Wunschkonzert

Der polnische Sender Radio Maryja bietet ein Programm für alle, die mal etwas Rechtes hören wollen

Radio Maryja mischt sich ein. In fast alles. Ob es um "den Schutz ungeborenen Lebens", das "Verhältnis der polnischen Nation zu Jesus Christus" oder einfach nur um "die Gläubigkeit der Regierenden" geht - der katholisch-fundamentalistische Privatsender aus dem nordpolnischen Torun bezieht Stellung. Kurz, prägnant und deutlich. Meistens gegen die "Feinde des Glaubens": Liberale, Freimaurer, Atheisten, Juden, Kommunisten, Europa, Israel, den Materialismus. Alles Neue und Fremde ist ohnehin verdächtig. Doch Tadeusz Rydzyk, katholischer Priester und Chefredakteur von Radio Maryja, kann sich auch begeistern.

Für das "Kreuz von Auschwitz" zum Beispiel. Seit 1988 steht nahe dem früheren deutschen Vernichtungslager im polnischen Oswiecim (Auschwitz) ein acht Meter hohes Holzkreuz. Von Papst Johannes Paul II. im drei Kilometer entfernt gelegenen Lager Auschwitz-Birkenau 1979 geweiht, stellten Angehörige eines Karmeliterinnen-Klosters das "Papst-Kreuz" neun Jahre später in einer Kiesgrube am Rand der umzäunten Gedenkstätte auf. Zu "Ehren" 152 polnischer (und selbstredend katholischer) Widerstandskämpfer, die in der Kiesgrube 1941 von SS-Männern erschossen wurden.

Jüdische Organisationen sehen in dem "Papstkreuz" hingegen den Versuch, Auschwitz zu christianisieren: Das Kreuz als Symbol der Täter überrage die Zäune der Gedenkstätte, die auch an den Höhepunkt christlich-abendländischer Judenfeindschaft erinnert, kritisieren Vertreter der polnischen Juden seit Jahren.

In jüngster Zeit wird der Streit um das Kreuz noch verschärft - indem Polens nationale und klerikale Rechte Fakten schafft. An die fünfzig neue Kreuze wurden mittlerweile in der Nähe des Papstkreuzes errichtet. 152 sollen es werden. Für jeden Erschossenen eins.

Waren es zuerst einzelne katholische Fundamentalisten und Organisationen, die nachts immer wieder neues Holz herankarrten, hat seit Juni dieses Jahres ein "Gesellschaftliches Komitee zur Verteidigung des Kreuzes in Auschwitz" die Initiative übernommen. Gegründet von dem rechtsextremen Solidarnosc-Aktivisten und ehemaligen Parlamentsabgeordneten Kazimierz Switon, hält das "Komitee" seit sieben Wochen die Kiesgrube besetzt und versucht so, auf Regierung, Parlament und Kirche Einfluß zu nehmen.

Beim polnischen Episkopat ist dies - zumindest zum Teil - gelungen. Primas Jozef Glemp stellte sich vor zwei Wochen hinter die Besetzer: Ursache der polnisch-jüdischen Spannungen sei "die ständige Belästigung durch die jüdische Seite". Zwar hat Glemp am vorvergangenen Dienstag an die Gläubigen appelliert, keine weiteren Kreuze aufzustellen, doch schwieg er über die bereits errichteten Lattengestelle und den eigentlichen Anlaß des Streits, den Acht-Meter-Trumm. Vielleicht aus Rücksicht auf seine Schäfchen, die Radio Maryja hören.

Denn Chefredakteur Tadeusz Rydzyk, der sich selbst liebevoll "Liberalenhammer" nennt, ist anderer Meinung als Glemp. Er ruft zur Wallfahrt nach Oswiecim auf und bittet seine Hörer, auch bloß die Kreuze nicht zu vergessen. Schließlich gilt es mit Switons Mannen alte Kameraden und mit den Gläubigen "die Ehre der polnischen Nation" zu unterstützen. Und Rydzyk hat Erfolg. Die Hörer von Radio Maryja verehren ihn als Missionar, "der spricht, wo andere schweigen", wie es ein Anrufer vergangene Woche live über den Äther auf den Punkt bringen durfte.

Im Frühjahr 1992 hieß es zum ersten Mal: "Hier ist Radio Maryja, die katholische Stimme in Deinem Haus. Gelobt seien Jesus Christus und die Jungfrau Maria." Seitdem werden immer mehr Programme von Radio Maryja ausgestrahlt. Landesweit können knapp 80 Prozent der Haushalte den Fundamentalisten-Sender empfangen. Via Satellit ist Radio Maryja aber auch in anderen europäischen Staaten und in den USA zu hören.

Hauptsächlich Gebete und Kirchenlieder bestimmen das Programm, unterbrochen von Beiträgen, Kommentaren und Hörerstunden. Darin können sich Prominente aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Kultur den rund fünf Millionen Hörern, einem Fünftel der Wählerschaft, stellen. Aus der Möglichkeit zum Gespräch wird vor und nach Parlamentswahlen eine Pflicht: Marian Krzaklewski, Chef der Wahlaktion Solidarnosc (AWS), trat im letzten Oktober an. Noch während nach gewonnener Wahl die Koalitionsverhandlungen mit der liberalen Freiheitsunion liefen, wollte sich der Premier in spe bei seinen Wählern bedanken. Doch dazu kam es nicht. "Sieben Ministerien für die Freiheitsunion. Das ist der siebenarmige jüdische Leuchter ...", in der "Langen Hörernacht" von Radio Maryja mußte der AWS-Chef die antisemitischen Haßtiraden einer älteren Hörerin über sich ergehen lassen.

Nach Untersuchungen von Medienwissenschaftlern aus Warschau besteht das Publikum des Senders aus Torun vor allem aus "älteren und ungebildeten Hörern". Soll heißen aus Rentnern und Bauern, die das einfache Weltbild von Radio Maryja teilen - beispielsweise die Forderung des Senders, Jesus Christus zum König Polens auszurufen. Das war im vergangenen Jahr.

Als Lizenznehmer des "Privatsenders Radio Maryja" - so das offizielle Label - fungiert der Orden der Redemptoristen in Torun. Diese katholische Sekte (von lat. redemptor, Erlöser) hat sich zum Ziel gesetzt, "wie Jesus und die Apostel den Armen die Frohe Botschaft der Erlösung zu bringen". Neben dem Radiosender muß auch eine eigene Redemptoristen-Web-Page im Internet dafür herhalten. Traditionell und modern zugleich eben.

Ganz so wie Radio Maryja. Die Redaktionsarbeit wird in einer Neubau-Villa in Torun geleistet. Umrahmt von hohen Zäunen, Stacheldraht und Videokameras sind neben dem Redaktionsgebäude ein Sendemast und ein übergroßes Wandbild der Madonna von Fatima zu sehen. Sie hält, anstelle des üblichen religiösen Brimboriums, einen Telekommunikations-Satelliten in den Händen.

Das Programm des Senders wird, nach eigenen Angaben, lediglich von sechs Priestern, drei Nonnen und rund 200 Laienhelfern gemacht. Niemand erhalte für seine Arbeit einen (materiellen) Lohn, die Finanzierung laufe über "Gaben des Herzens", Spenden und Sponsoren gebe es reichlich - das alles ist einem der vielen Informations-Blättchen zu entnehmen.

Zu Radio Maryja gehört die "Familie Maryja". Bei den liebevoll auch "polnische" oder "heilige Familie" Genannten handelt es sich aber nicht einfach um die Hörerschaft, sondern um Gläubige, die für den Sender auch aktiv werden. So, wenn Tadeusz Rydzyk wieder einmal dazu aufruft, Rosenkranz-Andachten vor den Wohnungen laizistischer Politiker abzuhalten. Der Chefredakteur nennt diese einfach "Verbrecher, denen man den Kopf scheren sollte". Gemeint sind Parlamentarier, die sich gegen ein Verbot von Abtreibungen einsetzen.

Zur "heiligen Familie" bekennen sich rund 25 Abgeordnete des polnischen Parlaments (Sejm), alle sind oder waren Mitglieder der konservativen AWS. Einige haben die AWS verlassen, weil ihnen der - evangelische - Premier Jerzy Buzek "zu liberal" ist. Radio Maryja ist dennoch stolz auf sie, spricht aber von insgesamt 60 gläubigen Katholiken im Sejm, die zur "Familie" gehören.

Die parlamentarische Rückendeckung existiert nicht ohne Grund, da der Vatikan sich verschlossen gibt. Rydzyk wurde letztes Jahr in Rom nicht vom Papst empfangen, da dieser die Sprache des Senders als "unchristlich" bewertet. Vielleicht war die Ursache dafür, daß Radio Maryja 1995 die liberale Politikerin Hanna Gronkiewicz-Waltz als "Freimaurerin" und "Jüdin" diffamierte; vielleicht sind es aber auch nur die gelegentlichen Ermittlungen der polnischen Staatsanwaltschaft gegen den Sender. Nach einem Bericht der Tageszeitung Gazeta Wyborcza wurden im Frühjahr 1996 wegen des Verdachts auf Zollvergehen und Urkundenfälschung Untersuchungen eingeleitet - und später eingestellt: Zwei Mercedes-Limousinen waren als "Kultgegenstände" zoll- und steuerfrei eingeführt worden.

Auch blieb der Sender bei der 97er Polen-Tournee von Jo-Pa-Zwo unberücksichtigt. Obwohl derselbe, nach einer Info-Broschüre des Senders, noch 1995 bekundete: "Täglich danke ich dem Herrn, daß es in Polen so ein Radio gibt und daß es Radio Maryja heißt."