Pik-König und German Boy

Indonesiens diktatorischer Präsident Suharto wurde für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Vize-Premier ist sein Intimus Habibie, der beste Kontakte zu Deutschland hält

"Als Nation müssen wir den Gürtel enger schnallen. Wir können es uns nicht länger leisten, ein extravagantes Leben zu führen." Mit diesen Sätzen versuchte Indonesiens Präsident-General Suharto - laut dem US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes wird das Vermögen seines Clans auf etwa 16 Milliarden Dollar geschätzt -, kaum war er im Amt bestätigt, in seiner Antrittsrede die Bevölkerung zum Schulterschluß mit dem Regime zu bewegen. Die Beratende Volksversammlung, die seit dem 1. März tagte und alle fünf Jahre mit großem Pomp den Präsidenten und den Vizepräsidenten "wählt", applaudierte brav.

Die Versammlung setzt sich aus 500 gewählten und 500 ernannten Abgeordneten zusammen und hat am Dienstag vergangener Woche ordnungsgemäß Suhartos "Wiederwahl" abgenickt; tags darauf wurde sein Intimus, der "German boy" und Technologieminister Bacharuddin Jusuf Habibie, zum neuen Vizepräsidenten gekürt. Wie Suharto ohne Gegenkandidat.

Wie kaum ein anderer verkörpert Habibie die Kontinuität des autoritären Regimes, dem Suharto nun zum siebten Mal für fünf Jahre vorstehen will. Und Habibie, der in Aachen Maschinenbau studiert hatte, steht für die enge Verbindung der deutschen Industrie mit Indonesien, die durch die jahrzehntelange polizeiliche, geheimdienstliche und militärische Unterstützung des Regimes durch die BRD komplettiert wird. Noch im Februar hatte Finanzminister Theo Waigel auf seiner Asienreise Indonesien zwei Kredite in Höhe von 122 Millionen Mark zugesagt und Exportbürgschaften über 250 Millionen übernommen.

Da in Jakarta spätestens für August mit regimefeindlichen Massenprotesten gerechnet wird, hatte die Volksversammlung bereits am Anfang der Woche umsichtig ein Dekret erlassen, das Suharto Sondervollmachten gegen die "kommunistische Subversion" verschafft, die der Präsident überall wittert. Der Text der Sondervollmachten wurde zunächst nicht öffentlich gemacht. Der kürzlich zum Armee-Chef ernannte General Wiranto, ein Getreuer Suhartos, hatte anläßlich der Hungerrevolten kürzlich geäußert: "Wenn die Leute die Beherrschung verlieren und bereit sind, die Symbole des Staates niederzureißen, werde ich sie gerne daran hindern." Am 7. März wurde zudem Margiono, Herausgeber des D&R-Magazins, aus der Indonesischen Journalisten Assoziation ausgeschlossen; das Blatt hatte Suharto auf dem Cover als Pik-König parodiert. Margiono kann nun zwei Jahre lang nicht als Journalist in Indonesien tätig sein.

Das polit-ökonomische System Indonesiens befindet sich in der tiefsten Krise seines Bestehens: Seit Beginn der asiatischen Krise vor rund acht Monaten ist nach einer Berechnung des Ökonomen Faisal Basri die Zahl der unter der Armutsgrenze Lebenden von 22 Millionen auf 118 Millionen hochgeschnellt, im Februar kam es zu Hungerrevolten und Plünderungen, die sich vor allem gegen chinesische Händler richteten. Die Währung ist im letzten halben Jahr um 80 Prozent gefallen, seit Anfang des Jahres ist eine beispiellose Kapitalflucht zu verzeichnen - in einer Größenordnung zwischen 20 und 90 Milliarden Dollar.

Parallel zu Suhartos Bestätigung als unumschränkter Herrscher über das indonesische Archipel formierte sich studentischer Protest. In erster Linie geht es um politische Reformen und Preisnachlässe für Güter der Grundversorgung Etwa 10 000 Studenten demonstrierten vergangene Woche in der Gadjah Mada Universität in Yogyakarta und verbrannten eine Suharto-Puppe, Tausende andere protestierten in der Stadt Surabaya, in den Außenbezirken Jakartas und anderen Städten. Zwar waren Demonstrationen in den Wochen vor und nach der "Wahl" Suhartos verboten, die Studentendemonstrationen beschränkten sich jedoch meist auf den Campus der jeweiligen Universitäten. Das Militär hielt sich bislang zurück.

Die parlamentarische Opposition hingegen ist weiter schwach. Zwar wurde eine erste gemeinsame Pressekonferenz von zwei ihrer wichtigsten Protagonisten abgehalten: von Amien Rais und Megawati Sukarnoputri. Amien Rais hatte sich Ende Dezember als Präsidentschaftskandidat empfohlen und ist Chef der reformistischen Muhammadiyah, einer einflußreichen muslimischen Wohlfahrtsorganisation, die sich die Verbesserung islamischer Bildungseinrichtungen zwecks Schaffung einer islamischen Elite auf die Fahnen geschrieben hat. Megawati Sukarnoputri ist die Tochter des Staatsgründers Sukarno, die im Juli 1996 auf Betreiben Suhartos als Präsidentin der christlich-nationalistischen Demokratischen Partei (DP) abgesetzt worden war. Rais und Megawati erklärten, sie seien zwar einig im Ziel, würden aber getrennt ihren Weg verfolgen.

Bei den Parlamentswahlen im Mai 1997, bei der wie üblich nur drei Parteien zugelassen waren und in deren Verlauf bei Unruhen rund 400 Menschen zu Tode kamen, hatte das Regierungsbündnis Golkar, ein funktionaler Zusammenschluß aus Militär, Staatsbürokratie und Wirtschaft, den erwarteten Sieg mit 74 Prozent der Stimmen erreicht. Die DP ohne Sukarnoputri war von 15 Prozent im Jahr 1992 auf lediglich drei zurückgefallen. Der islamischen PPP (Vereinte Entwicklungspartei) kam dies zugute, sie erhielt 23 Prozent der Stimmen.

1973 war die DP als vom Regime erzwungener Zusammenschluß diverser christlicher und nationalistischer Gruppen entstanden. Erst in den letzten

Jahren begann sie, gegen Suharto zu opponieren.Aber bislang war es Suharto noch immer durch ständige Umbesetzungen in den Führungsetagen des Militärs gelungen, jeden dem Regime gefährlichen Zusammenschluß zu verhindern. Jedenfalls sind Teile des Militärs mißtrauisch gegen jeden Versuch, einen islamischen Staat zu errichten. Mit der Ernennung des neuen Kabinetts am Wochenende wurde deutlich, daß das Militär auch weiterhin eine Schlüsselrolle in der Politik Indonesiens spielen wird. Armee-Chef Wiranto wird zugleich Verteidigungsminister sein, und fünf Ex-Generäle erhalten Ministerposten. Damit Suhartos Clan nicht zu kurz kommt, wird seine Tochter Siti Hardjati Rukmana Sozialministerin.

Probleme bereiten Suharto momentan vor allem die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds. Dem indonesischen Staat war im vergangenen Jahr ein Kredit in Höhe von 43 Milliarden Dollar zugesagt worden, der an verschiedene Auflagen geknüpft war. Diese umfassen unter anderem die Aufhebung der bisherigen Höchstgrenze von 49 Prozent für ausländische Beteiligungen an indonesischen Firmen, die Umstrukturierung des Bankensektors und die schrittweise Entflechtung von einigen Handelsmonopolen für landwirtschaftliche Produkte. Diese Auflagen hat Suharto bislang nur beschränkt erfüllt. Am Wochenende vor seiner "Wiederwahl" hatte Jusuf Syakir von der islamischen PPP nach einem Gespräch mit Suharto gesagt, der Präsident fürchte, die Auflagen seien nicht in Übereinstimmung mit der Verfassung. Sie würden auf eine liberale Ökonomie abzielen, während Artikel 33 der Verfassung vorschreibt, die Ökonomie solle auf "dem Prinzip des Familiensystems" beruhen.

Das Argument ist durchaus plausibel: Das "Familiensystem" bedeutet in Indonesien faktisch, daß sich Suhartos sechs Kinder Schlüsselstellungen in der Industrie verschafft haben. Suhartos Sohn Bambang Trihatmojo beispielsweise ist Vorsitzender der 1981 gegründeten Bimantara-Gruppe, deren Wert auf drei 3 Milliarden Dollar geschätzt wird (Petrochemie, Telekommunikation, TV, Bank, Immobilien, Autos). Suhartos Tycoon-Kids sehen sich durch die IWF-Auflagen in ihren Interessen beeinträchtigt, und insbesondere Bambang drängt auf Neuverhandlung.

Wegen der schleppenden Umsetzung des IWF-Programms hatte der IWF in der vorvergangenen Woche eine Drei-Milliarden-Kredittranche ausgesetzt. Kurz darauf sistierten auch Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank Milliarden-Kredite an Indonesien.

Suhartos Berater Steve Hanke erklärte daraufhin, der Präsident halte das IWF-Programm inzwischen für gescheitert, da es den Verfall der indonesischen Währung nicht habe aufhalten können. Von Hanke stammt der Plan, über ein Currency-Board-Währungssystem den Rupiah-Kurs auf 5 000 pro Dollar zu fixieren, was vom IWF wegen mangelnder Devisenreserven und Bankenqualität bislang abgelehnt wurde. Die FAZ zitierte westliche Bankiers mit der Ansicht, dies würde lediglich eine Woche lang funktionieren - die Zeitspanne, die der Suharto-Clan brauche, seine Rupiah in Dollar umzutauschen.

Sowohl IWF als auch Suharto stehen vor einem Dilemma. Sobald Suharto die IWF-Auflagen umsetzt, ist mit weiteren Preissteigerungen bei Grundversorgungsgütern und mit Revolten zu rechnen. Der IWF hingegen befürchtet, daß sich die zuspitzenden Krisenerscheinungen in Indonesien auf die Nachbarstaaten auswirken könnten. Zudem ist es seiner Autorität keineswegs zuträglich, wenn unterschriebene Vereinbarungen von Suharto einfach nicht erfüllt werden.Mittlerweile hat IWF-Vize Stanley Fischer aber Flexibilität bei einer Neuverhandlung des indonesischen Reformprogramms angekündigt. Für die ausländischen Investoren ist Suharto offensichtlich derjenige, der am ehesten garantiert, daß sie ihr angelegtes Kapital nicht in den Wind schießen müssen.