Fußballherz, was willst du mehr?

Ein Diskussionsbeitrag, der begründet, warum die Bundesliga so spannend ist wie nie zuvor.

Ein Herzschlagfinale, wie wir Sportjournalisten von der schreibenden Zunft uns auszudrücken pflegen, erwartet alle Freunde des runden Leders. Es wird ein Krimi, den Hitchcock nicht besser hätte inszenieren können, wenn sich in der auf die Zielgerade einbiegenden zweiten Halbserie der Bundesliga die Entscheidung anbahnt, wen die Fußballgötter auf den Olymp heben werden und wer sich deutscher Meister nennen darf.

Wird König Otto das berühmte Quentchen haben, das er braucht, um seine Lauterer Betzebuben eine Stiefelspitze vor der Millionärstruppe des FC Bayern mit genügend Zählern ganz nach vorne zu führen? Daß sich das Trainerurgestein noch einmal die Butter vom Brot nehmen läßt, ist unwahrscheinlich, schließlich hat der alte Fuchs noch ein paar Asse im Ärmel, die er seinem früheren Brötchengeber unter die Nase reiben will. Dann hätte Giovanni Trapattoni fertig. Dann wäre es dem Maestro nicht gelungen, sein Starensemble so zu dirigieren, daß es so richtig heiß für den Kampf um die häßlichste Salatschüssel der Welt ist. Struuunz, Basler und Scholl haben andere Dinge als Fußball im Kopf und denken womöglich an Wechsel in südliche Gefilde, wo die Lire-Scheine winken.

Vielleicht schafft es ja dann der clevere Christoph Daum, der sich vom Lautsprecher der Liga zum Leisetreter gemausert hat, seine Werkself aus Leverkusen auf samtenen Pfoten zur Krone zu führen. Im Zweikampf zwischen Lautern und Bayern könnte Bayer der lachende Dritte sein, den niemand auf der Rechnung hatte. Hungrig genug ist die Daum-Truppe, nachdem sie im letzten Jahr den Vizemeister geschafft hatte. Da muß jetzt mal ein richtiger Titel her, sagen die zahllosen Anhänger des Clubs, der seine Heimspiele im Schmuckkästlein Haberlandstadion austrägt. In der Champions League haben die Mannen um Ulf Kirsten ja schon europäische Luft schnuppern dürfen. Doch das reicht denen nicht, die wollen den ganzen Kuchen.

Für Nervenkitzel im Spitzentrio ist also gesorgt, bis der Liga-Abpfiff ertönt.

Spannung pur herscht aber auch im Tabellenkeller, wo das Abstiegsgespenst die Rote Laterne des Schlußlichts mal hierhin und mal dorthin reicht.

Erwischt es den Hamburger Sportverein, das Gründungsmitglied der Bundesliga, das auf so eine so stolze Vergangenheit zurückblicken kann? Dem Club drohte das Aus, die Fans orientierten sich womöglich vom Volkspark weg zum Freudenhaus der Liga, und die früheren Erfolge verstaubten in den Regalen, wo sie nur noch Makulatur wären. Auch die Mönchengladbacher Borussia, von den Fans ob ihres erfrischenden Angriffsfußballs der siebziger Jahren die Fohlenelf gerufen, die damals die Fußballherzen höherschlagen ließ, läuft Gefahr, in den sauren Abstiegsapfel beißen zu müssen. Was wird aus dem Niederrhein, wenn die Jungs von Trainer Rausch nicht den Spielrausch finden? Hätte die Region das Zeug, wie Phönix aus der Asche den direkten Wiederaufstieg zu meistern? Zu wünschen wäre es den jungen Kerlen, die sich bis in die Haarspitzen motiviert die Herzen zerreißen.

Vielleicht wandert aber der Abstiegskelch, der sich für so manche Region als Schierlingsbecher entpuppen könnte, ja auch vom Niederrhein nach Ostwestfalen, wo dann die Bielefelder Arminia leise Servus sagen müßte. Auf ihrer heimischen Alm kämpften noch in der vergangenen Spielzeit alte Recken wie Stefan Kunz aufopferungsvoll und fuhren die verdiente Ernte ein. Und heuer? Da wollte schier nichts gelingen, die Arminen hatten die rabenschwarzen Pechstiefel angezogen, und es war aus mit alter Fußballherrlichkeit. Selbst in den Kellerduellen, den Sechspunktespielen, konnte die Elf nicht restlos überzeugen.

Den schwarzen Abstiegspeter könnte auch der Karlsruher SC ziehen, der jahrelang die sprichwörtliche badische Ruhe getankt hatte. Doch als die Clubführung den sympathischen Rotschopf Winnie Schäfer in die Wüste jagte, um den Feuerwehrmann Jörg Berger zu verpflichten, der das Ruder rumreißen sollte, war allen klar, daß der Sturzflug in die Zweitklassigkeit droht. Kann Berger die Talfahrt stoppen und Häßler & Co. ans rettende Ufer führen?

Vom Abstieg aus dem fußballerischen Oberhaus ist ja auch der FC Köln bedroht, die launische Diva vom Rhein, wie man oft mit einem Körnchen Wahrheit sagt. Die Geißbockelf, zusammen mit dem HSV der letzte im Club der Unabsteigbaren, wird es schwer haben, sich noch mal zu berappeln, doch vielleicht haben die Rheinländer ja ihr Karnevalstief überwunden. Die Fans jedenfalls halten ihrem FC die Stange.

Das sind Fragen, die man sich auch in München stellt, wo es die Löwen treffen könnte, die von Trainerderwisch Werner Lorant so sehr dressiert wurden, daß sie gar allzuoft zahnlos erscheinen. Es ist nicht mehr der Biß der früheren Tage, der die Herzen der Sechzigerfans wärmt. Die Elf wirkt verbraucht, oft kopflos, ein Leitwolf ist weit und breit nicht in Sicht, der den Klassenerhalt unter Dach und Fach bringen könnte. Das ist die Lage, spannend wie ein

Hitchcock also, aber das sagte ich ja schon, und ich will mich nicht wiederholen. Unbeschreiblich spannend halt, wie wir Sportjournalisten uns auszudrücken pflegen.