Di Bella und die Postfaschisten

Die italienische AN versucht, die Popularität eines Scharlatans für sich zu nutzen

Für weltweites Aufsehen hat in den letzten Monaten eine auf Hormonbasis beruhende Behandlungsmethode gegen Krebs gesorgt. Sie war von Luigi Di Bella, einem 80jährigen Professor aus Modena, entwickelt worden. Allein, der von der italienischen Gesundheitsministerin Rosy Bindi angeordneten tumorwissenschaftlichen Überprüfung hielt das Therapieverfahren nicht stand. Demnach ist es einfach wirkungslos.

Das Präparat Di Bellas besteht in der Hauptsache aus einem Vitamincocktail sowie den Hormonen Somatostatin und Melatonin. Es verspricht bei allen Tumorerkrankungen verbesserte Heilungschancen gegenüber der bislang von der Schulmedizin in Anschlag gebrachten Chemotherapie - zudem sollen die Nebenwirkungen zu vernachlässigen sein. Die Anhänger von Di Bellas Wunderheilmittel, das übrigens auch gegen die Alzheimersche Krankheit und Multiple Sklerose helfen soll, zweifeln mittlerweile ebenso wie der Professor selbst die Fairneß der amtlichen Untersuchung an.

Damit geht der Disput, der über eine wissenschaftliche Fehde hinaus längst den Charakter eines politisch instrumentalisierten Glaubenskrieges angenommen hat, wohl in eine neue Runde.

In die Bewegung der Anhänger des Professors aus Modena, der selbst über keine klinischen Erfahrungen verfügt, sondern bislang nur ein medizinisches Lehramt ausgeübt hat, hat sich nämlich die postfaschistische Alleanza Nazionale (AN) eingeschaltet. Die Partei Gianfranco Finis befand sich auf der Suche nach einem sozialen Mobilisierungsansatz, der den Platz ihres etwas unmodern gewordenen Antikommunismus einnehmen sollte.

Auf ihrem letzten Parteitag in Verona verschaffte die AN dem Sohn Di Bellas eine Plattform, die Arznei seines Vaters zu propagieren, und stilisierte sich damit selbst zur Protestpartei gegen die durchaus vorhandenen Übel eines - noch dazu von der Linken - schlecht verwalteten Gesundheitssystems.

Bereits ein Jahr zuvor hatte allerdings der sich von den offiziellen Ärzten diffamiert fühlende, offenkundig rechtslastige Di Bella - der etwas an den Doktor Bienlein aus den Tim und Struppi-Heften erinnert - ein Hilfsersuchen an einen Anwalt seines Vertrauens, den AN-Sekretär Enzo Aimi in Modena, gerichtet. Der ließ sich nicht lange bitten und setzte umgehend einen Prozeß in Gang, der Di Bella auf eine Propagandatour ins italienische Abgeordnetenhaus, vors Europaparlament, nach Argentinien - fotogen vor der Büste der an Krebs verstorbenen Evita Per-n posierend - und in alle Fernsehtalkshows gebracht hat.

Vereine von Krebspatienten und ihren Angehörigen schossen allenthalben wie Pilze aus dem Boden. Dibelliani, wie die Anhänger des Professors genannt werden, organisierten große Protestdemonstrationen unter dem Konterfei ihres Heiligen in Rom, Genua und vielen anderen italienischen Städten und forderten freie Wahl der medizinischen Behandlung, die Aufnahme der Hormonbehandlungsmethode in den staatlichen Krankenhäusern sowie ein Ende der behördlichen Indifferenz.

In der Region Apulien, in der Lombardei und im Piemont, überall also, wo die AN einen beisitzenden Vertreter im Gesundheitswesen hat, machte sie sich für die Freigabe von Somatostatin stark, an dem zuvor wegen der verzweifelten Nachfrage viele mafiose Erstunterstützer Di Bellas noch ein großes Geschäft gemacht hatten. AN sammelte in all ihren Sektionen Unterschriften, um etwa die Region Latien zu zwingen, das Hormon gratis an Nachsuchende abzugeben.

Je mißtrauischer und rationaler die Behörden um die Ministerin Rosy Bindi und die linksliberale Presse um die etablierte Wochenzeitung Espresso reagierten, desto wütender wurden die Töne der Dibelliani. Di Bella und sein Sohn erhielten eine Rubrik im rechtsradikalen Blatt Borghese, und der Professor veröffentlichte sein Buch über die Krebsbehandlungsmethode in Auszügen im Magazin Tempo.

Di Bella wurde zu einer Art Che Guevara für Rechte. Gegen eine inhuman operierende Medizin und eine rigide bürokratische Gesundheitsfürsorge will ANunter der Fahne Di Bellas für den guten alten Hausarzt streiten, der die Sorgen und Nöte seiner Patienten aus eigener Anschauung kennt. Die Faschisten machen sich dadurch zum Anwalt einer postmodernen Revolte, die - konfrontiert mit der Pest dieses Jahrhunderts - archaische Sehnsüchte und moderne, durch den Fortschritt der Medizin zuerst geweckte und dann sogleich wieder enttäuschte Heilserwartungen in Einklang bringt.