Plebiszit für den General

Raœl Cubas Grau siegt bei den Präsidentschaftswahlen in Paraguay. Hinter ihm steht der gescheiterte Putschgeneral Oviedo

Der wahre Sieger ist ein Knacki: Ihr Gatte sei "sehr glücklich über den Sieg der Colorados", erklärte Raquel Mar'n, die Ehefrau Lino Oviedos, vor Sympathisanten des charismatischen Militärs, die sich nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen vor den Toren der Infanteriebasis versammelt hatten. Dort sitzt Oviedo zur Zeit ein, nachdem ihn ein Militärgericht für seinen versuchten Staatsstreich im April 1996 zu zehn Jahren Haft verurteilt hatte.

Oviedo, ein Erzfeind des derzeitigen Staatsoberhaupts Juan Carlos Wasmosy, hatte bei den internen Vorwahlen der Colorado-Partei im vergangenen Oktober einen klaren Sieg eingefahren, bevor auf Betreiben von Staatspräsidium und Armeeführung die zuvor bereits eingestellten Straf- und Disziplinarverfahren neu aufgerollt wurden und Oviedos Kandidatur schließlich durch den Schuldspruch eines Militärtribunals vereitelt worden war. Doch nachdem das verbale und juristische Kräftemessen zwischen Kandidat und Präsident die Colorados zeitweise an den Rand einer Wahlniederlage und das Land an den Rand einer handfesten Verfassungskrise gebracht hatte - Regierung und Armee versuchten noch bis vor wenigen Wochen, durch Druck auf das Oberste Wahltribunal die verfassungswidrige Verschiebung der Präsidentschaftswahlen zu erreichen -, einigte sich die zerstrittene Autokratie schließlich auf eine Kompromißformel mit dem Oviedo-Vertrauten Raœl Cubas Grau als Präsidentschafts- und dem Verlierer der Vorwahlen, dem Parteiveteranen Luis Mar'a Arga-a, als Vizepräsidentschaftskandidaten.

Hatte die Oppositionskoalition aus bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien mit dem früheren Regimegegner und Exilanten Domingo La'no an der Spitze noch bis kurz vor der Auszählung darauf gehofft, von der desolaten Verfassung der Colorados profitieren und die Staatspartei zum ersten Mal seit 51 Jahren an den Urnen besiegen zu können, legte diese nach der Nominierung Cubas' sogar noch einmal dazu. Das vorläufige offizielle Endergebnis verzeichnete 54 Prozent für die Colorados und lediglich 42, 5 Prozent für die Opposition, die damit insgesamt zehn Sitze weniger in beiden Kammern des Parlaments erhält als in der vergangenen Legislaturperiode. Die Regierungspartei gewann auch mindestens zwei der fünf bislang von der Opposition geführten Provinzen hinzu, in drei weiteren kam es zu Kopf-an-Kopf-Rennen.

Oppositionsführer La'no, der im Wahlkampf auf vage Konsensformeln und staatsmännisches Auftreten gesetzt hatte, beklagte zwar zunächst Wahlbetrug von seiten der Regierung, gestand jedoch bereits zwei Tage nach dem Urnengang die Gültigkeit seiner Niederlage ein. Auch César Gaviria, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die 60 Beobachter nach Paraguay entsandt hatte, sprach von einem einmalig korrekten Wahlverlauf.

In den letzten Wochen vor der Wahl hatte Cubas Grau seine Wahlhelfer in großem Stil den Slogan "Cubas an die Regierung, Oviedo an die Macht" plakatieren lassen, um die enorme Popularität des Generals bei der armen und ländlichen Bevölkerung und bei den mehreren hunderttausend Staatsbediensteten und ihren Familien für sich zu nutzen. Noch in der Wahlnacht erinnerte der designierte Präsident an sein einziges konkretes Versprechen, die Freilassung Oviedos, betonte jedoch, er werde auch in diesem Falle über die komplette Legislaturperiode amtieren und lediglich die Hilfe seines Mentors in Anspruch nehmen.

Offenbar ist dies einstweilen die Kompromißformel, auf die sich die verschiedenen Fraktionen der klientelistischen Staatspartei verständigt haben, unter denen der scheidende Präsident Wasmosy und die derzeitige Armeeführung eher für die mit multinationalen Investoren verbundenen Sektoren stehen, die 1989 die korporatistische Dikatur General Stroessners zu Fall gebracht hatten. Oviedo, der mit Drogengeschäften und Produktpiraterie in Verbindung gebracht wird, und sein Strohmann Cubas Grau, einer der schwerreichen "Ingenieurbarone", die verdächtigt werden, beim Bau des Wasserkraftwerks Itaipœ enorme Summen auf eigene Konten umgeleitet zu haben, zählen dagegen vorwiegend auf Mitglieder unterer Offiziersränge, Staatsbedienstete und kleine Unternehmer der lukrativen Parallelökonomie um die Schmuggelhochburg Ciudad del Este, die befürchten, bei einer weiteren Öffnung auf den Mercosur ihrer halblegalen Privilegien beraubt zu werden.

So wird das Wahlergebnis vor allem zu internen Kräfteverschiebungen auf seiten des Regierungsoligopols führen. Großer Verlierer ist in jedem Fall die Oppositionsallianz, deren Klientel vor allem aus der kleinen städtischen Mittelschicht und einem Teil des exportorientierten Unternehmertums besteht. In Paraguay - einem Land mit einer funktionalen Analphabetenquote von 60 Prozent, einer beispiellosen Konzentration des Land- und Viehbesitzes und einem Anteil von fast 50 Prozent der aktiven Bevölkerung im informellen Sektor - scheint ein liberal-konstitutionalistischer Diskurs, der die Korruption als einzigen Verantwortlichen der Krise dingfest machen und durch mehr Demokratie und Transparenz bekämpfen will, zwar zunehmend auf Wohlwollen ausländischer Investoren zu stoßen, aber an den Problemen der Bevölkerungsmehrheit vorbeizugehen. Oppositionsführer La'no, der mit Vorhaben zur Modernisierung der Agrarexportwirtschaft, zur Teilprivatisierung personalintensiver Staatsbetriebe und zur fiskalischen Öffnung auf Mercosur und EU angetreten war, unterlag damit zum dritten Mal bei Präsidentschaftswahlen gegen rechtspopulistische Kandidaten mit paternalistisch-korporatistischen Botschaften.

Wie im Nachbarland Bolivien, das im vergangenen Jahr den Ex-Diktator Hugo Banzer zum Präsidenten wählte, wurde auch in Paraguay mit dem Plebiszit für General Oviedo ein autoritäres "starkes" Führungsmodell an den Urnen bestätigt, das gerade aufgrund seiner nachgewiesenermaßen repressiven Tendenz für fähig befunden wird, dem internationalen Druck zur Beseitigung der Schwarzmarkt-Ökonomie zu begegnen und dennoch das Grassieren der Korruption in den traditionell vertretbaren Grenzen zu halten. Doch weil mit diesem Votum nicht die Kopie Cubas, sondern das Original Oviedo gemeint ist, dürfte es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis in Paraguay die nächste Staatskrise ausbricht.