Der große Manipulator

Perus Präsident Fujimori hat alle Hindernisse für eine dritte Amtszeit aus dem Weg geräumt - nur die Bevölkerung noch nicht

Scheinheilig gab sich Perus Präsident Alberto Kenya Fujimori letzte Woche bei seinem Besuch in Polen. Auf die Frage, ob er bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 für eine dritte Amtszeit kandidieren wolle, antwortete er, daß er sich noch nicht entschieden habe. Daß Fujimori auf die Kandidatur verzichten würde, kann sich in Perus Hauptstadt Lima allerdings kaum jemand vorstellen. Schließlich hatte er in den letzten Monaten alle Hindernisse für seine erneute Kandidatur aus dem Weg geräumt.

Das letzte Wort hatte der Präsident, ganz Demokrat, dem Parlament überlassen. Ende August stimmte die ihm hörige Parlamentsmehrheit gegen ein Referendum, welches von der außerparlamentarischen Opposition angestrengt worden war, um die angestrebte dritte Amtszeit des Präsidenten zu verhindern. Mit 67 zu 45 Stimmen sprach sich die Kongreßmehrheit gegen die vom Demokratischen Forum initiierte Volksabstimmung aus und machte den Weg frei für die dritte Kandidatur Fujimoris. Damit ist die Volksbefragung, die laut Umfragen von drei Vierteln der Bevölkerung begrüßt worden wäre, im allerletzten Augenblick von den Parlamentariern zu Fall gebracht worden.

1,45 Millionen Unterschriften hatte das Demokratische Forum, eine außerparlamentarische Bürgerbewegung, in den letzten Monaten gesammelt, um ein Referendum durchzuführen. Einzige Frage: Darf Präsident Fujimori sich zur Wiederwahl stellen? 1 228 000 Unterschriften oder zehn Prozent der eingeschriebenen Wähler hätte die Opposition dafür gemäß der Verfassung gebraucht.

Das oberste Wahlgericht sah zwar die Voraussetzungen für die Volksbefragung erfüllt, änderte sein Urteil allerdings dahingehend, daß eine "qualifizierte Minderheit" der Parlamentarier dem Plebiszit zustimmen müsse. Mindestens 48 der 120 Parlamentarier müßten, so die Wahlrichter in ihrer zweiten Entscheidung, für das Referendum stimmen, sonst wäre es hinfällig.

Was auf den ersten Blick wie eine Niederlage der Opposition innerhalb des demokratischen Procedere klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als gezielte Manipulation des Fujimori-Clans. Der Präsident hatte dafür gesorgt, daß zwischen den beiden Sitzungen des obersten Wahlgerichts einige Mitglieder dieses Organs ausgewechselt wurden. Erst dann konnte sich das Wahlgericht dazu durchringen, die Zulassung des Referendums mit besagter Auflage zu versehen.

Im Parlament mußte das Plebiszit allerdings scheitern, denn dort verfügt der Präsident über die nötige Mehrheit. Die hatte es ihm auch ermöglicht, das "Gesetz zur authentischen (Verfassungs-) Interpretation" durchzudrücken. Dieses Gesetz interpretiert die 1992 nach dem Staatsstreich ("Auto-Golpe") Fujimoris verabschiedete Verfassung dahingehend, daß Fujimoris gegenwärtige zweite Amtszeit formell nicht als zweite, sondern als erste gilt - da die revidierte Verfassung, die maximal zwei Amtszeiten zuläßt, eben erst 1992 verabschiedet worden sei. Dieser gewagten Interpretation hatte das Verfassungsgericht im Frühjahr 1997 zugestimmt, nachdem drei Verfassungsrichter vom Präsidenten gefeuert worden waren.

Angesichts derart gezielter Manipulation mißt denn auch kaum noch jemand in Peru den demokratischen Spielregeln irgendeine Bedeutung zu. Der frühere Uno-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar, heute Chef der größten Oppositionspartei, der Un'on por el Perœ, spricht von einem autokratischen Regime, das seine Maske fallen ließ.

Deutlicher wurden einige Tausend Demonstranten, die nach der Abstimmung durch Lima zogen und gegen das Votum protestierten. Für sie ist Fujimori schlicht ein Diktator, der überall seine Leute sitzen hat, so auch in der Finanz- und Wahlbehörde. Drahtzieher hinter den Kulissen ist Vladimiro Montesinos, der starke Mann im Rücken Fujimoris, der seine Machtstellung als Geheimdienstspezialist und Präsidentenberater nach dem Ausscheiden von Generalstabchef Nicol‡s Hermoza (Jungle World, Nr. 35/98) ausbauen konnte und mittlerweile auch in der Armee wichtige Schaltstellen mit seinen Leuten besetzt hält.

Doch gegen die fortgesetzten Manipulationen des Duumvirats Fujimori-Montesinos regt sich Widerstand. Kein Tag vergeht derzeit, an dem nicht Demonstranten für die Re-Demokratisierung Perus durch irgendeine Stadt des Landes ziehen. Das Demokratische Forum hat zu einer Kampagne mobilisiert. Mitte vergangener Woche demonstrierten in Trujillo, einer Küstenstadt nördlich von Lima, Tausende gegen den Kongreßentscheid, der ein Verfassungsrecht außer Kraft setze. Der Bevölkerung würden bestehende Mitbestimmungsrechte verweigert und die Verfassung werde vergewaltigt, so der Tenor der Menge, die sich laut der Tageszeitung La Republica aus Studenten, Gewerkschaftern, Frauen und Arbeitern zusammensetzte.

An der Protestdemonstration beteiligten sich auch einige oppositionelle Kongreßabgeordnete, wie beispielsweise Javier Diez Canseco. Der forderte die Peruaner auf, ihre "Kräfte zu einen, um die Mauer der Diktatur zu zerstören". Diez Canseco ist einer der Abgeordneten, die Fujimori ein Dorn im Auge sind. Derzeit ist der Abgeordnete der Unabhängigen Linken unter fadenscheinigen Gründe für 120 Tage vom Parlamentsbetrieb suspendiert. Weitere Demonstrationen folgten am Donnerstag in den Städten Tacna und Jaén.

Zudem hat das Forum den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) angerufen. Diese soll die Verweigerung des Referendums durch den Kongreß überprüfen und gleichzeitig feststellen, ob die Verfassungsbestimmungen in Peru systematisch ausgehebelt wurden. Sollte dies der Fall sein - die erste Sitzung des Gerichtshofs ist für den 8. Oktober geplant -, würde Fujimori den letzten Rest des demokratischen Scheins verlieren, mit dem er sich zu umgeben pflegt. Allerdings dürfte es ihm auch beträchtliche Sorgen machen, daß die Peruaner nach Jahren des Stillhaltens nun wieder auf die Straße gehen und offen ihren Unmut über seine autokratische Herrschaftsweise kundtun. In Lima kursieren bereits Aufrufe zum zivilen Ungehorsam.