Schäuble schneller als der Schall

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden will auch Anwälte, Abgeordnete und Pfarrer abhören lassen

Verlagern Sie Ihren Konferenzraum und Ihr Büro in einen von außen nicht einsehbaren Gebäudeteil, zum Beispiel in den Gebäudekern oder besser noch in einen fensterlosen Kellerraum. Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Netz-, Telefon- und Datenleitungen auf Manipulationen, schützen Sie Ihre Leitungen durch Filter. Verwenden Sie nur abstrahlsicheres Gerät, setzen Sie Einrichtungen zum Aufspüren von aktiven Minisendern ein. Kontrollieren Sie den Zugang zu Ihrem Haus, womöglich in Form eines Zonenmodells oder eines überwachten Sicherheitsbereiches um das Gebäude. Wenn Sie ganz vertrauliche Dinge zu besprechen haben, gehen Sie in eine akustisch gedämmte, elektromagnetisch abgeschirmte Kabine. Diese Maßnahmen empfiehlt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf seiner Homepage (www.bsi.bund.de) Firmen, die sich vor illegalem Abhören schützen wollen.

Auch Privatleute, die sich vor legalem Abhören schützen wollen, werden künftig wohl um bauliche Veränderungen nicht mehr herumkommen. Auch hier gelten freilich die mahnenden Worte der Bonner Behörde: "Das immer verbleibende Restrisiko" kann zwar "durch Wahl von richtigen Schutzmaßnahmen, deren vorschriftsmäßigem Einsatz und durch ständige Kontrolle dieser Maßnahmen sehr gering gehalten werden", "ein hundertprozentiger Schutz kann jedoch auch durch den Einsatz der besten und teuersten Schutzmaßnahmen nicht erreicht werden."

Jeder und jede kann demnach belauscht werden. Und das ist auch gut so, findet Wolfgang Schäuble. "Ich kann doch keinem Journalisten erklären, warum bei ihm prinzipiell gelauscht werden darf, bei einem Angeordneten aber nicht", erklärte Schäuble der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Wenn am 2. März, dem Tag nach der Wahl in Niedersachsen, ein Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag die endgültige Form des Lauschangiff-Paragraphen in der Strafprozeßordnung aushandelt, will der Chef der CDU/CSU-Fraktion daher mit einer Maximalforderung in die Gespräche mit der SPD gehen: Keine Ausnahmen für niemanden; selbst Strafverteidiger, Abgeordnete und Pfarrer sollen abgehört werden dürfen. Diese Berufsgruppen, die dem bislang ausgehandelten Kompromiß zufolge verschont werden sollen, seien ohnehin in besonderer Weise vom Gesetz geschützt, so daß es unnötig sei, sie gesondert zu nennen. So sei es "doch klar, daß die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit die Geistlichen ohnehin in besonderer Weise schützt". Doch die Pfarrer sollten sich ihrer Sache nicht zu sicher sein: Dasselbe ließe sich auch hinsichtlich der ebenfalls vom Grundgesetz garantierten Pressefreiheit sagen, und dennoch besteht Schäuble selbstverständlich darauf, Journalisten abhören zu dürfen.

Mit seinem Vorstoß am Mittwoch vergangener Woche will Schäuble von vornherein den Sozialdemokraten den Wind aus den Segeln nehmen, von denen sich zwar auch eine Mehrheit für den Großen Lauschangriff ausgesprochen hat, aber nur unter der Voraussetzung, daß die genannten Berufsgruppen nicht abgehört werden dürfen. Wohl um seinerseits Pfunde zum Wuchern zu haben, hat sich der SPD-Verhandlungsführer Otto Schily - ein vehementer Befürworter staatlicher Abhöraktionen - die Forderungen derjenigen Sozialdemokraten zu eigen gemacht, die der "akustischen Wohnraumüberwachung" eher kritisch gegenüberstehen. So fordert Schily nun, einen dringenden Tatverdacht zur Bedingung für den Lauschangriff zu machen. Wer abgehört wurde, soll innerhalb von sechs Monaten über die Maßnahme informiert werden. Von der Überwachungsmöglichkeit ausnehmen will die SPD einen Teil jener Berufe, die im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht genießen: Neben Ärzten und Journalisten auch diejenigen Anwälte, die nicht mit Strafsachen befaßt sind. Die unter anderem von SPD-Linken vorgebrachte Forderung, auch Drogentherapeuten nicht belauschen zu lassen, hält dagegen auch Schily für "nicht unbedingt" nötig.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß sich die SPD mit diesen Einschränkungen bei den Lauschmöglichkeiten wird durchsetzen können. Selbst wenn Sozialdemokraten ihre Bundesratsmehrheit ausnützen sollten, die ihnen auch zu einer Mehrheit von einem Sitz im Vermittlungsausschuß verhilft, müßte anschließend im Bundestag fast die gesamte FDP-Fraktion mit der Opposition stimmen, um die Nachbesserungen durchzusetzen. Die SPD hätte allerdings die Möglichkeit, die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß in die Länge zu ziehen und so eine Verabschiedung in der laufenden Legislaturperiode zu verhindern. Daran aber hat nach derzeitigem Stand der Dinge auch die SPD-Verhandlungskommission kein Interesse, so daß man wohl ziemlich schnell zu einer Einigung kommen wird. Der nächste Akt wird dann wohl vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht spielen. Hans-Hermann Schrader, Datenschutzbeauftragter in Hamburg, rechnet damit, daß dort sogar die am 6. Februar beschlossenen Grundgesetzänderung außer Kraft gesetzt wird.

In Bayern plant man unterdessen schon den nächsten Schritt: CSU-Generalsekretär Bernd Protzner forderte in der vergangenen Woche, Videoaufnahmen müßten "als notwendiges Mittel zur akustischen Überwachung hinzukommen". Es scheint, als ob das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik seine Homepage bald aktualisieren muß.