Fit für die Europaliga

In der Fußball-Bundesliga konkurriert das italienische mit dem englischen Modell: Sollen die Vereine sich von Konzernen kaufen lassen oder selber welche werden?

In Italien, dem Land, in dem Fußballspieler das meiste Geld verdienen - vorausgesetzt, sie gehören zur Weltklasse -, funktioniert es so, daß einflußreiche Unternehmer wie beispielsweise Gianni Agnelli von den Fiat-Werken sich einen Fußballklub kaufen, beispielsweise Juventus Turin, und den dann steuerlich als Werbung führen.

In England hingegen sind die meisten Vereine mittlerweile als Aktiengesellschaften organisiert. Der reichste Klub nicht nur der Insel, sondern der ganzen Welt, Manchester United (ManU), machte jüngst Schlagzeilen, weil er seinen eigenen Fernsehsender installierte, wo als Pay-per-view-Programm täglich sechs Stunden Informationen über den Verein geboten, wichtige Spiele von früher gezeigt, Quizshows über ManU veranstaltet und Interviews mit Spielern geführt werden. Die Live-Spiele der Premier League aber dürfen auf dem Fernsehkanal nicht gezeigt werden, denn die Rechte liegen bei Sky Sport, einem Sender, der Rupert Murdoch gehört.

In Italien gehören die Fußballvereine also zu Konzernen, in England werden sie Konzerne, und in Deutschland ist die Entwicklung noch unklar.

Finanzkräftige Klubs wie Bayern München, Schalke 04 oder Borussia Dortmund denken ebenfalls über die Gründung von Aktiengesellschaften nach, sie investieren in eigene Stadien, machen mehrere hundert Millionen Mark Umsatz mit dem Merchandising-Geschäft, und die Bayern-Manager denken auch schon eine Weile über ein eigenes Bayern-TV nach. Einen ersten Schritt in diese Richtung unternahm der 1997er Uefa-Cup-Sieger Schalke 04, indem er mit dem Deutschen Sport-Fernsehen ein "Schalke TV" produziert.

Der deutsche Meister 1. FC Kaiserslautern und der VfB Stuttgart haben sich als Hauptsponsoren jeweils sehr umstrittene Finanzdienstleister an Land gezogen: Die Pfälzer werden von der DVAG mit sechs Millionen Mark unterstützt, die Schwaben von der Göttinger Gruppe mit 6,7 Millionen Mark.

Für ein ganz anderes Modell der Vereinsstruktur stehen Hertha BSC Berlin, der Hamburger SV und der 1. FC Nürnberg. Alle drei haben langfristige und gut dotierte Sponsorverträge mit dem TV-Rechteverwerter Ufa, einer hundertprozentigen Bertelsmann-Tochter. Den Anfang machte die Ufa mit Hertha BSC. Dort setzte sich der Ufa-Vorstandsvorsitzende Rolf Schmidt-Holz persönlich an die Spitze des Aufsichtsrates, sorgte dafür, daß die Vereinsfinanzen von einem Ufa-Mitarbeiter kontrolliert werden und stellte Hertha-Manager Dieter Hoeneß einen Ufa-Aufpasser zur Seite, der ihn auf allen Reisen zu Spielerbeobachtungen begleitete.

Das war in der letzten Saison, und wie harsch das Ufa-Regiment sein kann, erlebten die Hertha-Fans, als der Klub zunächst schlecht in die Saison gestartet war. Zur Krisensitzung, ob Trainer Jürgen Röber bleiben darf, reiste Schmidt-Holz persönlich an, und heraus kam eine windelweiche Vertrauenserklärung für den Coach. Als es danach in der Saison besser für Hertha lief, zog sich Schmidt-Holz zurück und installierte einen Experten seines Vertrauens, Robert Schwan, den in die Jahre gekommenen persönlichen Manager von Franz Beckenbauer.

Ufa hatte ziemlich hart arbeiten müssen, um seine Macht zu etablieren. Zu Beginn der letzten Saison sandte der Sponsor, der sich schon seit 1994 im Verein engagiert, dem Vorstand noch ein Schreiben, daß man sich mit all seinem Geld zurückzöge, wenn der Klub nicht bald einen Aufsichtsrat installiere, der der Ufa genehm wäre. Die Drohung wirkte, und mittlerweile hat die Ufa alle wichtigen Stellen besetzt. Manager Dieter Hoeneß sprach ehrlich davon, daß in Berlin "ein Verein am Entstehen" sei.

Die aus ihrer Sicht positiven Erfahrungen mit Hertha führten die Ufa zum Engagement bei zwei anderen Traditionsklubs: dem Hamburger SV und dem 1. FC Nürnberg.

Und während sich in Nürnberg die Streitereien so anlassen wie zunächst in Berlin - der Vorstand weigert sich, Kompetenzen an die Ufa abzutreten, konkret hat Präsident Michael A. Roth dem Sponsor untersagt, die Rechte am Klub einzukaufen -, freut man sich in Hamburg über die gedeihliche Kooperation.

12,5 Millionen Mark steckt die Ufa jährlich in den HSV und ist dafür noch nicht einmal auf dem Trikot zu sehen. Sichtbarer Ausdruck der Kooperation ist das umgebaute Volksparkstadion: Statt den bisherigen 34 000 Plätzen wird es demnächst über 50 000 geben, davon werden aus 10 000 Sitzplätzen plötzlich 39 000, und vor allem gibt es nun VIP-Logen.

Das Stadion wird von der Ufa gebaut, obendrein gewährt die Ufa dem Verein einen 25 Millionen-Mark-Kredit für Spielereinkäufe. Hintergrund für die Ufa-Aktivitäten ist der Wunsch, langfristig im Bundesligafußball Fuß zu fassen. Indem die Ufa in allen Vereinen, mit denen sie kooperiert, im Vorstand vertreten ist, hat sie Einfluß auf den mächtigen DFB-Ligaausschuß, der sich unter seinem Vorsitzenden, dem Multifunktionär Gerhard Mayer-Vorfelder, zu einem der wichtigsten Gremien im deutschen Fußball entwickelt hat. Und je erfolgreicher die mit der Ufa kooperierenden Klubs sind, desto mächtiger wird der TV-Rechteverwerter, der sich mittlerweile auch in anderen Bereichen des Sportmarketings engagiert, im organisierten Fußball.

Nicht zufällig schlug die Ufa beim HSV, dem 1. FC Nürnberg und bei Hertha in jeweils ähnlichen Situationen zu. Hertha wurde kontaktiert, als sich der Klub gerade in der Zweiten Liga konsolidiert hatte und realistisch einen Aufstieg in Angriff nahm, Nürnberg wurde als Erfolgsmannschaft der Zweiten Liga, die Aussichten auf den Aufstieg hatte, ausgewählt, und der HSV wurde als schon lange nicht mehr erfolgreiches Gründungsmitglied der Bundesliga für die Zusammenarbeit gewonnen. Alle drei Klubs hatten eine Krise überwunden, alle drei Klubs verfügen über einen außergewöhnlich hohen Bekanntheitsgrad, und vor allem konstatieren Werbeleute bei allen drei Klubs das Fehlen einer Identität, die neu aufgebaut werden kann.

Dem HSV bescheinigt die Ufa beispielseise, nicht sehr profiliert zu sein. "Man muß unten einsteigen, um etwas bewegen zu können", sagte Ufa-Geschäftsführer Bernd P. Hoffmann der Zeit. "Unten" heißt im Falle des HSV: schon seit 15 Jahren keine Meisterschaft mehr, der Klub gehört nicht zu den beliebtesten zehn Vereinen Deutschlands, aber er liegt in einer Stadt mit großem Potential, vor allem, was Sponsoring und VIP-Logen-Verkauf angeht.

Und, so denkt die Ufa weiter, wenn die Klubs, mit denen sie kooperiert, profilierter werden, beispielsweise die erfolgreiche Modernisierung einer Region symbolisieren wie Schalke 04 oder der FC Kaiserslautern, und sich gleichzeitig der sportliche Erfolg einstellt, dann sind die Fernsehrechte, das eigentliche Geschäft des Konzerns, auch zum derart lukrativen Geschäft geworden, daß sich die "Kärrnerarbeit" (Hoffmann) rentieren wird.

Bis dahin bleibt es ein Wettrennen zwischen den Ufa-geführten Vereinen und den gegenwärtig ökonomisch Großen der Liga. Wenn Schalke und Bayern ihre eigenen TV-Anstalten haben, die Ufa sich aber die Rechte am HSV, an Hertha und dem Klub gesichert hat, und wenn außerdem alle genannten Vereine darum konkurrieren, in einer Europaliga mitspielen zu dürfen, wo die ganz großen TV-Rechte-Erlöse darauf warten, realisiert zu werden, dann ist das Hauen und Stechen eröffnet.

Wie groß der Markt ist, ist jetzt schon zu sehen, und der Umstand, daß in anderen europäischen Ländern die Strukturen im Profi-Fußball zur Zeit noch homogener sind als in Deutschland, hat in bezug auf die kommende Superliga nichts zu bedeuten.