Gestörte Kontakte

Auf der Bonner Kontaktgruppenkonferenz zum Kosovo treten die Interessengegensätze zwischen USA und EU offen zutage. Milosevic profitiert davon

Das war dem US-Spitzendiplomat für Jugoslawien selbst während des Bosnien-Krieges nicht passiert: Erst ließen die jugoslawischen Behörden Robert Gelbard in Bonn stundenlang auf ein Einreise-Visum warten. Als er am Donnerstagabend dann doch endlich in Belgrad landen durfte, weigerte sich Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic, den Unterhändler zu empfangen. Gelbard erklärte danach, dies verrate viel über die Haltung Milosevics - er sei wohl nicht bereit, den Abzug der serbischen Polizeieinheiten aus dem Kosovo ernsthaft zu erwägen.

Milosevic indes hat sich gegenüber den USA vorerst durchgesetzt: Die Lösung des Kosovo-Konflikts betont er seit Beginn der Kämpfe mit bewaffneten albanischen Separatisten Anfang März, bleibe eine innere Angelegenheit Serbiens - Vermittlung von außen unerwünscht.

Vier Wochen Zeit haben die Mitglieder der Bosnien-Kontaktgruppe (Rußland, USA, Großbritannien, Frankreich, BRD, Italien) dem jugoslawischen Präsidenten nun gegeben, "einen glaubwürdigen Dialog" mit den Kosovo-Albanern zu beginnnen. Bis dahin werden keine neuen Sanktionen gegen den Balkanstaat verhängt. Die USA scheiterten mit ihrer Forderung nach sofortigen Strafmaßnahmen gegen Jugoslawien vor allem am Widerstand Moskaus, das die bisherigen Schritte Belgrads zu einer Lösung des Konflikts begrüßte. Bereits am 9. März hatte die Kontaktgruppe gefordert, die Sondereinheiten der serbischen Polizei aus dem Kosovo abzuziehen und mit den albanischen Separatisten über einen Autonomiestatus zu verhandeln. Prompt reagierte die serbische Regierung mit mehreren Gesprächsangeboten an die albanische Führung um Ibrahim Rugova, der sie allesamt ablehnte.

Auf der Tagung in Bonn honorierte nun nicht allein Moskau die vermeintlichen Zugeständnisse Belgrads, auch die Außenminister Italiens, Frankreichs und der BRD bescheinigten Milosevic Kompromißbereitschaft. Madeleine Albright steht mit ihrer Drohung, die USA behielten sich "alle Optionen vor, um weitere Gewalt auf dem Balkan zu verhindern", allein. Zu einem militärischen Eingreifen im Kosovo und damit zur Schaffung eines zweiten internationalen Protektorats auf dem Balkan - nach Bosnien - ist in der Nato derzeit niemand bereit.

Aufschlußreich indes ist die Rolle der EU-Staaten Frankreich, Italien und BRD im Streit mit den USA darüber, ob schärfere Sanktionen oder das Locken mit internationalen Geldern Milosevic zum Einlenken bewegen können. Während Albright allein von ihrem britischen Kollegen Robin Cook darin unterstützt wurde, stärkeren und sofortigen Druck auf den jugoslawischen Präsidenten auszuüben, demonstrierten Hubert Védrine, Lamberto Dini und Klaus Kinkel Geschlossenheit: Die Haltung Milosevics gebe Anlaß zur Hoffung, äußerte sich Dini, Védrine und Kinkel betonten nach der Rückkehr von einem Gespräch mit Milosevic einmütig, daß "unsere Forderungen im allgemeinen eingehalten wurden".

Die Weigerung, Gelbard zu empfangen, verbunden mit der am Wochenende von Milosevic geäußerten grundsätzlichen Bereitschaft zu Gesprächen unter "neutraler ausländischer Vermittlung" bringt Bewegung in die internationale Balkan-Diplomatie: Der Versuch, Jugoslawien stärker an die EU zu binden und damit den US-Einfluß in der Region einzuschränken, erhielt durch den letzte Woche erfolgten Aufnahmeantrag Belgrads an den Europarat neue Nahrung. Zumindest informell erklärt sich Milosevic damit bereit, die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wieder aufzunehmen - allerdings den europäischen. Auf eine Hinwendung Belgrads an die EU läßt auch schließen, daß es eine Vermittlung des gemeinsamen OSZE- und EU-Sondergesandten Felipe Gonz‡lez nicht endgültig ausschließt.

Während offen bleibt, ob es der EU-Diplomatie gelingen wird, den US-Einfluß in der Region einzudämmen, geht Milosevic gestärkt aus der jüngsten Krise hervor: Mit der Beteiligung des Ultranationalisten Vojislav Seselj an der neuen serbischen Regierung hat er es trotz ökonomischer und sozialer Probleme geschafft, eine innenpolitische Konsolidierung zu erreichen - die freilich unter nationalistischen Vorzeichen steht. Das ist ein deutliches Zeichen an den Westen: Der Forderung nach Demokratisierung wird Milosevic nicht nachkommen, solange auch die bürgerliche Opposition serbischen Großmachtsträumen nachhängt. "Der Kosovo ist für die Serben, was Jerusalem für die Juden ist. Sie werden keinen einzigen Serben finden, der bereit wäre, die Provinz aufzugeben", erklärte der vom Westen hofierte Vuk Draskovic vergangene Woche und dürfte damit in den Staatskanzleien der westlichen Regierungen die Frage aufgeworfen haben, wieso er bei der Lösung des Kosovo-Konflikts Milosevic vorzuziehen wäre.