Grünes Sofortprogramm

Klippen umschifft

Der SPD-Kanzlerkandidat zieht Linie. "Rot-Grün gibt es nicht um jeden Preis", gab er in Bild am Sonntag zu Protokoll. Einem anderen sozialdemokratischen Theorieorgan verriet er, was das zu bedeuten habe: Die SPD stehe für wirtschaftliche Stabilität, Kompromißlosigkeit bei der inneren Sicherheit und außenpolitische Kontinuität, ließ Gerhard Schröder Super Illu wissen.

Da haben die Bündnisgrünen nochmal Glück gehabt: Diese Klippen haben sie in ihrem am Sonntag im bayerischen Germering beschlossenen 9-Punkte-Programm geschickt umschifft. Die Bereiche Innere Sicherheit und Außenpolitik tauchen in dem vom Länderrat verabschiedeten Sofortprogramm "Eine neue Politik für die Bundesrepublik" erst gar nicht auf. Ansonsten sei die Partei "der Garant für eine seriös finanzierte Reformpolitik" - dagegen kann Schröder schlecht kritikastern.

Nun ist die Öko-Partei also für die Endphase des Wahlkampfes gerüstet. Schwerpunkt ist die Wirtschafts- und Sozialpolitik. An erster Stelle steht das "Bündnis für Arbeit". Weiterhin fordern die Bündnisgrünen "eine sozial gerechte und transparente Steuerreform". Mittels einer Ökosteuer soll Energie verteuert und Arbeit billiger werden. Mit den daraus gewonnenen Einnahmen sollen die Beiträge zu den Sozialversicherungen gesenkt werden. Außerdem soll eine bedarfsorientierte Grundsicherung, "die wirksam vor Armut schützt", eingeführt werden.

Auf die Law&Order-Politik der Regierung sowie der SPD-Opposition geht das Papier nicht ein. Während sich die Bündnisgrünen in ihrem Wahlprogramm noch als "die Partei, die für die Bürgerrechte eintritt" präsentierte, fehlen entsprechende Forderung nun. Auch kein Wort mehr zur Legalisierung weicher Drogen. Selbst im Ökologiebereich sind die Grünen vorsichtig geworden. Zwar soll der Ausstieg aus der Atomenergie "sofort angegangen" werden, ein Zeitrahmen wird jedoch nicht genannt. Andere Großprojekte wie der Transrapid werden erst gar nicht benannt. Schließlich hat Schröder bereits angekündigt, daß unter seiner Regierung sowohl der Transrapid als auch die Ostseeautobahn A20 gebaut würden.

In einem entscheidenden Punkt sind die Grünen jedoch standhaft geblieben: Die Abschaffung des deutschen auf Abstammung beruhenden Staatsbürgerschaftsrechts "müsse eine der ersten Regierungsinitiativen" einer rot-grünen Regierung sein. In der Flüchtlingspolitik soll der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention "volle Geltung" verschafft werden. Das wird mit der SPD sicher nicht zu machen sein. Nicht umsonst stellte der bayerische Innenminister Günther Beckstein in der vergangenen Woche fest, SPD-Schatteninnenminister Otto Schily sei bei ihm "in die Lehre gegangen".

Eines sei seit letzter Woche "ziemlich sicher", erklärte Fraktionssprecherin Kerstin Müller, der nächste Kanzler, "er wird nicht Helmut Kohl heißen". Doch ob ihre Partei an dieser Wachablösung beteiligt sein wird, bleibt trotz aller Bemühungen fraglich. Die Gedankenspiele des SPD-Kanzlerkandidaten jedenfalls sind offen. Gegenüber Bild am Sonntag ließ er am selben Tag wissen: "Auch eine Koalition SPD/CDU ohne CSU ist nicht abwegig."