Der Traum vom Buren-Volksstaat

Der Ostdeutsche Kulturrat belohnt den radikalen Revanchisten und Apartheids-Befürworter Claus Nordbruch für seine schriftstellerischen Leistungen

Claus Nordbruch aus Südafrika kann sich glücklich schätzen. Seit 1986 verleiht die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat (OKR) zweijährlich einen Wissenschaftspreis für Dissertationen, um damit Arbeiten zu würdigen, die sich mit "Geschichte und Kultur der Vertreibungsgebiete und ihrer deutschen Bevölkerung innerhalb und außerhalb der alten Reichsgrenzen von 1937 und der deutschen Siedlungsgebiete" auseinandersetzen.

In diesem Jahr nun geht einer der Preise an den Herrn aus dem ehemaligen Apartheidsstaat. Das Thema seiner Arbeit, die 1996 im Olms Verlag veröffentlicht wurde: "Über die Pflicht. Eine Analyse des Werks von Siegfried Lenz. Versuch über ein deutsches Phänomen." Darin arbeitet Nordbruch, so das Organ des Bundes der Vertriebener, BdV, Deutscher Ostdienst, erstmals "die Vielschichtigkeit des Pflichtbegriffes" und die "Handlungsweise der Personen bei Lenz" heraus. Und das neofaschistische Theorieblatt Nation & Europa (NE) sekundiert, daß "sich der gemeinhin als links geltende Literat durchaus differenziert mit dem Pflicht-Phänomen auseinandergesetzt" habe.

Claus Nordbruch macht sich jedoch nicht nur über den Pflichtbegriff bei Lenz seine Gedanken. So mokiert er sich zum Beispiel in einem Artikel in der NE- Februar-Ausgabe dieses Jahres über "Bibliotheken-Säuberungen", die darin bestünden, daß "ost- und sudetendeutsche Ortsnamen" in den Schlagwortkatalogen von wissenschaftlichen Bibliotheken einheitlich in den aktuell gültigen Bezeichnungen der jeweiligen Landessprache wiedergegeben werden sollen, anstatt in alter großdeutscher Bezeichnung. Per Kleinanzeige in Europa Vorn suchte Nordbruch Ende des vergangenen Jahres nach Autoren, die sich an einer Anthologie beteiligen wollen, die "sich mit den Motiven der Deutschen befaßt, sich dem Christentum abzuwenden", wobei das "vermehrt zu vernehmende Bekenntnis" zu "Atheismus und germanischer Mythologie" eine ebenso entscheidende Rolle spiele wie die "Zuwendung zu fernöstlichen Religionen".

Im Eckartboten der deutschtümelnden Österreichischen Landsmannschaft wendet sich der OKR-Preisträger in der März-Nummer 1998 gegen die Legalisierung der Abtreibung in Südafrika, wo sich Nelson Mandela über den "Willen der Völker" hinwegsetze und den "typischen schwarzafrikanischen Chaosstaat" vorbereite. Das langfristige Ziel der Republik Südafrika, in der nach Nordbruchs Meinung sämtliche einflußreichen Posten in Staat und Wirtschaft von Kommunisten besetzt sind, sei "die totale Umerziehung eines Volkes, auf daß es nie wieder wagen möge, seine Rechte, wie beispielsweise das auf Selbstbestimmung, zu fordern". Dies ließ er im vergangenen September auch die Teilnehmer des 21. Südafrika-Seminars des Hilfskomitees Südliches Afrika wissen. Dort referierte er über die Frage "Wie realistisch ist der Traum vom Buren-Volksstaat?"

Nordbruchs Werk "Ein Nationalstaat für Buren" stößt denn auch auf großes Wohlwollen. Das Buch sei, so war einer Werbeanzeige in der völkisch-nationalistischen Wochenzeitung Junge Freiheit zu entnehmen, eine "gut lesbare Untersuchung". Auf "außergewöhnliche Weise" werde sowohl die "unaufhaltsame Zersetzung des heutigen Südafrikas" dargestellt als auch der für Südafrika "einzig mögliche Weg zum Frieden" aufgezeigt. Und der bestehe in der "Auflösung des südafrikanischen Einheitsstaates bei gleichzeitiger Schaffung ethnischer autonomer Staaten". Die "Alternative zum Chaos" sei die "Schaffung eines eigenen Nationalstaates für jedes Volk". Der Verfasser lege die "verschiedenen Vorstellungen bezüglich eines Burenstaates" dar.

Mit diesen völkisch-separatistischen Vorstellungen dürfte Nordbruch bei den selbsternannten deutschen Vertriebenen offene Türen einrennen. Hat man sich doch auch in diesen Kreisen inzwischen von großdeutschen Konzepten zugunsten neuer Modelle verabschiedet: Die aktuelle Strategie deutscher Politik ist die des völkischen Partikularismus. Dieser geht erstens davon aus, daß es Volksgruppen gibt, die völkisch, rassisch oder kulturell bestimmt über eine gemeinsame Identität verfügen; die zweitens in einer jahrhundertelangen und damit als natürlich und unabänderbar betrachteten Tradition und Geschichte stehen; die drittens schützens- oder wiederbelebenswert sind und viertens in der Ausübung ihres so verstandenen Rechtes auf Selbstbestimmung behindert werden. Der völkische Partikularismus ist dabei mit dem semantisch um den negativen Begriff der Rasse bereinigten "Ethnopluralismus" der "Neuen Rechten" durchaus kompatibel.

Doch nicht nur Nordbruch, auch die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat weist hier den rechten Weg. Neben der Zeitschrift Kulturpolitische Korrespondenz, deren verantwortlicher Redakteur Jörg Bernhard Bilke nebenbei gern für die Junge Freiheit zur Feder greift, gibt zusammen mit der Düsseldorfer Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus auch die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift Der gemeinsame Weg heraus. Im Gerhart-Hauptmann-Haus (früher: "Haus des Deutschen Ostens") traten im vergangenen Jahr Alfred Mechtersheimer und der Nationalrevolutionär und Vordenker der "Neuen Rechten", Henning Eichberg, als Referenten an. Am 24. April 1998 wird der Bund Freier Bürger - Offensive für Deutschland dort seinen Landesparteitag für NRW abhalten.

Vom Bund der Vertriebenen wird das Gerhart-Hauptmann-Haus als Einrichtung "zur Erhaltung, Fortentwicklung und Erforschung" des "Erbes und der Leistungen" der "Vertriebenen" gepriesen; die Stiftung Ostdeutscher Kulturrat erhält in diesem Jahr mehr als eine Million Mark aus dem Bundeshaushalt. Die Preisübergabe an die auserwählten Träger des OKR-Wissenschaftspreises findet am 6. Mai im Festsaal der Universität Bonn statt.