Mit El Niño und den Militärs

Perus Präsident Fujimori verliert sein demokratisches Aushängeschild: Ministerpräsident Valle Riestra

Der Grenzkonflikt zwischen Peru und Ecuador ist beigelegt. Das war die positive Nachricht, die von Präsident Alberto Kenya Fujimori Mitte August persönlich verkündet wurde. Fujimori hatte sich zuvor nach Brasilien begeben, um gemeinsam mit dem dortigen Staatschef Fernando Henrique Cardoso eine Lösung des Konflikts zu suchen, der auch sein Kollege aus Ecuador, Jamil Mahuad, zustimmen konnte.

Truppenentflechtung hieß das Zauberwort, mit dem die Verhandlungen über den Abschluß eines endgültigen Friedensvertrages inklusive Grenzfestlegung gerettet wurden. Die Truppen der streitenden Nachbarn sollen sich ins Hinterland zurückziehen und den strittigen Grenzstreifen freigeben. Und über den wollen sich die beiden Länder dann in den nächsten zwei Monaten im Rahmen von Verhandlungen einigen.

Stattfinden müssen diese Verhandlungen allerdings ohne ihren Initiator, Javier Valle Riestra. Auf den 66jährigen, der sich lange Zeit um Vermittlung bemüht hatte, dürfte Präsident Fujimori derzeit nicht gut zu sprechen sein. Nach nur zweimonatiger Amtszeit ist der ehemalige Sozialdemokrat am 10. August von seinem Posten als Ministerpräsident zurückgetreten. Ein Ereignis, das Fujimori nicht nur negative Schlagzeilen im In- und Ausland bescherte, sondern auch den Versuch mißglücken ließ, seine autokratische Regentschaft durch Valle Riestra zu kaschieren.

Als Grund für seinen Rücktritt gab Valle Riestra an, daß er keine Chance sehe, die autoritären Strukturen innerhalb der Regierung Fujimori aufzulösen. Sein selbstgestecktes Ziel der Demokratisierung Perus sei nicht zu realisieren - er ziehe nun die Konsequenzen. Immerhin hat er soviel Staub aufgewirbelt, daß sein Rücktritt die Regierung in Bedrängnis bringt. Valle Riestra hatte eine Parlamentsdebatte über ein umstrittenes Gesetz, das die dritte Kandidatur Fujimoris für das höchste Staatsamt regelt, losgetreten und die Annullierung des nicht verfassungskonformen Entwurfs gefordert. Fujimori solle sich einem Referendum stellen. Doch dieses Anliegen stieß im Parlament, wo die Anhänger Fujimoris die Mehrheit stellen, auf taube Ohren.

Obgleich die ganze Geschichte skurrile Züge trägt, hat Fujimori wieder einmal das Problem, daß seine Regierung im Ausland wie im Inland als das angesehen wird, was sie ist - diktatorisch. Kein gutes Omen für einen Präsidenten, dessen Politik in Peru gerade noch 25 Prozent der Befragten gutheißen und den 65 Prozent rundweg ablehnen. Und der sich möglicherweise in naher Zukunft einem Referendum über die Rechtmäßigkeit seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 stellen muß. 1,4 Millionen Unterschriften hat das oppositionelle demokratische Forum bereits gesammelt. 1,2 Millionen gültige Stimmen reichen aus, um gemäß der Verfassung ein Referendum einklagen zu können. Vielen Peruanern ist klar, daß Fujimori über kurz oder lang in die zweite Reihe zurücktreten muß - wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

Dies aber darf bezweifelt werden. Es kursieren bereits Gerüchte, daß Mitarbeiter von Vladimiro Montesinos, Geheimdienstberater des Präsidenten, längst in der obersten Wahlbehörde sitzen, wo die Unterschriften auf ihre Gültigkeit geprüft werden. Montesinos gehört zum engsten Kreis um Fujimori, von Valle Riestra als "eiserner Ring" bezeichnet, der den Präsidenten von der Umwelt abschotte. Neben Montesinos bestehe dieser Ring aus dem ehemaligen Finanzminister Jorge Camet, Alberto Pandolfi, der am Donnerstag plötzlich zum Nachfolger Valle Riestras erkoren wurde, und dem derzeitigen Parlamentspräsidenten Victor Joy Way.

Nahziel dieses Schattenkabinetts ist es, die Popularität des Präsidenten in der Bevölkerung wieder zu heben. Dafür wurden Einsätze des Präsidenten bei den El Ni-o-Überschwemmungen in den vergangenen Monaten perfekt inszeniert, jedoch verpufft der jeweils erzielte Erfolg immer schneller. So wird auch dem jüngsten Erfolg als Krisenmanager im Grenzstreit mit Ecuador nur eine kurze Halbwertzeit eingeräumt. Zumal die negativen Nachrichten die positiven übertreffen.

Erst im Mitte Juli platzte das größte Prestigeprojekt der Regierung - die Erschließung des Camisea-Erdgasfeldes. Die Investoren, ein Konsortium um die Erdölmultis Shell und Mobil, traten zurück. Auch die jüngsten Wirtschaftsdat machen nicht gerade Mut: 0,4 Prozent Minuswachstum wurden aufgrund der El Ni-o-Schäden eingefahren.

Wirtschaftliche Stagnation und autoritäres Regieren führen mittlerweile auch zu einer steigenden Zahl von Demonstrationen - bei der letzten großen Versammlung für das Referendum kamen Mitte Juli in Lima rund 8 000 Demonstranten zusammen.

Doch es existiert ja auch noch das Militär. In einer kürzlich veröffentlichten Studie stellt der peruanische Militärspezialist Fernando Rospigliosi die These auf, daß nicht der Präsident die Fäden in der Hand hält, sondern daß die Militärs sehr wohl an der Regierungsführung beteiligt seien. Als Beleg wurde die mißlungene Entlassung des Generalstabschefs Nicos Hermoza zu Beginn des Jahres angeführt.

Zumindest mit Hermozas Herrlichkeit scheint es nun vorbei zu sein. Er wurde letzte Woche überraschend geschaßt und durch den bisherigen Verteidigungsminister, General Cesar Saucedo, ersetzt. Damit erhält er die Quittung für seine harte Haltung im Grenzkonflikt mit Ecuador. Hermoza hatte sich als Bremsklotz während der Verhandlungen mit Ecuador erwiesen, woraufhin die Garantiestaaten, allen voran die USA, Fujimori auf dessen Entlassung drängten.

Zum neuen Verteidigungsminister wurde der ehemalige Chef des nationalen Geheimdienstes (SIN), General Julio Salazar Monroe, ernannt. Salazar war bislang der direkte Vorgesetzte von Fujimoris Geheimdienstberater Montesinos, der damit seine Position stärken konnte. Aus dem Triumvirat wurde so ein Duumvirat.