Antisemiten im Internet

Auf dem Wege des Internet und anderer neuer Technologien nehmen antisemitische Propaganda und Leugnung des Holocaust weltweit zu. Das geht aus einer internationalen Studie hervor, die vergangene Woche von jüdischen Gruppen und der Tel Aviv University veröffentlicht wurde. Durch die wachsende Popularität rechtspopulistischer Parteien und antisemitischer Propaganda entstehe ein Potential für eine neue Welle von Gewalt. Die Zahl "größerer" antisemitischer Anschläge weltweit stieg 1997 von 32 im Vorjahr auf 38. Die Studie, die von der Tel Aviv-University, der Anti-Defamation-League von B'nai B'rith und dem Jüdischen Weltkongreß erstellt wurde, definiert größere Anschläge als Taten, bei denen Feuerwaffen, Messer oder Sprengstoff eingesetzt wurden oder Brandstiftung vorliegt.

Einen eklatanten Anstieg von Gewalt gibt es in Westeuropa, wo im vergangenen Jahr 16 Vorfälle registriert wurden. 1996 waren es lediglich neun. Für Deutschland stellt die Studie einen "überraschenden und beunruhigenden Zuwachs von 15 bis 20 Prozent bei allen Typen antisemitischer Aktionen" sowie eine wachsende Akzeptanz des Rechtsextremismus fest. Am deutlichsten wurde der Trend in Ostdeutschland, wo zirka 30 Prozent der Jugendlichen rechtsextremen Ideologien nahestehen. Für die arabischen Länder verzeichnet die Studie widersprüchliche Entwicklungen. Während antisemitische Attacken und Holocaust-Revisionismus immer noch dazu dienen, jüdische Ansprüche auf Israel zu delegitimieren, fordert eine wachsende Gruppe von Schriftstellern und Intellektuellen die Anerkennung der Leiden des jüdischen Volkes als Schritt in Richtung einer friedlichen Koexistenz.

Das Anwachsen des Antisemitismus in Europa sei Folge der öffentlichen Debatte über die Verantwortlichkeit für den Zweiten Weltkrieg und die Reparationsleistungen. "Das Benutzen moderner Kommunikationswege, um extrem antisemitische und rassistische Propaganda zu verbreiten, ist dramatisch angestiegen. Insbesondere ist hier das Internet zu nennen", so Diana Porat von der Tel Aviv-University. Die Studie besagt zudem, daß die Zahl "gemäßigt" antisemistischer Angriffe, d.h. solcher, bei denen keine Waffen benutzt wurden, im vergangenen Jahr gesunken sei, möglicherweise in Folge der wachsenden Online-Aktivitäten. Porat erklärte, das Internet sei ein praktischer und anonymer Weg, extreme Meinungen zu äußern, der vielleicht als Ersatz für physische Gewalt dienen könne. Laut Schätzungen des Jüdischen Weltkongresses gibt es heute in den USA und Kanada 200 antisemitische oder rassistische Websites. In Europa liege die Zahl bei ungefähr 100. Während Länder wie die Niederlande, Deutschland oder Dänemark mit Hilfe neuer Gesetze versuchen, den Zugang zu rassistischen Websites zu begrenzen, sehen die USA in solchen Gesetzen eine Verletzung der Meinungsfreiheit.