine und banale Erkenntnis, daß die Zeit ebenso wie andere Medien nicht allein der journalistischen Wahrheitsfindung verpflichtet ist, sondern interessengeleitet handelte, steigerte sich zur Rede von einer "Hamburger Redaktionsküche", dann zu der Behauptung, Goldhagen sei vom "Druck einer manipulierten öffentlichen Meinung" begünstigt worden. Die Bilanz der Bilanzen, die der Historiker dann zog, gipfelte in der Feststellung eines Nebeneffekts, der - wie Pätzoldt pietätvoll konzedierte - dem für tot erklärten Goldhagen nicht anzulasten sei: "Daß er seine Fragen, wie schlicht sie dann immer beantwortet wurden, auf die Täter vor Ort (in den Polizeibataillonen, den verschiedensten Kategorien der Lager, in den Begleitmannschaften der 'Todesmärsche') richtete, bediente die Interessen derjenigen, die sich nach wie vor weigern, mit ihrem Forschungsinstrumentarium in die oberen Etagen der Gesellschaft zu zielen." Also: Goldhagen als nützlicher Depp des Monopolkapitals.

Spektakulär liquidiert wurde der für tot Erklärte allerdings erst später auf Pro 7. "Gute Unterhaltung" verspricht dieser Kanal und bot am 2. Februar einen flammenden Auftakt zur zweiten Staffel der Serie "Straßen von Berlin". Die kaum als Handlung erkenntliche aneinandergereihte Kette von Anschlägen einer High-Tech-Neonazi-Gruppe begann mit der Ermordung eines jüdisch-US-amerikanischen Historikers, in dem unschwer eine Karikatur Goldhagens zu erkennen war. Nur kurz quollen aus seinem Munde Fetzen der Thesen, die Goldhagen von seinen Gegnern in den Mund gelegt worden waren - so verzerrt, daß das erste Opfer des Films in eine irre Nähe zu den neonazistischen Attentätern gebracht wurde.

Um Zweifel zu zerstreuen, die deutsche Traumfabrik habe bei der filmischen Realisierung einer Volksphantasie Ähnlichkeiten mit einer noch lebenden Person beabsichtigt, hieß der zur Strecke gebrachte irre Historiker Simon Goldberg - einer jener Namen, die zu allen Zeiten antisemitische Phantasien in Aufregung versetzten. Wie z.B. auch jene Obsession von den zusammengerafften Reichtümern, die neuerdings ergänzt werden darf durch die Irren-Kumpanei zwischen Juden und Nazis. Womit wir wieder auf Pätzoldts Tribüne stehen: Ignatz Bubis sagenhafte Geschäfte mit dem Nazi-/Judengold, fanden sich auf den Titelseiten sowohl des rechtsextremen Strategieorgans Nation & Europa als auch der jungen Welt wieder, wobei letztere natürlich auf die oberen Etagen der Gesellschaft zielte.