Kofi Annan in Bagdad

Make Love, not Waren-Krieg

Schon jetzt sind in Bagdad mehr Satellitenschüsseln der großen Fernsehsender dieser Welt aufgebaut als zu den besten Zeiten des Golfkriegs, als CNN den Zuschauern die schönsten Bilder der chirurgisch genannten Militärschläge präsentierte. Diese waren jedoch ein wenig zu plump inszeniert.

Zu schnell fiel auf, daß keine Leichen und kein Blut zu besichtigen waren. Damit wurden Konsequenzen aus dem Vietnam-Krieg gezogen, der gezeigt hatte, daß Reality-TV zwar spannend ist, bei den potentiell Beteiligten aber die Kampfmoral senkt - bis hin zu Desertion oder gar Widerstand.

Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Feind so darzustellen, daß der Gedanke vom gerechten Krieg des Staates sich quasi automatisch einstellt und im Hinterland Ruhe herrscht. Zu diesem Zwecke gibt es Werbeagenturen, die helfen, den Krieg der Waren untereinander auszufechten. Man kennt mittlerweile die britische Agentur Hill & Knowlton, die 1991 die Geschichte der irakischen Brutkasten-Baby-Killer-Soldaten in die Welt setzte. Die Propaganda-Lüge war ein Bombenerfolg, und einige Millionen wechselten den Besitzer.

Bedauerlicherweise ist man in solchen Dingen immer erst im nachhinein schlau - wenn die Lüge, die medial begeistert aufgegriffen und verbreitet wurde, ihren Zweck erfüllt hat und somit ein neues Geschäft damit gemacht werden kann, sie aufzudecken. Gegenwärtig stellt das Spektakel die Situation so dar: Saddam Hussein ist der unkalkulierbare Finsterling im Besitz von B- und C-Waffen, die ihm nun von denselben westlichen Ländern, die sie geliefert haben, wieder abgenommen werden sollen.

Clinton - der den alten Spruch "Make love, not war" ad absurdum führt, weil sich beides in seiner Person offensichtlich bedingt - würde gerne die Rolle des häßlichen Weltpolizisten übernehmen, der - hart, aber gerecht - die Drecksarbeit erledigt, während die andern sich vor dem unangenehmen Part der Anwendung roher Gewalt drücken. Dem stehen ein wenig zu offensichtlich die Interessen des US-amerikanischen Staates entgegen, die sich nicht mit denen der rivalisierenden Mächte decken. Weshalb diese gelegentlich Zweifel anmelden, ob der Weltcop nicht auf eigene Faust handelt und ein wenig zu weit geht.

Die vakante Position des Weltgewissens fällt Kofi Annan zu. Der UN-Chef, der in letzter Sekunde den Showdown verhindern soll, um das Leben vieler Unschuldiger zu retten. Wird sein Deal mit Saddam, der den UN-Inspektoren Zugang zu den Höhlen des Verderbens, den sogenannten Präsidentenpalästen Husseins, verschaffen soll, Erfolg haben? Wird die in Kofi Annan verkörperte Rationalität der Ware über die Rationalität des Krieges triumphieren, obwohl die Hand des Cops zur Waffe greift? Wann wird die Gefahr des Bombenkrieges gebannt sein, damit die Herren des ökonomischen Krieges wieder ungehindert zum Zuge kommen - mit ähnlichen Resultaten?

In Erwartung eines erneuten Golfkriegs hat Zeitunglesen wieder für Spannung gesorgt, sind die TV-Einschaltquoten gestiegen und parallel dazu die Werbeeinnahmen. Schon allein in dieser Hinsicht hat sich die sogenannte Irak-Krise gelohnt. Welche Werbeagenturen dieses Mal für das erforderliche Kribbeln sorgten, erfahren Sie in fünf Jahren.