Italiens Rechte in Bewegung

Abschied von Salò

Der Trend zur Mitte setzt sich fort: Auf einem "Sonder- und Reformparteitag" in Verona mochte am vergangenen Wochende auch ein Teil der extremen Rechten Italiens, die neofaschistische Alleanza Nazionale (AN), nicht länger zurückstehen. Eine "richtungsweisende Programmdiskussion" war schon im Januar von Parteichef Gianfranco Fini angemahnt worden. Der ehemalige Kulturminister Domenico Fisichella legte mit einem 130 Seiten starken Programmdokument nach, in dem das Bündnis mit Forza Italia im Polo della libertˆ beschworen und der vom ehemaligen Staatspräsidenten Franceso Cossiga neugegründeten Unione Democratica per la Repubblica eine Absage erteilt wurde. Die AN sei als einzige italienische Partei "klar rechts", an ihr komme zudem niemand vorbei, der das regierende Ulivo-Bündnis stürzen wolle, begrüßte Fisichella selbstbewußt die 1 100 Delegierten am ersten Tag der "Nationalkonferenz". Die Ende 1994 aus dem faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) hervorgegangene AN konnte bei den letzten Wahlen rund 15 Prozent der Stimmen erringen.

Gianfranco Fini gab sich moderater. Bereits im Vorfeld hatte er angekündigt, die AN als "weder alt- noch neo-, sondern postfaschistische Partei" von den aus seiner Sicht letzten Relikten der Vergangenheit faschistischer Herrschaftsbeteiligung befreien zu wollen: dem positiven Bezug vieler ANler auf Mussolinis Republik von Sal˜. Doch die Debatte darüber war schon vor dem Parteitag so gut wie beendet - zu stark scheint nach elf Jahren Parteiführung die Position Finis zu sein. So konnte der 46jährige quasi unangefochten voll auf Gegenwart und Zukunft orientieren: Es gelte, die Rechte (und die Linke) nicht mehr nach ihren Fehlern der Vergangenheit zu bewerten, so Fini, sondern "nach der Bewältigung der Gegenwart". Die Themen der Zukunft heißen für ihn "Öffentliche Sicherheit" und Stärkung der "freien Wirtschaft" durch "kleinräumige öffentliche Förderung". Schließlich sei man ja nicht "liberal", sondern mehr "demokratisch und sozial".

Somit nimmt Fini das Integrationsangebot, das ihm und seiner Partei seit geraumer Zeit von fast allen italienischen Parteien offeriert wurde, an. Forza Italia und die Lega Nord haben per Regierungsbeteilung die Neofaschisten und den Mussolini-Bewunderer Fini - dieser beschwört bis heute Mussolini als "größten Staatsmann des Jahrhunderts" - international salonfähig gemacht. Noch 1992 feierte er mit dem MSI den 70. Jahrestag des Marsches auf Rom unter dem Motto "Es lebe der 28. Oktober, es lebe die faschistische Revolution". Und als Regierungsmitglied im Kabinett Berlusconi forderte er "die Rückgabe Istriens und Dalmatiens". Auch sollte das Verbot der faschistischen Partei aus der Verfassung entfernt werden.

Seit etwa einem Jahr setzt der sozialdemokratische PDS unter Massimo D'Alema diesen Integrationskurs unter anderen Vorzeichen fort. Braucht man die Neofaschisten doch, um einerseits Forza Italia als bislang stärkste Oppositionspartei weiter zu schwächen, andererseits, um die Verfassungsreform zumindest ansatzweise nach eigenen Wünschen durchsetzen zu können. Dabei kommen den Ex-Parteikommunisten in der Bicamerale die strikt zentral- und obrigkeitsstaatlichen Vorstellungen des AN - beide Parteien setzen sich für eine Stärkung der Rolle des Staatspräsidenten ein - häufig näher als Konzepte der Koalitionspartner oder der gemäßigt-rechten Opposition.