Nationale Begegnungsstätte

Mit einem Flugblatt wollte die NPD das Berliner Olympiastadion und Hertha BSC retten

Neulich, als sich der NPD-Ortsverein Friedrichshain-Süd wieder einmal sehr langweilte, kam Keule plötzlich auf eine prima Idee: "Wir brauchen ein Anliegen!" Noch bevor die anderen sagen konnten: "Ham wa doch, du Nase, Deutschland den Deutschen ebend", führte der Ideeninhaber allerdings schon aus: "Wir müssen etwas gegen einen Mißstand tun, der alle Berliner nervt, und dagegen eine große Aktion starten." Mißtrauisch starrten ihn die anderen an. Der nun wieder. Gut, bei der großen Bauarbeiterdemo vor einem Jahr hatten sie viel Spaß gehabt, als sie eine Baustelle am Reichstag gestürmt und den dort arbeitenden Ausländern Angst eingejagt hatten, aber so eine Scheiße wie letztens bei der Arbeitslosen-Demo wollten sie eigentlich nicht wieder erleben: Früh aufstehen, nur um dann mit Zecken und Asis stundenlang blöd vorm Arbeitsamt rumzustehen.

Keule erläuterte trotzdem unbeirrt seinen Plan: "Hertha, ihr Idioten!" Verständnislos schauten ihn die anderen an. Was wollte der denn jetzt? Hertha ausländerfrei machen? Nein, sagte Keule, es gehe um das marode Olympiastadion, das aus Geldmangel nicht saniert werden könne, und weil doch ganz Berlin auf Hertha stehe, sei das das geeignete Thema. Klang gut, bloß noch nicht richtig rassistisch, ausländerfeindlich und antisemitisch, aber Keule hatte schon eine passende Idee für eine Überschrift: "Kein Pfennig für Deutschlandhalle und Olympiastadion? Aber Millionen für Besatzer- und Holocaustdenkmäler?!"

Der Rest schrieb sich dann praktisch von selbst: "Deutschlandhalle und Olympiastadion sind seit den dreißiger Jahren Begegnungs- und Ereignisstätten der Berliner, zwei Symbole des deutschen Berlins." Naja, mit den Begegnungs- und Ereignisstätten waren sie nicht ganz so glücklich, Weihestätten des deutschen Volkes hätte besser geklungen, aber dafür hatte man die Forderung nach einem Denkmal für "unsere deutschen Helden" untergebracht, die "angebliche deutsche 'Schuld' und einen schönen Schluß gefunden: "Millionen für die Schandmäler der Feinde deutscher Selbstbestimmung - keinen Pfennig für unsere deutschen Sportstätten? Eine Schande!"

Mehr war auf der Vorderseite beim besten Willen nicht unterzubringen, aber wo man schon mal dabei war, entwarf man gleich noch einen Text für die Rückseite. "Der nationale Widerstand verlangt jetzt" - nationaler Widerstand, so hatte Keule erklärt, klinge besser als NPD-Ortsverein Friedrichshain-Süd - "Arbeit zuerst für Deutsche! 14 Millionen Ausländer nehmen fünf Millionen deutschen Arbeitslosen die Arbeit weg: Schluß damit!" Irgendwas mit den Zahlen stimmte zwar nicht so ganz, aber Keule hatte erklärt, das falle bestimmt niemandem auf.

"Kein deutsches Geld für Asylbetrüger, Besatzungs- oder Holocaust'denkmäler'!" Auf die Anführungszeichen waren sie ganz besonders stolz. Assel, der im Deutsch-Leistungskurs war, waren sie eingefallen. "Ausländer sind vorübergehende Gäste! Gäste kommen und gehen. Nur Betrüger wollen für immer bleiben." Das hatten sie prima gelöst. Denn genau genommen spielten auch bei Hertha eine Menge Kanaken mit, aber "das sind halt unsere", und die meinte man ja auch gar nicht. Gäste, das klang jedoch gut, und kein Hertha-Ausländer würde das krummnehmen. "Berlin statt Bürlyn! Istanbul den Türken. Aber: Berlin uns Deutschen! NPD für Hertha!", und fertig war man.

Beim Verteilen der Flugblätter vor dem Stadion gab es keine Schwierigkeiten. Aber zwei Tage später erkannte man bei Hertha BSC, daß man ein Problem hatte. Irgend jemand hatte die Flugblätter gesehen und sich beim Verein beschwert, deswegen mußte gehandelt werden. Denn was "vor den Heimspielen gegen den FC Schalke 04 und den VfB Stuttgart" geschehen war, war auch wirklich ein Skandal: Es waren Handzettel verteilt worden, die "waren in den Vereinsfarben von Hertha BSC gedruckt und trugen unter anderem den Aufdruck 'NPD für Hertha'". Um sich des Hertha-Enblems bedienen zu dürfen, zahlen andere Firmen viel Geld, deswegen sieht "Hertha BSC - durch das Flugblatt sowohl sein Persönlichkeitsrecht als auch durch die ungenehmigte Nennung des Namens das gesetzlich geschützte Namensrecht verletzt. Diesbezüglich hat der Verein vorbehaltlich weiterer juristischer Schritte durch seine juristische Vertretung von der NPD eine Unterlassungserklärung eingefordert." Die diese dann per Handzettel vor dem Stadion verteilt? Oder als Anzeige (vielleicht so: "Liebe Hertha, tut uns echt leid, war nicht so gemeint, Eure NPD") in der Stadionzeitung?

Egal, mit solchen Kleinigkeiten wollte sich Hertha nicht beschäftigen, hier ging es erstmal darum, Empörung zu zeigen. Nach einer kurzen Passage, die Personen, die "auf dem Stadiongelände beim Verteilen solcher Handzettel angetroffen werden" mit Stadionverbot bedroht, war man bei Hertha schon sehr zufrieden mit der Pressemitteilung. Sie klang richtig erbost, aber irgendwas fehlte noch. Richtig, der Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus: "Hertha BSC verwahrt sich gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Diesbezügliche Kundgebungen bei Spielen im Olympia-Stadion, sei es durch Gesten, Worte und Transparente, werden von Hertha BSC unterbunden und die handelnden Personen der Strafverfolgungsbehörde übergeben." Das hörte sich richtig gut an. Und um die Sache mit den verfassungsfeindlichen Symbolen hatte man sich gut herumgedrückt.

Trotzdem: Man meinte es ernst, das ging aus der Mitteilung eindeutig hervor. Und das war dann doch schon wieder ein Problem, denn einen geschlossen "Sieg Heil!" brüllenden Block verhaftet niemand so einfach, das könnte richtig schwierig werden. Und ob die dann nochmal wiederkommen und Eintritt zahlen würden, war auch unklar. Aber dann hatte jemand die rettende Idee: "Laß uns noch einen Tag warten, dann können wir den 1. April als Datum angeben!"