»Don't Believe the Hype«

Public Enemy treten wieder in Originalbesetzung an - mit Professor Griff, der vor acht Jahren nach antisemitischen Statements rausgeworfen wurde.

Neun Jahre nach dem spektakulären Streit um Professor Griff präsentiert sich die Rap-Gruppe Public Enemy wieder in der Originalbesetzung. Antisemitische Äußerungen von Richard Griffin aka Professor Griff hatten 1989 nach öffentlichen Protesten massive interne Auseinandersetzungen ausgelöst. Nach einer zehnmonatigen Kontroverse wurde Griff damals aus der Band verstoßen, in der er u.a. die Rolle eines "Informationsministers" gespielt hatte.

Auf dem letzte Woche veröffentlichten neuen Public Enemy-Album "He Got Game" (der Soundtrack zu dem gleichnamigen neuen Film von Spike Lee) ist Griff nun wieder mit von der Partie bzw. Party, und er wird wohl wieder bei dem für den Sommer angekündigten regulären Album dabei sein. Interessant ist, daß Griff, dessen musikalisches Mitwirken nur für drei von insgesamt 13 Songs nachvollziehbar ist, zwar im Booklet als reguläres Bandmitglied aufgeführt wird, bei den obligatorischen Grußadressen und auf dem Foto der Cover-Rückseite jedoch fehlt. Erstaunlich auch, daß seine "Rehabilitation" in der HipHop-Presse bisher nahezu unkommentiert bleibt. Auch wenn die kommerziellen Erwägungen dieser "Auferstehung" ("a true resurrection" heißt es auf dem Innencover) kein Geheimnis sind - nachdem HipHop in die Jahre gekommen ist, existiert heute ein lukrativer Oldiemarkt mit "Classic HipHop"-Samplern und CD-Wiederveröffentlichung; von Public Enemy erscheint eine "Archiv-Serie" mit Hits und unveröffentlichtem Material -, war der Rauswurf von Griff seinerzeit doch so bedeutend, daß seine kommentarlose Reaktivierung durchaus bemerkenswert ist.

Der erneute Auftritt in der ursprünglichen Besetzung wird wohl jene in ihrer Auffassung bestärken, die damals schon Griffs Antisemitismus für eine geschickt eingefädelte Skandalstrategie hielten. 1990 war Beobachtern aufgefallen, daß Professor Griff schon vor seinem endgültigen Rauswurf die Verträge für eine Solokarriere bei Luke Skyywalker unterschrieben hatte und daß sein erstes Album nur wenige Wochen nach diesen Ereignissen schon fertig war. Doch abgesehen davon, daß dann eben die Wahl des "Skandalthemas" antisemitisch wäre - andere Musiker demolieren einfach ein Hotelzimmer -, wurde dieser Rauswurf, was auch immer vor acht Jahren Chuck Ds Motive waren, damals doch von anderen nationalistischen Rap-Gruppen als Markierung einer Grenze wahrgenommen, die zu überschreiten für die weitere Karriere nicht folgenlos sein würde. Immerhin war Public Enemy die ton- und richtungweisende Rap-Gruppe dieser Zeit.

1986 noch Manager verschiedener Rap-Gruppen, wurde Griff vor allem wegen seiner Mitgliedschaft in der Nation of Islam (NOI), der er schon als Schüler beigetreten war, von Chuck D angeheuert. Von Griff kam die Idee, das Line Up von Public Enemy dem Sicherheitsdienst der NOI (Fruit of Islam) nachzuempfinden. Er entwarf die paramilitärische Bühnen-Choreographie, die mit der uniformierten Operettengarde Security of the First World umgesetzt wurde. Doch er wollte sich mit diesem ungewöhnlichen Music-Hall-Look nicht begnügen. In Verkennung des Unterschieds zwischen Agit-Pop und Politik, drängte es ihn, die Popularität von Public Enemy zur Verbreitung seiner antisemitischen Ideen zu nutzen.

Sein erster Versuch einer Überschreitung der Grenzen des Politpop-Feldes fand am 28. Mai 1988 statt, als er der britischen Zeitschrift Melody Maker zu Protokoll gab, was er von den Juden hält: "Wenn die Palästinenser zu den Waffen greifen und in Israel einmarschieren würden und alle Juden umbrächten, wäre das perfekt, denn die haben da nichts zu suchen." Dieses Interview rief jedoch ebenso wenig einen Kommentar hervor wie jenes, in dem er der Zeitschrift Sub Rock seine Privatmeinung über Schwule anvertraute: "Ich hasse niemanden, aber ich bin total gegen die Sachen, die sie machen. Viel Schlechtes kommt daher, Aids zum Beispiel. Das ist eine Strafe Gottes." Eine Marketingstrategie? Das Publikum von Public Enemy bestand zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich aus B-Boys. Was auch immer die von solchen Äußerungen gehalten haben mögen, sie kauften wegen sogenannten Inhalten weder mehr noch weniger Platten.

Die Reproduktion solcher Stil- und Konsumgemeinschaften schließt ernsthafte politische Diskussionen strukturell aus. Eine politische Position kann innerhalb solcher Konsumentengemeinschaften nur als Geste der Distinktion verstanden werden. Zum "Ausdiskutieren" gibt es keinen Anlaß und auch keinen Ort. Bedeutung geben konnte Griffs Antisemitismus daher nur die politische Öffentlichkeit. So, wie Politik im Pop nur nach den Bedingungen des Popfeldes relevant werden kann, können die Äußerungen eines Popmusikers nur nach den Regeln politische Bedeutung erlangen, die im Politikfeld gelten. Und Antisemitismus, geäußert von einem Musiker, der ein Millionenpublikum erreicht, ist eine explizit politische Angelegenheit. Hier wird nicht Pop politisch, vielmehr entsteht die Gefahr einer hegemoniefähigen interdiskursiven Formation, weil antisemitische Diskurse im Pop unter bestimmten Umständen mit entsprechenden politischen Bestrebungen kompatibel werden.

Die gewünschte Aufmerksamkeit erreichte Professor Griff dann auch erst ein Jahr später, als die Washington Times ein Interview veröffentlichte, in dem Griff Analogien zwischen "jew" (Jude) und "jeweller" (Juwelier) auf ähnliche Weise konstruierte, wie der Ku Klux Klan von "JerUSAlem" spricht. Für Griff ist "die Mehrheit des Mülls, der überall auf der Welt regiert", den Juden anzulasten. Chuck D wiegelte zunächst ab: "Wir haben ihm erklärt, daß so etwas überhaupt nicht unser Stil ist." Im Juni 1989 erklärte er auf einer Pressekonferenz: "Griffs Äußerungen entsprechen nicht unserer politischen Meinung. Wir sind keine Antisemiten. Griff hat uns sabotiert, das war ein interner Absprachefehler, und wir hätten dieses Problem gern im Privaten gelöst." Nach vielen widersprüchlichen Äußerungen erklärte Chuck D schließlich, er habe Griff gefeuert. In den US-amerikanischen HipHop-Zeitschriften wurde ihm daraufhin vorgeworfen, Griff geopfert zu haben, um seine eigene Karriere zu retten. Chuck D verhandelte damals gerade mit CBS und MCA wegen seines eigenen Labels. Währenddessen organisierten antirassistische Initiativen und jüdische Selbstverteidigungsgruppen am Premierenabend des Films "Do the Right Thing" eine Demonstration gegen Public Enemy.

Am 23. März 1990 tritt Griff zum letzten Mal mit Public Enemy auf - in der Brixton Academy in London. Danach gründet er die Last Asiatic Disciples. Auf dem ersten Album "Pawns In the Game", das musikalisch völlig bedeutungslos ist, bekennt Griff erneut, daß einer seiner Helden Idi Amin heißt. Dessen Antisemitismus hatte ihm schon immer imponiert: "He rounded up all the Jews and murdered them, when they tried to sneak into Uganda and take the land." Trotz solcher Bekenntnisse wurde Griffs fanatischer Antisemitismus von den meisten Musikzeitschriften heruntergespielt. In einer Hamburger Black Music-Zeitschrift wurde Griff kumpelhaft als "Skandalnudel" bezeichnet. Einige deuteten sogar zwischen den Zeilen an, "einflußreiche jüdische Kreise" wollten Public Enemy zu Fall zu bringen. Der Übergang zur klassischen Stereotype von der verschwörerischen Macht des "Weltjudentums" ist offenbar schnell zur Hand.

Die unabhängig von Professor Griff bei Public Enemy existierenden verschwörungstheoretischen und daher auch potentiell antisemitischen Momente in der Preach & Teach-Strategie von Public Enemy sind seit Jahren bekannt. Der Antisemit Louis Farrakhan wird auch auf dem neuen Album besungen. Bundesdeutsche Popmedien haben sich selten daran gestört, nachdem ihnen ohnehin alles, was sie für eine "schwarze Äußerung" halten, eher exotisch vorkommt. Darin geübt, noch die fragwürdigsten Statements aus HipHop-Land entweder gut zu finden oder wenigstens wegerklären zu können, empfand man Public Enemy erst als problematisch, als mit Chuck Ds Gangsta-bashing auf dem 1994 erschienen Public Enemy-Album "Muse Sick N Hour Mess Age" eine neue Situation entstanden war: Weil Chuck D damals den affirmativen Blick aufs Ghetto kritisierte und davon berichtete, wie Onkel Tom zum Studio-Gangster wurde - zum "slave to the rhythm of the master" -, galt er plötzlich als Spielverderber. Erst jetzt entdeckten einige Rap-Fans, die mit dem kulturellen Black Nationalism nie ein Problem hatten, bei Public Enemy einen gewissen "nationalistischen Moralismus".

Die praktische "Rehabilitation" von Professor Griff wird heute keine größeren Kontroversen mehr auslösen. Als öffentliches Thema ist Griffs Antisemitismus uninteressant geworden, nicht nur, weil Griff als Künstler im Aus gelandet ist, sondern auch, weil der gerappte Kulturnationalismus zu deutlich der Logik des Geschäfts folgt. Der naive Newcomer-Enthusiasmus der frühen Tage, als sich viele Musiker noch einbilden konnten, sie würden via Pop das gleiche tun wie seinerzeit Malcolm X auf den Straßen von Harlem, nur eben massenwirksamer und finanziell einträglicher, ist unwiderruflich dahin. Im Pop gibt es keine Diskussionen. Die einzige Erfahrung, die zur Korrektur einer eingenommenen "Position" (in Wirklichkeit: eines Images) führen kann, ist die Erfahrung sinkender oder steigender Umsatzzahlen.

Was Griff oder Chuck D als Privatmenschen wirklich denken, ist daher relativ gleichgültig. Die Konsequenzen, die Chuck D 1990 aus Griffs persönlichem Antisemitismus ziehen mußte, wurden ihm letztlich von außen aufgezwungen. Chuck D mußte gegen Griff wieder die Unterscheidung zwischen dem kalkuliertem Image der Gruppe und den privaten Meinungen durchsetzen. Zum Design der Band gehören die kalkulierten und standardisierten Politparolen, die Chuck D sich auch für das neue Album wieder abgerungen hat. Daß sie heute deutlicher als Trademark-Zeichen kenntlich sind, liegt außerhalb von Chuck Ds Einflußmöglichkeiten.

Die Konjunktur des Agit-Pop ist vorbei, seit der "schwarze" Kulturnationalismus sich als weitere neoliberale Stimme in den politischen Mainstream einfügt und entsprechend finanziell vergütet wird. Jetzt geht es vor allem um Bestandssicherung. Die Images von gestern stehen nun im Dienst des Erhalts des Lebensstandards und der Altersversorgung der Musiker selbst. Die Wiederherstellung der Originalbesetzung von Public Enemy wird deshalb nicht zur Wiederbelebung des offenen Antisemitismus von 1990 führen. Weil es bei dieser Reunion in erster Linie um die Vermarktung des Backkatalogs geht, wird Griff klug genug sein, diesmal die Klappe zu halten. Und das können heute, nachdem auch die Fans von damals das geschäftliche Denken eingeübt haben, alle gut verstehen. Der Streit um den Antisemitismus im Rap hat sich auf eine eigenartig pragmatische Weise erledigt. Weil er im nachhinein als ungeschickte Imagestrategie erscheint, braucht sich nun niemand mehr über Griffs vorsichtiges Comeback zu ereifern. So wird der Antisemitismus abermals heruntergespielt.