Konflikt zwischen Iran und Afghanistan

Gotteskrieger unter sich

Zolfagar 2 soll es heißen und das größte Militärmanöver der jüngsten iranischen Geschichte werden: Ali Chamenei, Oberster Befehlshaber der iranischen Armee und "Stellvertreter Gottes auf Erden", will nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Irna ab Ende September an der Grenze zu Afghanistan 200 000 paramilitärische Pasdaran (Revolutionswächter) - die längst in der iranischen Armee integriert sind - aufmarschieren lassen. Im Manöver versteht sich. Dazukommen sollen mindestens drei Divisionen regulärer Armeeeinheiten mit dem entsprechenden Equipment (Panzer, Kampfhubschrauber, schwere Artillerie).

Die gegenwärtig rund 70 000 an der iranischen Ostgrenze stationierten Soldaten könnten weitere Unterstützung erhalten. Der offizielle afghanische Präsident Burhanoldin Rabbani, der sich im Teheraner Exil befindet, forderte letzte Woche rund zwei Millionen afghanische Flüchtlinge im Iran auf, sich freiwillig für einen "gerechten Krieg gegen die Taliban" vorzubereiten.

Doch nicht nur bei Flüchtlingen wird um Unterstützung geworben: Bei antipakistanischen Demonstrationen in Teheran wurden vergangene Woche die - angeblich von den USA gesteuerten - "Schandtaten" Pakistans zur Unterstützung der Taliban beklagt. Der iranische Armeechef, General Ali Schahbasi, unterstrich dabei den Verteidigungs-Charakter der anstehenden Manöver.

US-Diplomaten, -Strategen und -Leitartikler sehen in dem Großmanöver hingegen "beste Voraussetzungen für einen möglichen Angriff". Dies brachte den iranischen Präsidenten Mohammad Chatami auf den Plan: Die USA solle sich nicht in regionale Angelegenheiten einmischen.

Anlaß des Kriegsgetöses: Fünf Wochen lang war unklar, ob elf iranische Diplomaten in Afghanistan noch lebten. Sie waren am 8. August von Taliban-Milizen verhaftet worden. Zwei von ihnen konnten in den Iran fliehen, neun wurden ermordet. Hieß es zuerst, Anti-Taliban-Kräfte seien schuld, übernahm Mitte letzter Woche Taliban-Chef Mullah Mohammad Omar in einem Schreiben an die Vereinten Nationen bedingt die Verantwortung. Die Morde seien eigenständig und ohne Befehl ausgeführt worden, die Verantwortlichen würden bestraft. Der Iran betonte, daß 60 weitere Iraner in Afghanistan verschwunden seien.

Schlittern der Iran und Afghanistan in einen Krieg, der sich auf die ganze Region ausdehnen könnte? Mit Saudi-Arabien und Pakistan auf der Seite der Taliban, und Tadschikistan, Usbekistan und eventuell Rußland im Schulterschluß mit dem Iran? Wahrscheinlich nicht, eine direkte oder indirekte militärische Einmischung der USA wäre kaum zu verhindern. Daran aber kann der Iran nicht interessiert sein: Wenn die USA Raketen nach Afghanistan schicken, könnte es auch auf den Sitzkissen der Macht in Teheran ungemütlich werden.

Andererseits kommt der Konflikt den iranischen Machthabern zeitlich gelegen, da das Beschwören des äußeren Feindes Einigkeit stiftet, wo sonst vermehrt Widersprüche auftreten. Präsident Chatami spricht von Völkermord, will gar "die unterdrückte afghanische Nation" befreien und die "Menschlichkeit" gegen die Afghanen, die er als "orthodoxe Wilde" und "Schreihälse" bezeichnet, retten. Chamenei ordnete die dazu passende dreitägige Staatstrauer an, die die Feindschaft von Teilen der unzufriedenen Bevölkerung gegen die Mullahs in Kriegsstimmung gegen die Afghanen umpolen soll.