Ein aufgeklärter Offizier

Der indonesische General Prabowo mit GSG 9-Ausbildung steht vor einem militärischen Ehrengericht

"Der General gilt als aufgeklärter Offizier, sehr interessiert daran, mit den Streitkräften den Professionalismus zu erhöhen und sie in Bereichen wie den Menschenrechten zu erziehen", schrieb der britische Staatssekretär George Robertson in einem Brief an seinen Verteidigungsminister Robin Cook. Es ging um Prabowo Subianto, den Schwiegersohn des indonesischen Ex-Diktators und Kohl-Freundes Suharto.

Nun steht der Erzieher in Sachen Menschenrechte vor einem militärischen Ehrengericht. Er soll zu seiner Rolle in verschiedenen delikaten Angelegenheiten befragt werden, bedauerlicherweise hinter den verschlossenen Türen des Militärgerichts: Zu Entführungen, Folterungen und "Verschwindenlassen" von Oppositionellen, zur Erschießung von vier Studenten der prestigeträchtigen Trisakti-Universität in Jakarta am 12. Mai, zu den unmittelbar darauf folgenden Riots am 13. und 14. Mai. Menschenrechtsgruppen sagen - und eine monatelange Recherche der Zeitung Asiaweek erhärtet dies -, daß Soldaten an der Plünderung von Läden der chinesischen Minderheit sowie an Vergewaltigungen von Dutzenden chinesischer Frauen beteiligt waren.

Prabowo hatte eine kometengleiche Karriere im indonesischen Militär vorgelegt, nicht zuletzt wegen seiner besonderen Qualifikation, die er sich bei verschiedenen Sonderausbildungen im Ausland verschaffte - beispielsweise 1981 bei der GSG 9 in Hangelar bei Bonn. 1995 wurde er Chef der militärischen Eliteeinheit Kopassus. Deren ehrenwerte Aufgabe umschrieb eine indonesische Menschenrechtsorganisation mit "Spionage, Terror und Gegenterror", inklusive der Inszenierung gewalttätiger Provokationen.

Zehn Mitglieder der Kopassus wurden kürzlich verhaftet; ihnen wird die Verwicklung in die Entführung von rund zwei Dutzend Oppositionellen im vergangenen Jahr und Anfang 1998 vorgeworfen. Einige der Entführten, unter ihnen der studentische Aktivist Pius Lustrilanang, haben ausgesagt, sie seien in militärischen Geheimgefängnissen mit Schlägen und Elektroschocks gefoltert und zu ihren politischen Aktivitäten verhört worden. Mindestens zwölf der Entführten sind bis heute "verschwunden".

Nach Aussage von Stabschef Subyago Hadisiswoyo, dem Vorsitzenden des militärischen Ehrengerichts, hat Prabowo Anfang vergangener Woche Fehler eingestanden und das Versprechen bekräftigt, er werde die Verantwortung übernehmen, sollten Angehörige der Kopassus wegen der Entführungen schuldig gesprochen werden.

Nach der inszenierten "Wahl" von Suharto im März wurde Prabowo Chef der Kostrad, der Strategischen Reserveeinheit des Militärs. Von diesem Posten aus hatte Suharto sich 1965/66 inmitten der Gemetzel, die mehr als eine halbe Million angeblicher Kommunisten das Leben kosteten, an die Staatsspitze vorgekämpft. In den Mai-Unruhen dieses Jahres, so wird in Jakarta gemunkelt, soll Prabowo Ähnliches geplant haben.

Allerdings hatte er weniger Erfolg als sein Schwiegervater dreißig Jahre zuvor. Nach Suhartos Rücktritt am 21. Mai wurde er von seinem militärischen Gegenspieler, dem damaligen und heutigen Verteidigungsminister und Armeechef General Wiranto, von dem Kostrad-Chefposten entfernt und an eine Militärakademie verbannt. Seither hat sich Wiranto als unangefochtene Nummer eins im Militär durchgesetzt.

Anfang August kam US-Verteidigungsminister William Cohen zu einer Stippvisite nach Jakarta. Er forderte eine "professionelle, gründliche, offene und ehrliche" Untersuchung der Entführungsfälle. Er hatte allen Grund dazu: Prabowo hatte beste Kontakte zu den US-amerikanischen Behörden, und bis Anfang dieses Jahres hatten US-Militärs Kopassus-Einheiten Sonderausbildungen verpaßt - im Rahmen des sogenannten Joint Combat Exchange Trainings. Noch im Januar hatte Cohen die "sehr beeindruckende Disziplin von Kopassus" gelobt.

Aber im Mai fiel Prabowo in Ungnade. Die US-Regierung kündigte über die Washington Post vom 23. Mai an, sie habe herausgefunden, wer hinter den Entführungen stecke: Prabowo. Zwei Tage zuvor war in dem US-Magazin The Nation ein Artikel des kritischen Journalisten Allan Nairn veröffentlicht worden, in dem die für das "Verschwindenlassen" der Oppositionellen verantwortlichen Einheiten des indonesischen Militärs aufgelistet waren. Darunter die Kopassus Gruppe 4 unter Colonel Chairawan, der mittlerweile mit Prabowo vor dem militärischen Ehrengericht steht. Der allerdings hatte, so schreibt Nairn in dem Artikel "Our men in Jakarta" (The Nation, 15.-22. Juni 1998), gute Kontakte zu Colonel Charles McFetridge, dem Attaché der Defense Intelligence Agency (DIA) in der US-Botschaft.

Am 3. August, zwei Tage nach Cohens Besuch, kündigte Wiranto die Ermittlungen des militärischen Ehrengerichts an. Allein, nach Nairns Recherchen ist auch Wiranto kein Unschuldslamm. Der Chef des US-Pazifik-Kommandos, Admiral Joseph Prueher, hatte bereits am 4. März vor dem US-Kongreß gesagt, das US-Militär sei auf der Hut vor "frühen Anzeichen der Instabilität", einschließlich Arbeitskonflikten, in Ostasien. Fünf Tage später sammelte, so Nairn, die militärische Geheimdienst-Einheit BIA, die unter Wirantos täglicher Supervision steht, neun Arbeiteraktivisten ein, die sich für eine Erhöhung des Mindestlohns eingesetzt hatten. Ein US-Beamter habe Nairn gesagt, einige der Aktivisten seien gefoltert worden, und in den Wochen zuvor habe die BIA eine Serie von Einbrüchen und Durchsuchungen bei Arbeiter-, Studenten- und Frauenorganisationen durchgeführt.

Prabowo ist unten durch. In der Washington Post vom 12. August wird ihm nun, da er nicht mehr nützlich ist, sogar nachgesagt, er habe den Ruf erworben, seine Truppen brutal zu behandeln; zudem sei er für seine anti-chinesische und antisemitische Rhetorik bekannt.

Wiranto hingegen ist die Lichtgestalt. Suhartos Nachfolger, Präsident B. J. Habibie, hat ihm zum 53. Jahrestag der Unabhängigkeit Indonesiens eine Ehrenmedaille verliehen: "für besondere Verdienste um den Staat und die Nation".

In der erlauchten Runde der besonders Verdienstvollen finden sich auch Habibies Ehefrau sowie sein Bruder, Ex-Militärchef Feisal Tanjung, der sich mit einem zweitrangigen Ministerposten begnügen muß, und ein ganz spezieller Zeitgenosse: der frühere Industrieminister H.M. Sanusi Sierad. Der war 1984 zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt worden - als Anstifter von Bombenanschlägen auf Eigentum von Angehörigen der chinesischen Minderheit. Nach zehn Jahren Gefängnis war er 1994 entlassen worden. Vor dem Unabhängigkeitstag verließen aus Angst vor rassistischen Ausschreitungen einige Hundert Angehörige der chinesischen Minderheit das Land.