Wahlkampfhelfer El Nino

Paraguays regierende Coloradopartei will die Präsidentschaftswahlen verschieben. Die Opposition kritisiert einen "staatlichen Putschversuch"

Am kommenden Sonntag soll in Paraguay ein neuer Präsident gewählt werden. Doch eine Woche vor der Wahl wissen weder Kandidaten noch Urnengänger, ob die Wahl überhaupt stattfinden wird. Die regierende Coloradopartei versucht mit dem berühmten Griff in die Trickkiste, die Wahlen um einige Wochen zu verschieben. Nach langen parteiinternen Querelen läuft der Partei die Zeit für den eigentlichen Wahlkampf davon. Und so werden die Wahlstrategen um den Parteichef Luis Mar'a Arga-a in immer kürzeren Abständen beim Obersten Gerichtshof vorstellig.

Am 28. April trafen sich die Coloradooberen, um einen neuen Versuch zu starten. Diesmal sollten klimatische Gründe herhalten. El Ni-o wurde flugs zum Wahlkampfhelfer auserkoren, um die laut Umfragen in Front liegende Konkurrenz der Alianza Democratica noch auf der Ziellinie einzuholen. Doch der oberste Gerichtshof hatte sich bereits Mitte April eindeutig geäußert: Es gebe keine verfassungsmäßige Grundlage zur Verschiebung des Wahltermins, wenn eine Partei Probleme mit ihrem Kandidaten habe.

Und die hat der Colorado. Aus den parteiinternen Wahlen des Präsidentschaftskandidaten war im September vergangenen Jahres zur Überraschung vieler weder der Kandidat von Präsident Juan Carlos Wasmosy noch Parteichef Arga-a als Sieger hervorgegangen, sondern Lino Cesar Oviedo. Oviedo hatte - mit einer Handgranate in der Faust - den ehemaligen Diktator Alfredo Stroessner davon überzeugt abzudanken und machte daraufhin Karriere in der Armee. Doch mit dem Generalstitel wollte sich der 54jährige nicht zufrieden geben. Er organisierte von der Kaserne aus seinen Griff zum höchsten Amt im Staate. Immer wieder griff er den amtierenden Präsidenten Wasmosy an und versuchte im April 1996 unter dubiosen Umständen zu putschen. Zwar scheiterte der Putsch gegen Wasmosy, doch Oviedo kam zunächst mit einem blauen Auge davon. Ein ziviles Gericht sah sich außerstande, die genauen Umstände des Umsturzes zu klären, und sprach den mittlerweile pensionierten Oviedo, sehr zum Bedauern Wasmosys, frei.

Mit der Nominierung des populistischen Ex-Generals zum Präsidentschaftskandidaten war für Wasmosy das Maß voll. Er tat sich mit Parteichef Arga-a, einem ehemaligen Intimus des Ex-Diktators Stroessner, zusammen, um Oviedo zu stürzen. Drei Wochen vor den geplanten Wahlen ist ihnen dies gelungen: Mitte April wurde Oviedo nach langem Hin und Her vom Obersten Wahlgericht von der Kandidatenliste gestrichen, nachdem er vom Militärgerichtshof wegen des Operettenputsches vom April 1996 zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden war.

Das Militär ist in der Frage der Unterstützung Oviedos gespalten. Nach seiner Verurteilung marschierte Militär vor dem Präsidentenpalast auf, um Wasmosy zur Seite zu stehen. Generalstabschef Silvio Rafael Noguera allerdings sprach sich für die vollständige Verbüßung der Haftstrafe aus und wies damit die armeeinterne Oviedo-Fraktion in die Schranken.

Die Colorados stehen nun allerdings ohne zugkräftigen Kandidaten da. Nominiert wurde nun der ehemalige Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Raœl Cubas Grau, ein steinreicher Unternehmer. Der wiederum ist mit Oviedo eng befreundet und hat angekündigt, diesen nach seiner Wahl zu amnestieren. Ihm zur Seite steht Parteichef Arga-a als Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Das Duo verfügt allerdings nicht über die Popularität Oviedos, der noch vor wenigen Wochen Umfragen zufolge auf 45 Prozent der Stimmen gekommen wäre und von vielen als Opfer einer Intrige betrachtet wird. Die parlamentarische Opposition, die Alianza Democratica, ein Zusammenschluß aus Partido Liberal Radical Auténtico sowie des sozialdemokratisch ausgerichteten Encuentro Nacional, zeigt sich beunruhigt. Ihr Präsidentschaftskandidat, der langjährige Führer der Liberalen, Domingo La'no, bezeichnete die vom Colorado anvisierte Verschiebung der Wahl als "staatlichen Putschversuch".

Auch die Nachbarländer Brasilien und Argentinien protestierten offiziell - unterstützt von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und dem Europa-Parlament. Die Verschiebung der Wahlen würde sowohl gegen die OAS-Charta verstoßen als auch gegen die Verfassung Paraguays. Diese sieht für die Wahlen einen Termin mindestens 90 Tage vor dem Ende der Amtszeit Wasmosys am 15. August vor. Der Urnengang könnte somit um maximal 10 Tage, keineswegs aber um die von den Colorados angestrebten 60 Tage verschoben werden. Der US-Sprecher James Rubin hat in einer Note vom 8. April bereits präventiv vor einem Putsch gewarnt und die Regierung aufgefordert, sich an demokratische Spielregeln zu halten.

Die Colorados können zwar darauf bauen, außerhalb der Städte ein festes, über Generationen gewachsenes Wahlklientel zu haben. Sicherheitshalber wird aber derzeit innerhalb der Parteiführung darüber diskutiert, paramilitärische Gruppen nach dem Modell der sogenannten "Stadtwachen" aus der Zeit der Stroessner-Diktatur zu gründen. Jene sollen die Interessen der Colorados, also der politischen Macht, verteidigen. Ob die Colorados zu diesem letzten Mittel greifen werden, bleibt abzuwarten. Die Alianza Democratica kann sich immerhin darauf verlassen, daß es wenig Raum für Wahlbetrug geben wird. Spezialisten der OAS haben das Wahlregister kontrolliert und werden auch in den Wahllokalen vor Ort präsent sein - falls die Wahlen wie vorgesehen stattfinden.