Nachhaltige Schädigung des Präsidenten

Ein Generalstreik in Bolivien macht Hugo Banzer zu schaffen. Der reagiert mit dem Einsatz des Militärs

Acht Tote, 28 Verletzte und 89 festgenommene Demonstranten - so die vorläufige Bilanz des seit 1. April laufenden Generalstreik in Bolivien. Anfang vergangener Woche ließ Präsident Hugo Banzer Polizei- und Militäreinheiten gegen die streikenden Lehrer und Kokabauern aufmarschieren und von der Waffe Gebrauch machen. Diese gelten als Speerspitze der Streikbewegung.

Besonders explosiv ist die Lage im Chapare, dem Hauptanbaugebiet der Kokapflanze, wo die Streikenden in der vergangenen Woche mehrmals die wichtigste Verkehrsader des Landes, die Straße zwischen der Provinzhauptstadt Cochabamba und dem Handelszentrum Santa Cruz, blockierten. Bei Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, die mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Blockierer vorgingen, eskalierte die Situation. Die Kokabauern leisteten Widerstand, woraufhin Polizei- und Militäreinheiten in die Menge schossen.

Mit Schußwaffen gingen die Ordnungskräfte auch gegen die streikenden Lehrer vor. Diese protestieren seit zwei Wochen in der Hauptstadt La Paz für Mindestlohn und eine Bildungsreform. Arbeitsminister Leopoldo L-pez bezeichnete den Waffeneinsatz allerdings im nachhinein als "strategischen Fehler". Präsident Banzer teilt diese Auffassung ganz offensichtlich nicht: Am 6. April drohte er den Streikenden mit der Ausrufung des "Belagerungszustands", also der Aufhebung von Versammlungsfreiheit sowie Streik- und Demonstrationsrecht. Diese Drohung sorgte allerdings nicht für die erhoffte Ruhe, sondern hauptsächlich für kritische Presseberichte im In- und Ausland. So wird dem im vergangenen Jahr an die Macht gewählten General im Ruhestand vorgeworfen, das Land zum zweiten Mal diktatorisch regieren zu wollen. Bereits zwischen 1971 und 1977 führte der mittlerweile 71jährige nach dem Militärputsch des Jahres 1964 als General die Geschäfte des Staates.

Aufgeschreckt von der Presseresonanz ließ Banzer es zunächst bei der Drohung bewenden und signalisierte erneut Verhandlungsbereitschaft an die Adresse des bolivianischen Gewerkschaftsdachverbands (COB). Dessen Hauptforderungen - die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von umgerechnet knapp 1 200 Mark sowie die Zulassung einer Interessenvertretung der Kokabauern im Chapare will er allerdings auf keinen Fall erfüllen.

Seit dem Amtsantritt des Ex-Diktators haben sich insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Armee und Kokabauern verschärft. Banzer hat sich nach Amtsantritt gegenüber den USA verpflichtet, jährlich 7 000 Hektar Koka-Anbaufläche zu vernichten. Trotz der jüngst von den USA angekündigten Reduzierung der finanziellen Hilfen auf ein Viertel knapp 22 Millionen Mark jährlich scheint er entschlossen, dieses Versprechen einzuhalten. Von den US-Hilfen wurden bislang auch einmalige Überbrückungsgelder an die Bauern gezahlt: Pro Hektar waren es umgerechnet etwa 4 500 Mark, zum 1. April wurde diese Unterstützung auf zwei Drittel reduziert. Im Chapare führte dies zu energischen Protesten, da den Bauern keine Alternative zum Koka-Anbau geboten wird. Die Regierung hat ihrerseits bisher keine Anstalten zum Ausbau der Infrastruktur oder zur Ansiedlung von verarbeitender Industrie unternommen.

Geht es für die Bauern schlicht ums Überleben, hat für Banzer die Einlösung seines Versprechens gegenüber den USA Priorität. Dieses, so der Politologe Jorge Lazarte in der Tageszeitung Estrella del Oriente, habe das Image im In- und Ausland bereits nachhaltig geschädigt. Banzer sei nun in der Defensive, jede weitere Maßnahme gegen die Demonstranten würden "seinen Anstrengungen, eine demokratische Regierung zu repräsentieren", zuwiderlaufen. Banzer hat sich zwar vorerst für eine Verhandlungsoption ausgesprochen, verfügte aber zugleich die Verhaftung von vier hohen Funktionären der Gewerkschaftsbewegung, um dem Streik die Spitze zu nehmen: die COB-Oberen Vilma Plata, José Luis Alvarez, Raœl Vistas und Alejo Véliz als Repräsent der Kokabauern. Und die Regierung weigerte sich am Donnerstag letzter Woche, mit Evo Morales, dem obersten Repräsentanten der Kokabauern, zu verhandeln. Zuvor hatte Morales dem Präsidenten vorgeworfen, selbst ins Koka-Geschäft involviert zu sein.

Die Proteste im Chapare und in La Paz nahmen daraufhin in der Nacht zum vergangenen Freitag erneut an Schärfe zu: Autos gingen in Flammen auf und Polizeiwachen wurden besetzt. Der COB hat unterdessen weitere Straßensperren und einen Hungerstreik angekündigt, um die Freilassung der verhafteten Gewerkschafter zu erwirken.