Der Pate steht am Rhein

Unter der Anleitung Le Pens kommen sich Frey und Schönhuber näher.

Wird Jean Marie Le Pen als Vereiniger der in konkurrierende Parteien gespaltenen extremen Rechten in Deutschland in Aktion treten? Genügend Ansehen dafür dürfte der Chef des französischen Front National (FN) im Lager der deutschen Nazi-Nachfolger zweifellos besitzen. War doch der Höhenflug der Le Pen-Partei in Frankreich, die bei den Wahlen zum Europaparlament 1984 ihren landesweiten Durchbruch erzielte, den rechtsextremen Wahlerfolgen in Österreich (ab Herbst 1986 mit Jörg Haider) und Deutschland (beginnend mit den Republikaner-Triumphen in der ersten Jahreshälfte 1989) um ein paar Jahre voraus.

Von der ideologischen Autonomie, die die französischen Rechtsextremen in den politischen Auseinandersetzungen erlangt haben, konnten die deutschen Rechtsextremen bislang nur träumen. Schließlich war in den letzten zehn Jahren das Auf und Ab rechtsextremer Wahlresultate in Deutschland noch in hohem Maße von Themen abhängig, die von staatstragenden Parteien und Medien vorgegeben wurden: Die ab Herbst 1991 inszenierte "Asyldebatte" brachte die Republikaner (Rep) und das DVU-Bündnis Liste D in die Landtage von Stuttgart und Kiel, vor der Bundestagswahl 1994 wurde ihr Aufstieg von Staatsapparat und Medien allerdings eingedämmt. Bisher hatte die politische Klasse diesen Prozeß in der Hand, der nun - insbesondere mit der Situation in Ostdeutschland - außer Kontrolle zu geraten droht. Als Vorbild für eine als eigenständiger politischer Faktor agierende extreme Rechte könnte dabei der FN herhalten.

Den engsten Kontakt zu Le Pen hält traditionell Franz Schönhuber, der frühere Bundesvorsitzende und Gründervater der Rep, der 1995 die Partei verließ. Zu seiner Zeit als Vorsitzender und in der Hochphase der Republikaner schien es noch selbstverständlich, eine gemeinsame Fraktion im Europaparlament zu bilden. Dem wurde ein Ende gesetzt, als die italienischen Rechtsextremisten unter Gianfranco Fini sich zu "Postfaschisten" erklärten und vom Front National distanzierten. 1972 hatten sie noch Pate bei der FN-Gründung gestanden und ihnen ihr Parteisymbol - eine Flamme in den jeweiligen Nationalfarben - vermacht.

Daß Schönhuber im Dezember 1994 wegen eines Treffens mit dem von seinen Parteikameraden als "nicht genügend salonfähig" eingestuften DVU-Chef Gerhard Frey den republikanischen Parteivorsitz einbüßte, änderte an den guten Kontakten ins Nachbarland nichts. Hinter seiner Absetzung verbargen sich grundlegende strategische Differenzen, die auf dem Sindelfinger Parteitag im Dezember 1994 offen zutage traten: Während Schönhuber das Streben nach "Respektabilität" bei Konservativen und Liberalen für gescheitert erklärte und statt dessen die Sprengkraft der "sozialen Frage" ausnutzen wollte, strebte sein Nachfolger Rolf Schlierer danach, die Reps zum potentiellen Koalitionspartner zu machen. Er sah in den Besitzenden eher die Klientel seiner Partei als in den Unterschichten. Schönhubers in Sindelfingen dargelegte Konzeption stand damit der Le Pens, der seit Ende der achtziger Jahre einen "systemoppositionellen" Diskurs anschlug, eindeutig näher. Auf dem letzten FN-Kongreß im März 1997 in Strasbourg ließ Schönhuber ein Grußwort verlesen, während die Rep-Führung ebenso abwesend war wie die italienischen "Postfaschisten" und die österreichischen Freiheitlichen.

Parallel zur engen Zusammenarbeit mit Schönhuber unterhält der FN außerdem Kontakte zu unterschiedlichen - teilweise untereinander verfeindeten - Formationen der deutschen extremen Rechten, um auf eine Bündelung ihrer Kräfte hinzuwirken. So übt sich Yvan Blot, FN-Europaparlamentarier, seit einigen Monaten als Politprediger östlich des Rheins. Am 18. Oktober 1997 war auf dem Rep-Bundesparteitag im bayerischen Dietmannsried zu Gast, um eine Grußbotschaft Le Pens zu überbringen. Der französische Rechtsextremist forderte darin die Republikaner auf, sie sollten mit allen "nationalen Kräften in Deutschland zusammenarbeiten". Zwei Wochen später forderte Blot - Mitbegründer der "neurechten" Denkfabrik Club de l'Horloge in den siebziger Jahren und bis 1989 Spitzenfunktionär des gaullistischen RPR - im oberbayerischen Kösching auf einem Treffen des neofaschistischen Theorieorgans Nation & Europa die Schaffung einer "gemeinsamen Plattform" in Deutschland.

Nach dem jüngsten Wahlerfolg der DVU gratulierte Pate Le Pen dem Münchener Großverleger Frey umgehend. Die beiden rechten Männer wollen in Kürze zusammentreffen und dürften dabei auch die Bündelung rechtsextremer Kräfte in Deutschland debattieren. Le Pen-Freund Schönhuber hat mittlerweile den Schritt zur DVU gewagt. Der Partei beitreten will er nach eigenen Angaben zwar nicht, für die DVU bei der Europawahl im Juni 1999 anzutreten, habe er auf Anfrage Freys aber bereits zugesagt. Zu einer Kandidatur auf der Bundestagsliste der DVU sei er ebenfalls bereit, erklärte der 75jährige am vergangenen Wochenende. Damit will Schönhuber bewirken, daß die "zerstörerischen Bruderkämpfe" zwischen Deutschlands rechtsextremistischen Parteien ein Ende haben. Dann könnten sie ihr bei etwa 20 Prozent liegendes Wahlpotential endlich voll ausschöpfen.