Südkoreas Regierung macht Druck auf Fabrikbesetzer

Harter Kampf bei Hyundai

Der Nervenkrieg um die besetzte Hyundai-Fabrik im südkoreanischen Ulsan geht weiter. Am Samstag beendete die Betriebsgewerkschaft Hyundai Motor Workers Union (HMWU) die unter dem Druck der Regierung zustandegekommenen Gespräche mit dem Hyundai-Management. "Eine Vereinbarung wird unmöglich sein, solange das Management nicht alle Forderungen der Gewerkschaft akzeptiert", schrieb die Gewerkschaft in einer Erklärung; von nun an werde sie nur noch mit Vermittlern der Regierungspartei, dem Nationalkongreß für Neue Politik unter dem Ex-Oppositionellen und jetzigen Präsidenten Kim Dae-Jung, reden. Der Hyundai-Sprecher Lee Byung-ho sagte, die Verhandlungen seien - zumindest zeitweise - abgebrochen worden, nachdem die Gewerkschaftsvertreter "plötzlich" den Raum verlassen hätten.

Seit dem 20. Juli ist die Autofabrik, die größte Südkoreas, besetzt. Mittlerweile haben sich 5 000 Arbeiter mit ihren Familien dort verbarrikadiert. Sie fordern die Wiedereinstellung von rund 2 000 Entlassenen und von Beschäftigten, die in den Vorruhestand versetzt wurden.

Anfang vergangener Woche wurde es der Regierung zu bunt. Zunächst warnte sie die Streikenden, daß sie jetzt Gewalt anwenden werde. Kurz darauf setzten die Machthaber in Seoul eine kleine Bürgerkriegstruppe in Marsch: 15 000 Polizisten - inklusive der sympathischen Spezialeinheiten mit Totenkopfsymbolen auf den Helmen - wurden um die Fabrik zusammengezogen, verstärkt durch Wasserwerfer, Hubschrauber, Bulldozer etc. Eine spezielle Fraueneinheit war auch mit dabei, die sich bei einer Erstürmung der Fabrik wohl fürsorglich um die Frauen und Kinder kümmern sollte.

Am Dienstag vergangener Woche sah alles nach einem plötzlichen Angriff auf die Besetzer aus. In voller Kampfmontur rückten die Robocops auf das Gelände vor. Aber dann wurde der Angriff abgeblasen. Offenkundiger Zweck der Übung: Druck auf die Besetzer ausüben, um sie an den Verhandlungstisch mit dem Management zu zwingen. Die Antwort der Arbeiter: Erstens eine Verstärkung der Barrikaden mit all den nützlichen Dingen, die die Fabrik so bietet. So wurden beispielsweise 60 neue Autos rund um einen großen Benzintank plaziert. Und zweitens eine neue Verhandlungsrunde, bei der die Betriebsgewerkschaft sogar - nach Angaben eines Sprechers der Regierungspartei - der Entlassung von 250 bis 300 Arbeitern zugestimmt hat. Das Zugeständnis war dem Management aber noch zu klein.

Die Härte der Auseinandersetzung in Ulsan erklärt sich nicht nur aus den Massenentlassungen. Der gewerkschaftliche Dachverband KCTU kritisiert auch, daß durch die Entlassung von einigen Hundert HMWU-Mitgliedern die Macht der Betriebsgewerkschaft bei Hyundai gebrochen werden soll.

Auch mit der Regierung unter dem Ex-Oppositionellen Kim Dae-young ist der KCTU nicht rundum zufrieden. Gegenwärtig sind 57 Gewerkschafter, unter ihnen der KCTU-Generalsekretär Koh Young-jo, im Gefängnis. Weitere 200 werden gesucht. Hauptgrund der staatlichen Verfolgungswelle sind die 1. Mai-Demonstration sowie zwei von der Regierung für illegal erklärte Generalstreiks Ende Mai und Mitte Juli.

Zudem hat die Regierung zum 50. Jahrestag der Republik Südkorea eine Amnestie für 7 000 Leute erklärt. Eine schöne Sache. Aber Menschenrechtsaktivisten erklärten, die Amnestie habe "Hoffung in brennende Wut verwandelt", weil lediglich 92 wegen ihrer Gesinnung Inhaftierte freigelassen wurden. "Die Behörden haben viele Politiker, die in Korruption, illegale Wahlkampagnen und frühere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, amnestiert", erklärte die Saranbang Gruppe für Menschenrechte. "In diesem Kontext ist die armselige Amnestie für Gesinnungsgefangene nur ein Vorwand für die Freilassung der Politiker und früheren Militärs."

Seit dem Amtsantritt von Kim Dae Young im Februar sind allein 230 Menschen wegen ihrer Gesinnung im Gefängnis gelandet - "die größte Anzahl politischer Gefangener zu Beginn der Amtszeit eines südkoreanischen Präsidenten", wie es Kim San Suk ausdrückte, der wegen regierungsfeindlicher Ansichten vier Jahre Haft abgesessen hat. Das Nationale Sicherheitsgesetz in Südkorea, eine Errungenschaft aus den alten Zeiten der Militärdiktatur, ist immer noch in Kraft. Es sieht Haftstrafen für die Bildung von pro-nordkoreanischen oder linken Organisationen vor. Im Zweifelsfall reicht auch schon die Mitgliedschaft oder die bloße Äußerung von Sympathie.