Der DFB muß weg!

Die Nationalmannschaft ist nur noch für Nationalisten attraktiv.

Was ist Berti Vogts? Und wer ist Erich Ribbeck? Ja klar, der ist schon irgendwie okay, meinte Stefan Effenberg. Aber warum sollte man sich diese Namen überhaupt noch merken? Die Aufregung über die DFB-Gurkentruppe ist so überflüssig wie die Nationalmannschaft anachronistisch. Die Zukunft des Fußballs liegt ohnehin woanders: In einer oder mehreren Weltmeisterschaften der Vereinsmannschaften. Die beste Lösung für das ganze Elend wäre, die Nationalmannschaften einfach aufzulösen.

Daß diese Konsequenz längst überfällig ist, zeigte sich schon bei der Trainerwahl. Nach viel Hin und Her mußte sich die Nation schließlich mit der fünften Wahl begnügen; der eine wurde aus seinem verdienten Rentnerdomizil aus Teneriffa angekarrt, der andere hat seine besten Zeiten als Junioren-Schinder längst hinter sich. Doch auch die vermeintlich erste Wahl wäre symptomatisch für den Zustand der Auswahlmannschaft gewesen. Als Bundestrainer hätte Ottmar Hitzfeld gleich in München bleiben können. Die Hälfte des DFB-Spielerkaders rekrutiert sich ohnehin aus dem Konzern FC Bayern; der Rest wird aus den Spitzenvereinen der Bundesliga eingesammelt.

Dabei gründet der Niedergang der deutschen Nationalmannschaft weniger in individuellem Versagen oder einer vermeintlich ungenügenden Nachwuchsförderung. Nicht zufällig hat ausgerechnet Bayern München einen der besten Talentsucher der Republik. Es ist auch kein Zufall, daß die besten Zeiten der DFB-Elf zwischen 1970 und 1974 lagen, in den Modernisierungsjahren der Republik. Doch was sich damals noch als nationale Aufbruchstimmung manifestierte, haben mittlerweile die Vereinsmannschaften übernommen. Sie sind flexibel und in der Lage, schnell und erfolgreich neue Konzepte zu adaptieren.

Und während die Nationalmannschaft - wie alles Nationale überhaupt - in überholten Grenzen spielt, haben die besten Clubs diese Schranken längst hinter sich gelassen, selbst wenn sie, den Fans oder dem eigenen Stammesbewußtsein zuliebe, noch mit lokalem Patriotismus kokettieren. Zu Beginn des Spieles ertönt im Freiburger Dreisam-Stadion die "Baden-Hymne", während die FC-Spieler aus der Ukraine und Tunesien aufs Spielfeld laufen. Der beste Fußball wird in Vereinen gespielt, bei denen allenfalls noch der Namen an die nationale Herkunft erinnert.

Verstaubt wirkt der Versuch, mit einer Nationalmannschaft ernsthaft auf gleichem Niveau mit Ajax Amsterdam oder Juventus Turin zu spielen. Ein Schicksal, das nicht nur für Deutschland gilt. Der spanischen Elf erging es nicht nur in Frankreich so. Sie scheidet regelmäßig bereits in den Vorrunden von Europa- oder Weltmeisterschaften aus, während Real Madrid oder der FC Barcelona eine internationale Trophäe nach der anderen kassieren. Und zwar mit technisch und künstlerisch versiertem Fußball.

Jedem halbwegs anspruchsvollen Zuschauer schlafen hingegen bei den meisten Länderspielen die Füße ein. Wen interessiert schon, wie Lothar gegen Malta spielt? Oder wie die Treffen gegen Finnland, Moldavien oder Slowenien enden? Das ist höchstens noch für diejenigen attraktiv, die dringend ein Symbol der nationalen Identifikation benötigen. Wie Kroatien. Oder Österreich. Und eben die Deutschen. Die spannenden Spiele finden zwischen Manchester und Benfica statt. Oder zwischen River Plate und Flamingo.

Zudem wird den Nationalmannschaften ohnehin das Licht durch die Kapitalisierung des Fußballs ausgeblasen. Im Vergleich zu den Einsätzen in der künftigen Europa-Liga reichen die Gagen für Länderspiele gerade noch als Taschengeld. Und wer spielt heute - außer Matthäus - schon noch für Ruhm und Ehre? Ganz abgesehen davon, daß die neuen Formen der Finanzierung gänzlich dem Nationalgedanken widersprechen. Vereine wie Manchester United holen sich das nötige Kapital längst von der Börse. Bayern, Dortmund und andere Spitzenclubs werden folgen. Und mit dem Börsengang transformieren sich Clubs endgültig in Konzerne der internationalen Unterhaltungsindustrie.

Die Deutsche Nationalmanschaft als Aktiengesellschaft ist dagegen schwer vorstellbar. Auch und gerade wegen des Managements, das an einen Familienbetrieb aus dem letzten Jahrhundert erinnert. Während DGB-Chef Braun als alter Patriarch seine Greisen-Mafia kommandiert, werden die Clubs wie moderne Industrieunternehmen geleitet. So kauft Murdoch mal eben Manchester United, Arsenal London geht für 800 Millionen über den Tisch, der Ufa-Konzern hält gleich mehrere Bundesliga-Vereine an der Leine. Man kann nun klagen, daß mit dem großen Geld auch der letzte Flair des einstigen "proletarischen Sports" verloren geht. Daß der FC St. Pauli, Mönchengladbach und die Freiburger keine Chance mehr haben. Doch die hatten sie auch früher nicht. Daß das Neoliberale im Fußball die Chancen-Ungleichheit der Teams fördert und gegen die "Sozialverträglichkeit" verstößt. Ja und? Dann macht man aus der zweiten Liga eben ein Biotop für Sozialdemokraten.

Die Nationalmannschaft, und mit ihr der DFB, gehört abgeschafft. Man könnte sich nicht nur eine Menge öder und übler Kickerei ersparen, auch die häßlichen Begleiterscheinungen nationaler Fußballspiele würden sich erübrigen. Und nebenbei wäre auch die leidige Trainerfrage für alle Zeiten gelöst.