Das ZDF wird investigativ

Berlin-Bronx -Bronx-Berlin

"Die Bronx von Berlin? Neues vom Kampf gegen das Verbrechen", hieß die Reportage, die von Christhard Läpple für das ZDF gedreht wurde. Ein passendes Verbrechen war schnell gefunden, das an einem Kreuzberger Wachschutzbeamten, der auf der Oranienstraße von einem 17jährigen türkischen Kreuzberger erstochen worden war. Die Freunde des Opfers beteuern, er sei "das absolute Gegenteil des Schwarzen Sheriffs, der Prototyp des multikulturellen Kreuzbergers deutscher Herkunft" gewesen, als ginge es je im richtigen Leben zu wie im

Western, wo es immer den Richtigen erwischt.

Das Motiv ist unklar, was auch nebensächlich ist, denn irgendwie soll die Tat symptomatisch für die Berliner "Bronx" sein, zu der die Stadtbezirke Neukölln und Kreuzberg erklärt werden. Der Autor erklärt, daß in den Straßen Kreuzbergs "Armut, Frust und Gewalt zum Alltag gehören", unterlegt seine Behauptung mit Bildern einer schlecht gelaunt aus dem Fenster schauenden dicken Frau, türkischen Frauen, die auf dem Bürgersteig stehen und sich unterhalten und einem Kind, das in einem Hinterhof Fußball spielt.

"Wieso wurde der Junge schuldig?" fragt ein Mitglied einer türkischen Rap-Gruppe und fährt fort, "das hätte auch einem Türken passieren können, daß ihn so'n jungscher Typ anrempelt". Das ist eine interessante Überlegung, aber nicht, wenn man eine Reportage macht, deren Fazit schon feststeht. Aber die Äußerung läßt sich trotzdem verwenden: "Es könnte jedem passieren, so das Gesetz der Straße."

Das ist schön plakativ und ein prima Beleg für die Bronx-gleich-Kreuzberg/ Neukölln-These. "Alle wissen, dieses riesige Quartier ist reich an Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Ausländern", die demzufolge Arbeit haben und nicht Sozialhilfe beziehen, "doch arm an Jobs und Perspektiven". Was vielleicht daran liegt, daß die Ausländer den Deutschen die Jobs wegnehmen, deswegen: "Wer kann, zieht weg, wer bleiben will, muß kämpfen."

Gezeigt wird ein deutscher Mann in einem Stehcafé, der mit einem belegten Brötchen kämpft. "Nun sollen die Straßen zurückerobert werden, heißt es trotzig." Neukölln sei nicht die Bronx, sagt der Neuköllner Sozialstadtrat, was zwar den griffigen Titel der Sendung kaputtmacht, aber egal ist, denn das kann man mit einem Kommentar aus dem Off wieder wettmachen. "Doch viele fühlen sich hier wie im Ghetto."

"Es kann nicht so weitergehen und es muß was passieren", sagt ein älterer Mann, und seine Frau berichtet, daß sie als "alte Hure" und "deutsche Sau" beschimpft worden sei. Das klingt zwar auch noch nicht nach Bronx, doch ein Polizeibeamter vom Abschnitt 55 erklärt, daß in Bereichen, in denen "ausländische Mitbürger überrepräsentiert sind", Deutsche sich unsicher fühlten. Daß dies für manche Deutsche eher dort gilt, wo andere Deutsche überrepräsentiert sind und Stadtbezirke wie Marzahn zu No-Go-Areas wurden, gehört nicht dazu. "Viele Menschen haben Angst, Anzeigen zu machen, weil sie bedroht werden unter Umständen", weiß die Abschnittsleiterin der Direktion 55, das ist ungeheuerlich und bedrückend, aber manchmal wird die Polizei doch gerufen: "Ein Notruf. Eine Schlägerei. Wie immer zählt jede Minute."

Das kann spannend werden, denn vielleicht ist das der Beginn der großen Kreuzberger / Neuköllner riots. Dann ist jedoch alles bloß halb so schlimm, ein Punk hat in einem türkischen Geschäft geklaut. Aber dann findet man doch noch richtige Verbrecher, polnische Ladendiebe und einen ukrainischen Autoschieber. Später ereignet sich ein Kellereinbruch und die Guardian Angels treten auf. Eben wie in der Bronx.