Mossad failed

Die jüngste Panne des israelischen Auslandsgeheimdienstes hat dessen Chef den Job gekostet

In immer größer werdenden Dosen an Informationen, verabreicht in immer kürzeren Abständen, erfuhr die israelische Öffentlichkeit von der erneuten Panne des Auslandsgeheimdienstes Mossad, die sich am 19. Februar in der Schweiz ereignet hatte. Am vergangenen Mittwoch schrieben mehrere Tageszeitungen, es sei zu einer neuen Panne des Dienstes in einem europäischen Land gekommen, was den Ausschlag für den am Dienstag erfolgten Rücktritt von Mossad-Chef Danny Yatom gegeben habe. Am Abend des gleichen Tages vermeldete der israelische Rundfunk, der Zwischenfall habe sich in der Schweiz abgespielt. Und am nächsten Morgen waren die Zeitungen voll mit Informationen über den Mossad und seine Blamage in der Schweiz.

Was war passiert? Am 17. Februar flogen fünf Mossad-Mitarbeiter in die Schweiz, wo sie versuchten, im Keller eines Mietshauses bei Bern Telefon-Wanzen zu installieren. Während drei Agenten noch bastelten, standen zwei draußen Schmiere. Eine Nachbarin schaute gegen zwei Uhr aus dem Fenster, fand, was sie sah, verdächtig, und benachrichtigte die Polizei. Die rückte an, nahm die fünf Männer fest und ihre israelischen Pässe in Beschlag. Zwei der fünf Männer kamen in ein Krankenhaus, weil einem von beiden, wie die Schweizer Bundesanwältin Carla Del Ponte sagte, bei der Verhaftung übel geworden sei. Die drei anderen wurden in eine Kaserne der Kantonspolizei geführt, wo sie über mehrere Stunden befragt wurden. Nach den Verhören blieb ein Agent in Haft, zwei andere erhielten ihre Pässe zurück und konnten gehen. Zur gleichen Zeit verließen die übrigen beiden das Krankenhaus. "Ihre Identität war klar, und es gab keine weiteren Verdachtsmomente gegen sie", begründete ein Polizeisprecher diesen Schritt. Nach Informationen israelischer Medien sind die vier Freigelassenen wieder zurück in Israel. Der noch in Haft befindliche Mossad-Mitarbeiter muß mit einem Prozeß und einer kurzen Haftstrafe rechnen. Mittlerweile wurde auch gegen die übrigen vier Beteiligten Haftbefehl erlassen.

Bundesanwältin Del Ponte bestritt Gerüchte, wonach die Aktion Angehörigen der iranischen Botschaft gegolten habe. Nach ihren Worten waren in der Schweiz lebende Ausländer Ziel der Aktion. Nach Darstellung des Zürcher Tagesanzeiger, der sich auf inoffizielle Quellen der Bundespolizei beruft, handelt es sich um Libanesen der Hisbollah-Miliz, die in enger Verbindung zur iranischen Botschaft stehen. In dem Haus lebt u.a. ein Mann arabischer Herkunft namens Abdallah al-Zein, der die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt und sich nach Angaben von Nachbarn nur noch selten in der Wohnung aufhalte. Auf ihn war bislang kein Verdacht geheimdienstlicher Tätigkeit gefallen.

Die Vermutung, die Aktion habe dem Iran gegolten, nährte sich aus dem Umstand, daß ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran kurz nach Bekanntwerden der Mossad-Tätigkeit iranische Diplomaten in Genf angewiesen hatte, ihre Sicherheit bei den Vereinten Nationen zur Sprache zu bringen. Die Aktion selbst hatte Teheran in einer Presseerklärung so kommentiert: "Der Vorfall illustriert den terroristischen Charakter Israels." Der frühere iranische Staatspräsident Abolhassan Banisadr erklärte im Interview: "Die Hisbollah im Libanon, das ist gleichbedeutend mit Iran." Sie sei "ein Export der iranischen islamischen Revolution". Und weiter: "Wenn der Mossad in einem Berner Mehrfamilienhaus ein Mikrophon installieren wollte, dann sicher nicht ohne Grund. Eher hat er dort wichtige Verbindungsleute geortet - vermutlich zum iranischen Geheimdienst. Der nämlich hat seine Aktivitäten seit dem Mykonos-Prozeß von Deutschland weg Richtung Schweden und Richtung Schweiz, Italien, Albanien verlagert. Die Schweizer Regierung tut gut daran, die Sache ernst zu nehmen."

In israelischen Medien wird hingegen die Frage diskutiert, wie es dazu kommen konnte, daß Informationen über das gescheiterte Unternehmen veröffentlicht wurden, obwohl noch ein Mossad-Agent in Haft ist. In der Knesset äußerten mehrere Abgeordnete, es sei eine Indiskretion aus Mossad-Kreisen gewesen, um den Rücktritt des bisherigen und nicht sehr geschätzten Chefs Danny Yatom zu erzwingen. Vorausgegangen waren Diskussionen über ein gescheitertes Unternehmen des Mossad im September. Damals sollte der führende Hamas-Ideologe Chalid Mashal in Jordanien mit einer Giftspritze ermordet werden. Ein erst kürzlich vorgelegter und in Auszügen veröffentlichter Bericht einer Regierungskommission kam zu dem Schluß, daß Yatom, der darauf beharrte, die Aktion sei mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu abgesprochen gewesen, allein verantwortlich sei. Die Kommission war umstritten, da ihre drei Mitglieder von Netanjahu persönlich eingesetzt wurden. Yatoms Rücktritt ging das Eintreffen einer zwar nicht öffentlichen, aber offiziellen Protestnote der Schweizer Regierung gegen die Mossad-Operation auf ihrem Territorium voraus.

Ein ehemaliger Mossad-Mitarbeiter wird von der Nachrichtenagentur AP zitiert, sowohl die Panne als auch die Indiskretion würden auf große Unzufriedenheit bei älteren Mossad-Mitarbeitern verweisen. Die Organisation brauche "neues Blut, einen neuen Kopf - jemanden, der ihre Mitglieder stärkt und sie wieder zu einer Eliteorganisation macht".

Der frühere Mossad-Chef Shmuel Goren wird in der Süddeutschen Zeitung zitiert, die Verantwortlichen für die Indiskretion seien "Verbrecher, die das Leben mutiger junger Agenten gefährden, um politische und persönliche Rechnungen zu begleichen". Auch Yossi Sarid, Abgeordneter des linken Meretz-Bündnisses, äußerte sich: "Wer auch immer dies durchsickern ließ, er tat etwas Undenkbares. Israel ist mit vielen Bedrohungen von vielen Seiten konfrontiert, und wenn es die Möglichkeit gibt, eine dieser Bedrohungen aufzudecken, soll es getan werden."

Mittlerweile stellte sich aber heraus, daß Informationen über die gescheiterte Operation bei israelischen Medien schon zwei Tage vor der Veröffentlichung bekannt waren und Veröffentlichungen mit dem Hinweis, Menschenleben seien in Gefahr, von der Militär-Zensurbehörde vorerst gestoppt wurden. Erst als sich herausstellte, daß die dem noch inhaftierten Mossad-Agenten drohende Haftstrafe gering ausfallen würde, wurde die Aktion öffentlich gemacht. Kommentatoren israelischer Zeitungen werfen der Regierung nun vor, die in Israel geltenden Zensurbestimmungen mißbraucht zu haben. Es sei nicht um die Sicherheit des Landes gegangen, sondern darum, durch eine Vertuschung der Affäre, Danny Yatom im Amt zu halten. Die konservative Jerusalem Post schrieb in einem Editorial: "Das gegenwärtige Zensursystem erweist sich als lächerlich." Ein System, das sich auf "freiwillige Kooperation" stütze, sei effektiver. Während dieselbe Zeitung vermutet, daß die Quelle der Indiskretion gar nicht beim Mossad liegen müsse - sie selbst gehört zu den Blättern, die als erste von der Panne berichteten - kündigte Israels Generalstaatsanwalt Eliyakim Rubinstein Ermittlungen an, um herauszufinden, wo das Loch im Dienst ist. Nach israelischem Recht droht für einen Geheimnisverrat bis zu sieben Jahren Haft.

Indes wurde als eine der ersten Reaktionen der Schweizer Regierung in Aussicht gestellt, daß der für den Mai dieses Jahres geplante Besuch des Schweizer Bundespräsidenten Flavio Cotti in Israel nun vielleicht verschoben würde. Das war, neben der Forderung einer Entschuldigung "als Minimum", wie es Staatssekretär Josef Kellenberger formulierte, auch schon die heftigste Reaktion. Der Tagesanzeiger kommentierte, ähnlich wie viele deutsche Tageszeitungen, daß der "fast mythische Status" des Mossad - an die Entführung des Nazi-Verbrechers Adolf Eichmann 1960 wurde erinnert - nun Schaden genommen habe. Die Neue Zürcher Zeitung gab der Mossad-Aktion zudem eine innenpolitische Wendung: "Die didaktische Ironie des Schicksals will es, daß am selben Tag, da die Schweizer, die vor einigen Jahren ihren Nachrichtendienst verkrüppelt haben, (...) daran erinnert werden, daß es neben den schönen Fassaden der Völkerfreundschaft auch noch Hinterhöfe gibt, in denen es stinkt und in die nur selten geleuchtet wird."

Noch wenige Tage nach Bekanntwerden des Vorfalls hatte es in Israel geheißen, das Kabinett denke nicht daran, sich bei der Schweiz zu entschuldigen, da nach drei Wochen der Wirbel ohnehin vorbei sei. Doch am vergangenen Freitag überreichte der israelische Botschafter in der Schweiz, Yzhak Mayer, Bundespräsident Cotti ein Schreiben, das vom Generaldirektor im israelischen Außenministerium, Eytan Ben Trus, und auch im Namen von Benjamin Netanjahu verfaßt worden sein soll. Darin bedauert Israel die Komplikationen, die der Schweizer Regierung entstanden seien. Cotti soll dies als "positiven Schritt" bezeichnet haben, allerdings bleibt die Schweiz dabei, daß der Vorfall eine "schwerwiegende und inakzeptable Verletzung der schweizerischen Souveränität" bedeute, wie ein Sprecher des Außenministeriums sagte.

Die Schweizer Panne ist innerhalb des letzten halben Jahres bereits der fünfte Ausrutscher des Mossad. Schon vor dem gescheiterten Attentat auf Chalid Mashal in Amman war der Dienst in die Schlagzeilen gekommen, als sich herausstellte, daß ein früherer Mitarbeiter namens Yehuda Gil über Jahre Berichte gefälscht hatte. Einfache syrische Truppenbewegungen waren von ihm als Kriegsvorbereitungen dargestellt worden. Im Dezember 1997 wurde Gil verhaftet. Die Motive für seine Berichte, die fast zu einem israelischen Präventivschlag geführt hätten, werden von israelischen Medien wahlweise als persönliche Eitelkeit oder als politischer Rechtsextremismus gewertet. Der Mossad selbst beharrt bis heute darauf, Gil sei nie sein Mitarbeiter gewesen. Pannen hat es in der Geschichte des 1951 gegründeten Dienstes, der sich in den ersten Jahrzehnten seiner Existenz den Ruf als einer der effektivsten Geheimdienste der Welt erarbeitet hatte, schon viele gegeben. 1991 wurden vier Mossad-Agenten in Zypern erwischt, als sie in der iranischen Botschaft Wanzen anbringen wollten. Sie kamen vor Gericht, wurden aber kurz drauf freigelassen. 1987 enthüllte eine britische Zeitung die Identität eines Mossad-Agenten, der sich in eine PLO-Gliederung in London eingeschleust hatte. Unter dem Verdacht, einen palästinensischen Karikaturisten ermordet zu haben, nahm man den Mann fest und wies ihn aus. 1973 ermordeten Mossad-Agenten im norwegischen Lillehammer einen marokkanischen Kellner, den sie fälschlicherweise als Mittäter des

Münchner Olympia-Attentats verdächtigt hatten.