Staubsaugergeschichte

Wollmaus im Haus

"In einem gepflegten Haushalt, wie in einem modernen Geschäft, in einer einladenden Gaststätte, in öffentlichen Gebäuden, im Theater oder Kulturhaus: Ein hochglänzender Fußboden ist immer die beste Visitenkarte. Am spiegelblanken Fußboden sieht jeder auf den ersten Blick, woran er ist." (Werbung für den Nante-Bohner des VEB Elektromotorenwerk Wernigerode, 1959).

Neulich hatte ich Besuch. Kurz verlor ich ihn aus dem Blickfeld, dann fand ich ihn wieder. Er stand zwischen Abstellkammer und Gemeinschaftszimmer und meinte: "Hier riecht's ja nach Osten!" Ist uns dies jetzt Pflicht und Aufgabe bei der Erledigung der "großen Kehrwoche"? Nein. Verstohlen huscht der Besen, wo doch Schrubber, Wischmop, Bohner und Staubsauger kraftvoll tätig werden sollen. Wolln se aber nich. Meine Haushaltshilfe, der stumme Diener, die Freunde der Hausfrau, Erleichterung für unsere Muttis, der Steppke und auch der Filius, die machen es einfach nicht, wenn man es ihnen sagt. Als ich meinem festen Wunsch und Willen vermittels eines Fußtritts Ausdruck verleihen wollte, hätten Schlauch und Kabel eines renitenten Bodenstaubsaugers mich um ein Haar mit in den Abgrund gerissen. Aus Schaden klug und der Elektroindustrie sowie sowieso der ganzen Atomlobby und den allen durch und durch kritisch gegenüberstehend, beschloß ich, die Sache auszusitzen. Zuerst war alles wie immer. Die Freunde mit Hausstauballergien und sonstigen Empfindlichkeiten kamen seltener, die Wollmäuse in den Ecken verstanden sich umso besser mit dem Lurch unterm Schrank. Vereinsamend griff ich zu meiner Ratgeberliteratur. Der VEB Fachbuchverlag Leipzig wollte mir mit Rat und Tat schon 1971 zur Seite stehen: "Versuche ergaben, daß durch Abbürsten von Teppichen große Mengen von Staub und Keimen aufgewirbelt und für den Menschen schädlich wirksam werden."

Da stand es schwarz auf weiß: Ich darf mich auf gar keinen Fall körperlich betätigen. Bloß nicht bewegen, sonst stehe ich mit einem Beine schon im Grabe - alles linke Hetze! Menschenversuche - ekelhaft. Ich blättere weiter, doch die Fachwelt kommt zu einem einhelligen Urteil: "Wir wissen, daß dieser Schmutz aus Millionen Mikroben und Krankheitserregern besteht, und wer ihn nur einmal durch das Mikroskop gesehen hat, wird seinen Teppichbelag wohl am liebsten für immer entfernen." (Clara Ebert, 1922)

Och menno, mag nich aufm Estrich sitzen, und scheiße-teuer war die Auslegware auch. Die Lage ist verzweifelt. Ich sortiere die Schmutz- und Schundliteratur wieder in mein Bücherregal und leg mich erstmal schlafen - nachdenken. Träume von Staubbesen mit ölgetränkten Fransen, Bohnerwachs und Staubsaugerbeutel, die Hand in Hand durch die Magdeburger Börde wandern. Heizkörperbürsten, Fugensaugstücke und Polsterpflegeaufsätze glänzen in der Abendsonne.

"Abgestaubt - Zur Entwicklungsgeschichte des Staubsaugers". Bis zum 28. Juni im Technikmuseum Magdeburg, Dodendorfer Str. 65, Tel. 0391 - 622 39 06, mittwochs bis sonntags 10 bis 17 Uhr