Schlaglichter zum Tag der Arbeit

Knüppel frei zum 1. Mai

Zu schweren Auseinandersetzungen kam es am 1. Mai in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, als die Polizei die Teilnehmer einer Kundgebung am Verlassen des Chongmyo-Parks hindern wollte. Der demokratische Gewerkschaftsverband KCTU und die illegalisierte studentische Organisation Hanchongryon hatten zu einer Demonstration aufgerufen, um Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit, eine Reform der Chaebol-Firmenkonglomerate und Neuverhandlung der IWF-Vereinbarungen zu fordern. Mit Demonstrationen am 18. und 23. Mai soll, so wurde angekündigt, zu einem Generalstreik mobilisiert werden. Statistisch erfaßt wurden von der Nachrichten-agentur chosun rund 20 000 Steine und 200 Eisenstangen, die gegen die 13 000 Anti-Aufruhr-Polizisten zum Einsatz kamen. Von den rund 22 000 an der Demonstration Beteiligten seien 14 500 KCTU-Mitglieder gewesen, etwa 7 000 Studierende sowie lediglich 500 Arbeitslose. Womit suggeriert werden soll, daß der Anlaß der Demonstration, die explodierende Arbeitslosigkeit - im nächsten Monat soll die Zahl der Erwerbslosen auf zwei Millionen Erwerbslose steigen -, nur vorgeschoben war. Der kooptierte ehemalige Oppositionelle und heutige Präsident Kim Dae-jung rief das Kabinett zu harten Maßnahmen gegen "illegale und gewalttätige Demonstrationen" auf. Die Staatsanwaltschaft wollte am Wochenende zwecks Verfolgung eine Liste der "masterminds" veröffentlichen, die die 1. Mai-Demonstration angeführt hätten. Ziel soll zunächst die Isolierung der studentischen von der Arbeiterbewegung sein.

Unter dem Motto "Globalisiert die Solidarität" fand der offizielle 1. Mai-Umzug in Zürich statt - mit 3 000 bis 4 000 (laut der Nachrichtenagentur SDA) bzw. 10 000 Teilnehmern (so die Organisatoren). Im Anschluß daran entwickelte sich aus einer autonomen Demonstration mit einigen hundert Teilnehmern eine längere Straßenschlacht, nachdem "die Parole 'UBS und Bankverein - schlagen wir die Scheiben ein' umgehend in die Tat umgesetzt" worden war, wie die NZZ schrieb.

In der Stadt Ibadan im Südwesten Nigerias wurden nach Augenzeugenberichten am 1. Mai bei Riots gegen das Militärregime von General Sani Abacha sieben Menschen von der Polizei erschossen. Die Polizei enthielt sich jeden Kommentars. Jugendliche brannten Gebäude mutmaßlicher Abacha-Unterstützer nieder, darunter das Büro der Zeitung Monitor. Die Opposition, deren Aufruf zu friedlichen landesweiten Protesten weitgehend ignoriert wurde, forderte den Rücktritt Abachas und die Verschonung von sechs Leuten, die am Dienstag zuvor wegen Verschwörung zum Tode verurteilt worden waren. Abacha ist kürzlich von den fünf legalen Parteien Nigerias für die Wahlen im Oktober zum einzigen Präsidentschaftskandidaten nominiert worden - entgegen seiner früheren Ankündigung, die Macht abzugeben.

In Istanbul war der 1. Mai Tag der Arbeit für die Polizei. Rund 20 000 Ordnungshüter waren in Bereitschaft, etwa zwei Drittel von ihnen in der Nähe der schließlich doch genehmigten 1. Mai-Demonstration. Die Situation eskalierte, als die Polizei den Demonstranten mit Panzerfahrzeugen den Zugang zur Kundgebung am Freiheitsdenkmal im Bezirk Sisli verwehren wollte, um sie zu durchsuchen. Der militante Block wehrte sich, etwa 70 Demonstranten wurden durch Schlagstockeinsätze verletzt und über 150 festgenommen. In Ankara waren 25 000, in Izmir rund 50 000 Menschen auf der Straße. In den kurdischen Gebieten fanden trotz einigen Verboten und der Tage zuvor gestarteten Armee-operation "Murat" ("Hoffnung") 1. Mai-Demonstrationen statt - mit fast 3 000 Teilnehmern in Diyarbakir, fast 4 000 in Dersin, mehr als 5 000 in Urfa und mehr als 3 000 in Batman (alle Teilnehmerzahlen nach Angaben der linken türkischen Zeitung Emek).

In China schließlich riefen die Medien die Arbeiter auf, die KP bei der "Reform" der staatlichen Industrie zu unterstützen; laut der Zeitung Renmin Ribao müßten sie in "langfristigen Dimensionen" denken und sich aktiv für das Erreichen der gesteckten Ziele einsetzen - die zu einem Hochschnellen der Arbeitslosenrate und zu einer Flexibilisierung der Arbeit führen werden.