Ostruck = Rechtsruck

Modell Ostrowski

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Mehr als sieben Jahre nach der Wiedervereinigung ist es aus mit der Bescheidenheit der Ossis. Abgelegt haben sie nicht ihr Bekenntnis zum Ostprodukt, wohl aber ihre furchtbar nervigen Minderwertigkeitsgefühle. Zum Glück, will man meinen, doch zur Erleichterung gibt es keinen Grund. Plötzlich drängen ehemalige Stasi-Funktionäre über die PDS in die Parlamente und begründen das auch noch damit, wie in Sachsen-Anhalt geschehen, daß auch ehemalige MfS-Angehörige eine Interessenvertretung im Landtag bräuchten. Um ostalgische Instinkte zu wecken, schickt man bei den Demokratischen Sozialisten sogar "Super-Ossi" (Lothar Bisky) Täve Schur ins Rennen. Der ist zwar nicht links, aber - so die Selbsteinschätzung - "durch und durch Sozialist". Gemeint ist damit eigentlich nur, daß er der guten alten Zeit hinterhertrauert - eine Weltanschauung, die auch die GenossInnen der Kommunistischen Plattform vermeintlich zu Linksradikalen adelt.

Das Rostocker Manifest der PDS paßt ins Bild. Spricht es inhaltlich vielleicht auch berechtigte Sorgen und Forderungen an, was es nach außen signalisiert, ist: Wir im Osten lassen uns nicht mehr vom Westen verarschen. Daß die vehement für eine Westausdehnung der PDS eintretenden PDS-Strategen Gysi und Brie zugunsten der Ausschöpfung des gesamten WählerInnenpotentials im Osten dennoch diese Stimmung unterstützen, rächt sich bereits. Die Basis torpediert das Bundesttagswahlkampfkonzept der "Offenen Liste", der "bunten Truppe" aus Promi-KandidatInnen, die auch für die Erneuerung und Westakzeptanz der PDS stehen sollen. Die Landesverbände wollen die "eigenen Leute" nach Bonn schicken. Dabei geht es nicht - wie gerne behauptet - gegen die Bevormundung durch den Bundesvorstand, sondern gegen die nicht mit der schönen märkischen, mecklenburgischen oder Lausitzer Heimat verbundenen Wessis und gegen DDR-kritische Ossis. Etwa gegen die aus Greifswald kommende Angela Marquardt, die beharrlich MfS und Obrigkeitsdenken in der DDR tadelt, und deren Kandidatur auf der Landesliste Mecklenburg-Vorpommern von Landesfunktionären attackiert wird.

Verfehlt die PDS den Einzug in den Bundestag, droht ihr Abstieg zur Regionalpartei Ost. Das bedeutet aber nicht, daß sie dann eine linke, sozialistische Partei ohne westdeutsche Ausdehnung wird. Was droht, ist vielmehr das Modell Ostrowski. Die sächsische Landtagspolitikerin, die jetzt erstmals auch für Bonn kandidiert, hatte gefordert, die PDS müsse zu einer Art ostdeutschen Volkspartei nach Vorbild der CSU werden, in der links und rechts keine Rolle spielt, sondern nur die gemeinsame Sorge um das Wohl der Bürger - um nicht zu sagen des Volkes. In der Tat versucht die PDS in diesem Wahlkampf einen Spagat: Zum einen will sie sich mit dem deutlichen Bekenntnis zum Sozialismus als linke Alternative zu SPD und Grünen profilieren, und zum anderen als Ostpartei, die Stammtische von Stralsund bis Suhl abräumen. Scheitert sie in Bonn, scheitert sie auch als linke Alternative - zumal das Wort Sozialismus hier ohnehin nicht viel zu bedeuten hat. Im Gegenzug gewänne der Ostrowski-Flügel Oberhand. Mit dem, was an rechten Werten in nicht wenigen Basisorganisationen lauert, ließe sich aus einer "sozialistischen" PDS auch eine rechte oder gar rechtsextreme PDS zimmern. Was an der DDR geschätzt wird, ist eben nicht nur die soziale Sicherheit, sondern auch Recht und Ordnung, Sauberkeit und Disziplin, nationalstaatlicher Stolz - und soviele Ausländer und Kriminelle gab's damals auch nicht, wa?!

Daß Ostalgie nicht per se etwas Linkes ist, wie es KPF und junge Welt zu verkaufen versuchen, haben indes auch die Nazis erkannt. Im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt werben die Republikaner damit, eine "mitteldeutsche Arbeiter- und Bauernpartei" zu sein. Der ehemalige CDU-Überläufer Rudolf Krause wirbt für die Ost-Reps: "Wir lassen uns von den Wessis nichts mehr verbieten", und seine Frau Christine, die auf Platz zwei der Landesliste kandidiert, will sich um den "mitteldeutschen Gefühlsraum" kümmern.

Eine Ost-Partei PDS wäre eine echte Gefahr. Ein dramatischer Rechtsruck wäre kaum zu verhindern. Resignieren dann noch die fortschrittlichen Kräfte, bliebe eine Partei übrig, die wie die ehemaligen Kommunisten Rußlands mit den Nationalisten bündelt und für die Emanzipation immer noch ein Fremdwort ist.