Salonputschisten geoutet

In Spanien wollte ein Verschwörerkreis das System stürzen

Luis Mar'a Anson ist in Spanien vom Medienmacher zum Medienstar geworden: Im Interview mit der Wochenzeitschrift Tiempo hatte der bekennende Konservative letzte Woche über ein Komplott rechter Journalisten gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Felipe Gonz‡lez berichtet. Der journalistische Schulterschluß mit dem Ziel, "Felipe Gonz‡lez zu zermalmen", ist aber nur Teil einer Verschwörung gegen den sozialistischen Staatsmann, die "Parteiendiktatur" und den spanischen König Juan Carlos de Borb-n. Eine zentrale Rolle sollen dabei auch "einflußreiche Finanzkreise" und Politiker der regierenden Partido Popular (Volkspartei) gespielt haben, selbst die Kommunistische Partei Spaniens sei mit von der Partie.

Anson selbst war es, der als Chefredakteur der francistischen Tageszeitung ABC seit 1993 mehrmals Chefs anderer Medien - darunter die Tageszeitungen El Mundo, Diario 16, El Independiente sowie des privaten Fernsehsenders Antena 3 und der gleichnamigen Radiostation - zum Gespräch in sein Büro einlud. Zuvor hatte der sozialistische PSOE vorgezogene Parlamentswahlen gewonnen, Gonz‡lez war zum vierten Mal in Folge zum Ministerpräsidenten gekürt worden. In konservativen Kreisen nährte das, laut Anson, die Befürchtung, daß nach 40 Jahren franquismo 30 Jahre felipismo folgen würden, die eigenen politischen Kräfte also bis nach der Jahrtausendwende ohne Einfluß auf die spanische Politik bleiben würden.

"Wir sahen, daß das Maß an Kritik noch verstärkt werden mußte", eröffnete Anson im Interview, "und konzentrierten uns auf die Welt der Unregelmäßigkeiten und der Korruption." Insbesondere die konservative Tageszeitung El Mundo tat sich seitdem mit Enthüllungen über Korruptionsfälle und Geheimdienstskandale hervor. Sie gilt als Dreh- und Angelpunkt für den Kontakt zum Partido Popular (PP) und den "Finanzkreisen". Chefredakteur Pedro Ram'rez ist ein guter Freund des Ministerpräsidenten und PP-Vorsitzenden José Mar'a Aznar sowie von Francisco Alvaréz Cascos. Als Prädidentschaftsminister und Generalsekretär der PP ist Cascos die rechte Hand Aznars und soll aktiv an der Verschwörung mitgewirkt haben. Sein Büro wollte auf Anfrage der Jungle World die Vorwürfe allerdings nicht einmal dementieren: "Wir sagen dazu überhaupt nichts."

Unter den Aktionären von El Mundo ist auch der ehemalige Bankier Mar'o Conde. Er besitzt, laut Manson, sogar die Aktienmehrheit, weil die Anteile der italienischen Rizzoli-Gruppe, die unter anderem die Tageszeitung Corriere della Serra herausgibt und mit 45 Prozent an El Mundo beteiligt ist, eigentlich von Conde kontrolliert werden. Der Geschäftsmann wurde 1987 Präsident der Großbank Banesto und avancierte in Spanien zum Sinnbild für erfolgreiches Bankmanagement. Sechs Jahre später war sein Höhenflug zu Ende, die spanische Notenbank ordnete die Absetzung des Banesto-Präsidenten an und leitete eine Untersuchung wegen Unterschlagung und Dokumentenfälschung ein. Conde, der auch am Fernsehsender Antena 3 finanziell beteiligt ist, soll Verluste verschleiert sowie umgerechnet etwa 150 Millionen Mark veruntreut und damit Banesto an den Rand des Bankrotts geführt haben.

Das jähe Karriere-Ende ließ Conde zum Feind des PSOE werden. Als Regierungspartei kontrollierten die Sozialisten die Zentralbank, deren Vorstand - wie bei allen anderen staatlichen oder semi-staatlichen Institutionen - in der Regel vom Ministerrat eingesetzt wird. Via Presse und Justiz begann ein Feldzug gegen Gonz‡lez und dessen Partei. So gelang es Conde, Kontakt zum ehemaligen Chef des militärischen Geheimdienstes CESID, Alberto Perote, herzustellen, der ihn mit geheimen Dokumenten über die Todesschwadronen der GAL versorgte. Die illegale Antiterror-Einheit, bestehend aus CESID und der paramilitärischen Polizeitruppe Guardia Civil, soll in Spanien und Südfrankreich mindestens 28 mutmaßliche Eta-Aktivisten getötet haben.

Kaum in Condes Händen, wurden die Dokumente in El Mundo veröffentlicht, immer wieder wurde die Frage nach den Hintermännern der GAL aufgeworfen. Denn die habe nur Befehle der PSOE-Regierung befolgt. Nach wie vor ungeklärt ist allerdings die Identität des Drahtziehers mit dem einfallsreichen Decknamen "Se-or X", hinter dem El Mundo keinen Geringeren als Felipe Gonz‡lez vermutet.

Im Zusammenhang mit den GAL-Morden laufen vor dem Madrider Sondergerichtshof Audiencia Nacional Verfahren gegen ehemalige Regierungsmitglieder. Ermittelnde Richter sind Baltazar Garz-n, der seine Beweismaterialien hauptsächlich aus dem Büro von Ram'rez bekommen hat, und Javier G-mez de Lia-o, dessen Bruder als früherer Rechtsanwalt Condes Mitangeklagter im Fall Banesto ist.

Spätestens seit dem Amtsantritt der Regierung Aznar scheint es aber Interessenskonflikte unter den Verschwörern zu geben. So hat Anson, der nach 15 Jahren ABC-Chefredaktion mittlerweile dem konservativen TV-Konsortium Televisa Espa-a vorsitzt, offensichtlich kein Interesse daran, durch weitere GAL-Enthüllungen dem Ruf des Geheimdienstes oder der Guardia Civil zu schaden - wohl aber an einem Zusammenschluß gegen den PSOE-nahe Medienkonzern Prisa, zu dem neben der auflagenstärksten spanischen Tageszeitung El Pa's auch der Radiosender SER und der digitale TV-Sender Canal Satélite gehören. Insbesondere das digitale Fernsehen als Medium der Zukunft möchte Anson nicht den "Linken" überlassen wissen. Daher gründete die von der mexikanischen Regierungspartei PRI beeinflußte Televisa zusammen mit ABC, El Mundo, dem staatlichen spanischen Fernsehen, der privatisierten Telef-nica und dem katholischen Radiosender Cope ein Konkurrenzprojekt. Den zeitlichen Rückstand auf Canal Satélite holte man dank Unterstützung der PP-Regierung auf, die Anfang 1997 per Gesetzesdekret dem Prisa-Sender den Verkauf von Decodern verbot. Daneben eröffnete Richter G-mez de Lia-o gegen das PSOE-nahe TV-Projekt ein Verfahren wegen "unrechtmäßiger Aneignung", weil dieses von ihren Kunden eine Kaution für die Decoder kassiere. Wegen dieser Maßnahme muß sich G-mez de Lia-o mittlerweile selbst vor Gericht verantworten.

Zum Gang an die Öffentlichkeit, der ihm seitens Cope die Bezeichnung "Verräter" einbrachte, entschied sich Anson offenbar, weil ihm die konkreten Pläne zur Machtübernahme dann offenbar doch zu weit gingen. Die konservative Clique wollte ins politische System eingreifen - eine ausgearbeitete Verfassung lag bereits in Schubladen. Darin sind Mehrheitswahlrecht und ein starker Präsident vorgesehen, der sich vor allem an Wirtschaftsinteressen orientieren solle. Auf jeden Fall soll die geplante Staatsform eine Republik sein - das spanische Königshaus würde demnach abgeschafft werden. Angeblich soll es zum diesjährigen Geburtstag von Juan Carlos I., der am 5. Januar 60 Jahre alt geworden ist, schon einen konkreten Absetzungsplan gegeben haben.

Anson aber ist nicht nur ein Konservativer, sondern vor allem Anhänger des Königshauses. Erst vor vier Jahren veröffentlichte er sein Buch "Don Juan", in dem er die Bemühungen Francos schildert, den 1931 abgesetzten König Juan de Borb-n, den Vater von Juan Carlos, als Staatsoberhaupt seines Regimes zu gewinnen. Für ein Komplott gegen den Monarchen konnte er sich also nicht begeistern - schon gar nicht in Zusammenarbeit mit Kommunisten. Auch Teile der Kommunistischen Partei, die das Königshaus grundsätzlich ablehnt und sich gegenüber dem PSOE gerne als Alternative profilieren würde, sollen in die Pläne eingeweiht gewesen sein. Wie alle anderen von Anson Beschuldigten halten die Kommunisten sich mit Stellungnahmen zurück.

PSOE-Vorsitzender Joaqu'n Almunia will dagegen die Sache nicht heruntergespielt wissen und spricht von "Salonputschisten". Der Kreis um Anson sei vergleichbar mit jenen Militärs um Leutnant Tejero, die im Februar 1981 bewaffnet ins spanische Parlament stürmten, um die erste Regierung nach Francos Tod mit Gewalt zu stürzen. Ehemalige Mitarbeiter des CESID behaupten, der Geheimdienst hätte damals Informationen über den geplanten Putsch im Vorfeld nicht weitergegeben, weil dessen Führungsetage mit den Militärs sympathisierte.