Bayernurteil

Als Schlag gegen die Kinderpornographie will es ein bayrischer Richter verstanden wissen, als Schlag gegen den Technologie-Standort Deutschland faßt es die Medienbranche auf, und Kommentatoren in den USA erkennen einen Schlag gegen die Meinungsfreiheit. Mit der überraschenden Verurteilung des ehemaligen deutschen Compuserve-Chefs Felix Somm zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung wegen Verbreitung von Kinderpornographie im Internet hat sich die bayrische Justiz in jedem Fall lächerlich gemacht, da das Internet-Urteil über die Grenzen des bayrischen Gerichts hinaus für den weltweiten Datenaustausch keinerlei Relevanz hat. Ob das einsame Richterurteil überhaupt rechtskräftig wird, ist fraglich. Laut einem 1997 erlassenen Gesetz sind die Online-Dienste nicht für die Inhalte verantwortlich, zu denen sie lediglich einen technischen Zugriff verschaffen.

Auch die EU-Kommission sei über den Richterspruch "erstaunt", sagte ein Sprecher des für Telekommunikationsfragen zuständigen EU-Kommissars Martin Bangemann in Brüssel. Es zeige aber die Notwendigkeit, international einheitliche Bestimmungen für die Verantwortlichkeit von Online-Anbietern festzulegen. Die Online-Manager selbst übten scharfe Kritik an dem Münchener Spruch, betonten aber zugleich, daß das lokale Urteil keine Auswirkungen auf die Dienste besitzt. Trotz dieser Versicherungen fürchten sie den Imageverlust der Branche im Ausland. Aus Sicht der USA begeht Deutschland den Fehler, die Entwicklung des Online-Geschäfts zu stark zu reglementieren.

"Viele sagen, daß Europa generell beim Internet hinterherhinkt. In Deutschland bergen speziell die vielfältigen Regelungen zum Persönlichkeits- und Datenschutz die Gefahr, daß dieses Land ins Hintertreffen gerät." Deutsche Onliner nutzen inzwischen die Diskussion, um für den zügigen Abbau der lästigen Regelungen zu werben. Abschaffen möchte man die sogenannten Piloten, die kontrollieren, ob in den Chat-Räumen Pornographie angeboten wird oder Raubkopien gehandelt werden. Auch die Jugendschutzbeauftragten, die bei AOL oder T-Online über die Einhaltung des gesetzlichen Rahmens wachen, möchten die Onliner vor die Tür setzen.