49. Endlich Revolution

Fortgesetzte Erzählungen

Sieben mal sieben ist ganz feiner Sand und damit rühren wir jetzt einen geschmeidigen Mörtel an, um das letzte Kapitel zu verputzen, das nur deshalb vorgezogen wird, weil sieben mal sieben auch 49 ergibt.

What's the matter? Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Das Ergebnis der Bundestagswahlen vom 27. September 1998 läßt nur eine große Koalition aus PDS, SPD und Grünen zu. Bundeskanzler wird Gregor Gysi, den Verein für Deutschtum im Ausland leitet in Zukunft Gerhard Schröder, Verteidigungsminister wird Joschka Fischer, Schily übernimmt das Hackfleischamt, Gustav Seibt wird Botschafter im alten Athen und so weiter.

Während im Thälmannpark der Koalitionsvertrag unterzeichnet wird, sagt der Freistaat Bayern sich von der Bundesrepublik los und beantragt seine Aufnahme in die Nato und Uno als selbständiger Staat. Nationalhymne: "Land der Seen und der Wiesen, Land der Berge und der Riesen, BMW und Bayernland reichen aller Welt die Hand."

Zu den ersten Amtshandlungen von Gregor Gysi gehört die Verhängung des Bundesvollzugs gegen das abtrünnige Land. Mit dem Oberkommando der deutschen Streitkräft beauftragt er Oskar Lafontaine. (Die Parteispitzen von CDU und FDP fliehen nach London, die bayerische Regierung setzt sich ab nach Budweis, der BND eröffnet eine Notzentrale in Genf, die USA verhängen ein totales Embargo über Restdeutschland etcetc.)

Was lesen wir nun in der Washington Post, der Wiener Kronen Zeitung, dem France-Soir etcetera um Ostern 1999?

Kampf um letzte Bastionen, Gespräche zwischen Bayern und Deutschen ungewiß. Regierungssprecher Bissinger warnt Tschechien davor, die weißblauen Terroristen zu unterstützen. Prima Klima zwischen Haider und Stoiber.

Die bedrängte bayerische Befreiungsarmee (BBA) hat am Montag versucht, die wenigen ihr verbliebenen Stützpunkte in Niederbayern und der Oberpfalz gegen deutsche Truppen zu verteidigen. In mehreren Orten gab es bei Gefechten Tote. Nach Angaben der Bayern gab es heftige Kämpfe in der Nähe von Pölzöd um das strategisch wichtige Dorf Aiglzöd, wo die BBA ihre Positionen halten konnte.

Deutsche Einheiten belagerten außerdem das Dorf Windischgauweiler. Dort hatte die BBA traditionell einen ihrer größten Stützpunkte. 400 Zivilisten seien eingeschlossen, berichtete das weißblaue Informationszentrum in Königsgrätz. Zwei Frauen und ein Mann seien getötet worden. Die Äppelwoi-Vandalen schändeten sogar das Denkmal des Dichters Wolfram von Eschenbach, berichtete ein Lehrer für bayerische Volkskunde unter Anspielung auf eine in der Oberpfalz wütende Brigade Thomas Müntzer, die von dem berüchtigten Major Anton Wurz geleitet wird.

Die Deutschen berichteten dagegen über Gefechte mit der BBA in dem Dorf Hintersbrunst, bei denen drei BBA-Kämpfer getötet worden seien. Auch an der Straße zwischen Wurmsgefäll und Pullersreuth seien bei heftigen Kämpfen vier Spreewälder Polizisten getötet worden. Nach Gefechten im Dorf Niedergesäßbach wurden nach Angaben des Informationszentrums vier Bayern getötet. Häuser wurden niedergebrannt. In Pistlwieshofen setzten die Deutschen den BBA-Kämpfern und Einwohnern zunächst ein Ultimatum. Allein aus diesen beiden Dörfern seien 15 000 Zivilpersonen vertrieben worden, hieß es.

In Vilshofen traf unterdessen der US-Diplomat Christopher Hill ein, der die Bayern zur Annahme eines Plans der Deutschland-Kontaktgruppe bewegen will. Er sprach mit dem gemäßigten Führer der Bayern, Alfons Pischetsgwichtl. Treffen mit weiteren, nicht genannten Gesprächspartnern waren geplant. Die Aussichten auf Friedensgespräche sind weiter unsicher, obwohl eine moderate Fraktion der BBA am Wochenende Bereitschaft zu Verhandlungen signalisiert hatte.

Der britische Außenminister Robin Hook verurteilte, daß bei der deutschen Offensive gegen die BBA auch Zivilisten zu leiden hatten. Besonders beunruhigend empfinde er, daß Äcker angezündet worden seien, um eine Rückkehr geflohener Menschen zu verhindern. "Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, ist, daß beide Seiten unter internationaler Vermittlung an den Verhandlungstisch kommen und eine zufriedenstellende Übereinkunft aushandeln", sagte Hook.

Mit dem Leid der bayerischen Zivilbevölkerung beschäftigt sich auch der Autor der Exil-taz. Das Städtchen Zwiesel, einst Hochburg der BBA und mit Flüchtlingen überfüllt, ist menschenleer, das Zentrum ausgebrannt. Nur Vieh streunt über die Straßen, Hunde sitzen zersaust vor den Häusern und warten auf die Rückkehr ihrer geflohenen Herren. Seit Wochen irren die Vertriebenen umher, Audi an Audi, voll beladen mit Menschen, Luftmatratzen und Kartoffelchips.

"Scheiß-England, Scheiß-Amerika!" ruft eine Gruppe Jugendlicher, wütend über die ausbleibende Hilfe des Westens. Die internationale Gemeinschaft sei doch längst ein Komplize von Gregor Gysi und Konsorten geworden. Auf den nahen Hügeln über dem Regen lodern gespenstisch die Feuer von sechs gerade eroberten Dörfern. "Die Deutschen zerstören systematisch bayerische Dörfer", hat Mons Nybirg vom Uno-Flüchtlingskommissariat beobachtet, "nicht als Folge der Kämpfe, sondern einer planmäßigen Zerstörungskampagne."

Der Reporter von Dagens Nyheter hat die Stadt Weiden in der Oberpfalz besucht, wo Angehörige der Hamburger Brigade Roter Hafen zahllose Menschenrechtsverletzungen verübt haben.

In der Kellerluke, in der sie den Donisl fanden, klebt immer noch eine vertrocknete Blutlache. "Hier habe ich meinen Bruder entdeckt", erzählt Sepp Bierpfotzler, 61, von Weinkrämpfen unterbrochen. "Nur am Schlüsselbund konnte ich seinen Leichnam identifizieren. Er war völlig entstellt."

Der Bierpfotzler Seppl und seine Familie waren in den nahen Böhmerwald geflohen, als braunschweigische Polizisten und münsterländische Grenadiere mit mehr als sechzig Panzern vor Weiden anrückten, um den Ort (davon nur knapp zehn Nicht-Bayern) wieder in ihre Gewalt zu bringen. Wenige Tage zuvor hatten Kommandos der bayerischen Volksbefreiungsarmee einen Teil der Stadt erobert.

Sepp begrub seinen Bruder Donisl im Garten. Doch die Leichen der übrigen Familienmitglieder sind verschwunden. "Vielleicht sind sie nicht einmal mehr am Leben", schluchzt der Bierpfotzler.

"Mindestens fünfzig Zivilisten wurden in unserem Stadtbezirk am Ufer der Waldnaab verscharrt", bestätigt ein schmächtiger Mann. Dann winkt er den Besucher hastig in ein ausgebranntes Gebäude. Kein Oberpfälzer will sich mit einem Deutschen sehen lassen. Hannoveraner in Zivil suchen pausenlos nach Verdächtigen, die dann mit Foltern und Prügeln zu Aussagen über BBA-Angehörige und ihre Verstecke gezwungen werden.

Eine morsche Tür führt unter herabhängenden Balken und Kabeln in einen Hinterhof. Dort diskutieren Männer, die den Gegenschlag der Deutschen - versteckt in Kellern - überlebten. Alle sind sich einig. Zwischen 300 und 500 Einwohner seien bei der Einnahme von Weiden getötet worden, wo einst Thomas Mann und Max Reger wandelten.

Aber wo sind die Leichen? Massengräber werden bei Konnersreuth und am Dreifaltigkeitsberg vermutet - Orte, die den frommen Oberpfälzern heilig sind und wo sie nicht nachzugraben wagen. Zeugen wollen nachts Land Rover und Subaru-Jeeps, beladen mit leblosen Körpern, gesehen haben.

Bei Einbruch der Dunkelheit wird auch Bayreuth, das noch vor wenigen Monaten als Musterbeispiel deutsch-bayerischen Zusammenlebens galt und seinen Ruf sogar einem Sachsen verdankt, eine Geisterstadt. Brandenburgische und lippische Scharfschützen postieren sich auf dem Festspielhaus, von wo aus sie das gesamte Stadtgebiet im Visier haben und feiern ihre wüsten Feste in der berühmten Villa Wahnfried, die sie kurz und klein geschlagen haben.

Bis zum Morgengrauen dröhnen Salven aus ihren Maschinenpistolen, mit denen sie ihre nationalistischen Volksgesänge bekräftigen. So sollen nicht nur die verbliebenen Oberfranken eingeschüchtert werden. Es ist auch ein Signal für die 15 000 Geflohenen im Fichtelgebirge, daß ihre Rückkehr trotz internationaler Bemühungen und der Sicherheitsgarantien des deutschen Bundeskanzlers Gregor Gysi nicht erwünscht ist.

Nächste Woche: "Franzosen im Tschad"