Versöhnung für 480 Mark

Historische Chancen sah Helmut Kohl vergangene Woche in Polen. Dazu gehöre die Aufnahme Polens in die Nato 1999 und der für 2002 geplante Beitritt zur EU, und im allgemeinen eine deutsch-polnische Beziehung "im Geiste der Versöhnung, der Verständigung und der vertrauensvollen Nachbarschaft auszugestalten". Wichtige Brücke zwischen beiden Ländern seien dabei die deutschen Minderheiten in Polen. Deutsche Lobbyisten dieser Minderheiten hatten allerdings im Vorfeld für Irritationen gesorgt. Sie sahen die Chance, in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Polen die Eigentumsansprüche Vertriebener zur Sprache zu bringen.

Eine andere historische Chance ist wohl bald endgültig verpaßt. Auch bei dem jüngsten Besuch kam es zu keiner Regelung für polnische NS-Opfer. Vertreter von ehemaligen Zwangsarbeitern hatten den polnischen Ministerpräsidenten deshalb aufgefordert, Kohl nicht die Hand zu reichen, solange keine Entschädigungsregelung getroffen sei. Osteuropäische NS-Opfer sind von gesetzlichen Entschädigungsansprüchen bisher ausgeschlossen. Lediglich eine 1991 gegründete Stiftung "Deutsch-Polnische Versöhnung" hat bisher etwa 500 000 polnischen NS-Opfern eine einmalige "humanitäre Hilfe" von umgerechnet 480 Mark ausgezahlt.