Was ist ein Arbeitnehmer?

In Dänemark hat die Regierung einen zweiwöchigen Streik per Gesetz beendet, die Gewerkschaften protestieren dagegen

Welche gehamsterten Lebensmittel kann man lange aufbewahren? Und welche werden nach Wochen gesundheitsschädlich? Dies sind die Fragen, die die Tageszeitung Berlingske Tidene nach dem Ende des fast zwei Wochen andauernden Streiks in Dänemark in der vergangenen Woche ihren Lesern stellte. Viel mehr über die Folgen des Ausstandes wurde allerdings nicht geschrieben. Vor allem in den konservativen Blättern hielt man sich mit Häme über die im Konflikt unterlegenen Gewerkschaften merklich zurück, obwohl die meisten dänischen Zeitungen und Zeitschriften fast 14 Tage lang nur als Internet-Ausgaben erscheinen konnten.

Im Gegensatz zu den Journalisten zeigen sich die dänischen Gewerkschaften nicht besonders gelassen über das vom sozialdemokratischen Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen Ende letzter Woche per Gesetz erzwungene Streikende. Der Sozialdemokrat hatte sich am 4. Mai entgegen seiner vorher geäußerten Absichten zum ersten Mal in den Streik eingemischt und festgestellt, daß es "keine Fortschritte in den Verhandlungen gegeben habe". Die Verhandlungspartner wurden aufgefordert, "ihrer Verpflichtung, den Konflikt so schnell wie möglich zu beenden", nachzukommen. Zuvor hatten die Arbeitgeber 30 000 Beschäftigte im Groß- und Einzelhandel ausgesperrt, so daß zahlreiche Supermärkte und Geschäfte nur einen Notbetrieb mit ungelernten Kräften aufrechterhalten konnten.

Nyrup Rasmussen forderte die Einsetzung eines unabhängigen Schlichters. Die Tarifparteien könnten somit beweisen, daß ihnen an einer Lösung gelegen sei. Am 6. Mai, nachdem die Gespräche zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften erneut ergebnislos vertagt worden waren, kündigte er schließlich an, daß die Regierung den Streik per Gesetz beenden werde. Zuvor waren die neuesten Umfrage-Ergebnisse für die am 28. Mai stattfindende Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Amsterdam veröffentlicht worden. Danach war die Mehrheit der Befürworter auf 48 Prozent gestiegen, nachdem die Vertragsgegner im letzten Monat Stimmengewinne hatten verbuchen konnten. Nyrup Rasmussen, dem die Gewerkschaften zu Streikbeginn angedroht hatten, im Falle seines Eingreifens ihre Mitglieder aufzufordern, den Vertrag abzulehnen, fühlte sich daraufhin wohl sicher genug, einen Gesetzentwurf zur Beendigung des Streiks zu formulieren, der dann auch am Donnerstag letzter Woche ins Parlament eingebracht wurde. Darin werden den Arbeitnehmern zwei zusätzliche freie Tage plus drei Tage Familienfreizeit zugebilligt.

Ganz einfach war dieses Gesetz den Sozialdemokraten nicht gefallen, gab es doch erhebliche Schwierigkeiten, den in Frage kommenden Personenkreis zu definieren. Am Ende übernahm man den Text eines älteren Schlichtungsvorschlags, in dem es um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gegangen war, und erklärte diejenigen zu Arbeitnehmern, die in den letzten anderthalb Jahren sechs Monate am Stück beschäftigt waren. Diese Regelung schließt jedoch nach Ansicht der Sozialistischen Volkspartei (SF) 20 Prozent aller Dänen aus. Trotzdem wurde das Gesetz von 95 Abgeordneten, darunter die aller bürgerlichen Parteien, angenommen, die zwölf linken Parlamentarier der SF und der Enhedslisten stimmten gegen den Regierungsvorschlag. Die rechtsextreme Dansk Folkeparti enthielt sich.

Für die Gewerkschaften, die nach 13 streikfreien Jahren über volle Kassen verfügten und die angekündigt hatten, einen Ausstand mehrere Wochen durchhalten zu können, ist das erzwungene Streikende eine klare Niederlage, zumal Nyrup Rasmussen versprochen hatte, sich nicht in den Konflikt einzumischen. Gewerkschaftschef Hans Jensen erhob entsprechend schwere Vorwürfe gegen den sozialdemokrtischen Regierungschef. "Wir hatten während des gesamten Streiks keinen Kontakt", äußerte er, "und das ist mit ein Grund dafür, daß die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern scheiterten." Der politische Druck auf die Tarifpartner, rasch zu einem Abschluß zu kommen, sei sehr stark gewesen, sagte Jensen, aber als dann der Staatspräsident öffentlich erklärt habe, nicht länger warten zu wollen und ein gesetzliches Ende des Streiks herbeizuführen, habe man sich nicht mehr um eine Lösung bemüht. Jensen wies die Vorwürfe des Regierungschefs zurück, der erklärt hatte, die Verhandlungen hätten in einer Sackgasse gesteckt, weil es den Verhandelnden beider Seiten an weitreichenden Vollmachten gefehlt habe. In einem am letzten Wochenende geführten Interview erklärte er zudem, Nyrup Rasmussen sei zu keinem Zeitpunkt über den Fortgang der Verhandlungen unterrichtet gewesen und könne daher deren Stand kaum beurteilen.

Einfach hinnehmen wollen die Gewerkschaften ihre Niederlage nicht. Demonstrationen sowie Proteststreiks gegen das Streikende - nach dänischem Recht illegal - waren zwar schlechter besucht als von den Gewerkschaften erwartet, doch machen deren Funktionäre dafür das verlängerte Wochnende verantwortlich, das die Dänen zu Kurzurlauben genutzt hätten. Immerhin gab es ab Donnerstag wieder überall Benzin zu kaufen.

Auch Umfrageergebnisse, wie eine von der Zeitung Jyllands-Posten am vergangenen Freitag veröffentlichte Befragung des Sonar-Institutes, nach der 74 Prozent der Dänen erklärten, sie hielten den Eingriff der Regierung für richtig, beeindruckten die Gewerkschaftsvertreter nicht. Einige Fachverbände kündigten an, eine Klage bei den Vereinten Nationen einzureichen, da das Vorgehen der Regierung eine Verletzung der Menschenrechte sei.