Keinen Kredit für Banken

Nach dem Vergleich zwischen Schweizer Großbanken und Holocaust-Überlebenden stehen die Deutsche und die Dresdner Bank sowie die Allianz-Versicherung unter Druck

Selbst die deutschen Lokal- und Regionalzeitungen waren sich dieses Mal einig: Nach der Einigung zwischen Schweizer Banken und jüdischen Klägern müßten nun auch die beiden deutschen Finanzunternehmen Deutsche und Dresdner Bank Farbe bekennen.

"Deutsche Unternehmen, die mit einer Klage der Holocaust-Opfer konfrontiert sind (...), sollten versuchen, sich gütlich mit den Klägern zu einigen", rät die in Oldenburg erscheinende Nordwest Zeitung. Auf ein "moralisches Wunder im Verfahren zwischen deutschen Banken und Versicherungen sowie Holocaust-Opfern und deren Ansprüchen" hoffte gar die Ludwigshafener Rheinpfalz. Und die Allgemeine Zeitung aus Mainz drängt einfach forsch zur Tat: "Wer zu spät kommt, für den wird es teuer". So viel Einigkeit war selten.

Ein Sprecher der Deutschen Bank betonte gegenüber Jungle World, man sei sich "der ethisch-moralischen Verantwortung des Unternehmens bewußt". Die Geschichte des Bankkhauses sei aufgearbeitet worden und werde weiter untersucht. Doch habe sich durch den Vergleich für den Konzern "keine Veränderung ergeben". Zu unterschiedlich sei die "Situation in der Schweiz und in Deutschland". Mit dem "World Jewish Congress (WJC) und verschiedenen Politikern" würden ohnehin "Gespräche geführt".

Zu einer Beteiligung der Deutschen Bank an einer eventuellen Entschädigungsregelung über einen gemeinsamen Fonds von Bund, Industrie, Banken und Versicherungen, wie er vom SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder bereits im Mai dieses Jahres in Ansätzen projektiert wurde, gab es keinen Kommentar.

Auf einen solchen Fonds, ähnlich der Schweizer Holocaust-Stiftung, scheinen zur Zeit Teile der deutschen Industrie zu setzen. Der Volkswagen-Konzern und das Chemie- und Stahlunternehmen Degussa, größter Ein- und Umschmelzer von Raubgold während der NS-Zeit, kündigten jüngst an, ehemalige Zwangsarbeiter im Rahmen eines Holocaust-Fonds entschädigen zu wollen. Sie spielen damit - ebenso wie die Allianz-Versicherung, die bislang keine Anstalten gemacht hat, "nachrichtenlose Versicherungen" von Juden auszuzahlen - auf Zeit. Während die Schweizer Zürich Versicherung vergangene Woche zustimmte, an der Einrichtung einer Kommission zur Regelung der Ansprüche von Holocaust-Opfern und ihren Nachfahren mitzuarbeiten, wollte die Allianz am Freitag noch "prüfen, welche Ansprüche wie geregelt werden könnten".

Zu ihrer - dieses Mal - "moralisch-ethischen Verantwortung für die dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte" hatte sich die Deutsche Bank bereits Ende Juli bekannt, als selbst eine von ihr beauftragte Historikerkommission zu dem Ergebnis kam, der Aufsichtsrat der Bank zwischen 1935 und 1945 habe wissen können, daß Raub- und Totengold in den Firmentresoren gehortet wurde.

Nach Ansicht der fünf Historiker unter der Leitung von Jonathan Steinberg habe insbesondere Aufsichtsrat Hermann Josef Abs über diese Informationen verfügen können - durch seine "weitreichenden Kontakte" zur Führung der NSDAP. Knapp 4 500 Kilogramm Gold im Wert von seinerzeit fünf Millionen Dollar bezog das Frankfurter Geldinstitut von der Reichsbank, darunter mehr als 600 Kilogramm Raub- und Totengold. Dieses wurde per Umschmelze anonymisiert und ins Ausland, vor allem in die Schweiz weiterverkauft.

Die Dresdner Bank, im Dritten Reich Hausbank der SS, schweigt lieber ganz. Zwar ist Pressesprecher Kullmann entgegenkommend, was ein mögliches Gespräch angeht, doch nur gegen Rückruf. Dieser bleibt natürlich aus. Genauso wie der seit geraumer Zeit angekündigte Historikerbericht über die Rolle der Bank in der NS-Zeit. Dafür liefert die hauseigene Internet-Seite eindeutige Hinweise auf das historische Selbstverständnis. Einem zwei Absätze umfassenden "Der Zweite Weltkrieg und die ersten Nachkriegsjahre" überschriebenen Kapitel ist zu entnehmen, daß - traurig, traurig - "von ehemals 322 Geschäftsstellen" nach dem Krieg nur noch 160, von denen wiederum 80 Prozent zerstört waren, zur Verfügung standen. "Da vor dem Krieg rund 60 Prozent des Gesamtvolumens auf Berlin sowie Ost- und Mitteldeutschland entfallen sind, hat die Dresdner Bank überdurchschnittlich große Verluste und Startprobleme zu verzeichnen". Der erste Absatz, ganze acht Zeilen, ist damit beendet - außer der Dresdner Bank gab es keine Opfer. Der zweite Absatz behandelt nur die Zeit ab 1947.

Auf insgesamt 18 Milliarden Dollar (rund 32 Milliarden Mark) Schadenersatz hat die New Yorker Anwaltskanzlei Edward Fagan & Associates die beiden deutschen Großbanken bereits im Juni verklagt. Im Auftrag von drei Auschwitz-Überlebenden wirft Fagan den Instituten vor, "in Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime (...) geraubtes Privateigentum wie Goldschmuck, Münzen, Brillengestelle und Zahnfüllungen entgegengenommen, eingeschmolzen und weiterverkauft" zu haben. Nach US-amerikanischem Zivilrecht gilt die Klage stellvertretend für eine Gruppe von Personen, die nach einem Musterprozeß weitere Ansprüche geltend machen können. Im Oktober soll ein New Yorker Gericht über die Zulässigkeit der Klage entscheiden.

Auch der Münchener Rechtsanwalt Michael Witti, der gemeinsam mit Fagan die Opfer der Shoah vertritt, möchte den Druck auf die deutschen Großbanken erhöhen. Er forderte am vergangenen Wochenende von der Deutschen Bank neben Verhandlungen über Entschädigungszahlungen, daß das Unternehmen nicht nur von ihr beauftragten Forschern Zugang zum Privatarchiv von Hermann Josef Abs ermöglichen soll.