Indonesien braucht die kommunistische Gefahr

Law and Abri

Im Zweifelsfall sind immer die Kommunisten schuld. In Indonesien gibt es sie zwar so gut wie gar nicht mehr, aber das macht ja nichts. 33 Jahre, nachdem der langjährige Präsident Suharto einen angeblichen Putschversuch der Kommunistischen Partei (PKI) blutig niederschlagen ließ und dabei mindestens eine halbe Million Menschen umkamen, dient sie erneut als Schreckgespenst.

Zum Jahrestag der Massakers am 30. September wurde in der südostasiatischen Republik aber keineswegs der Opfer gedacht, sondern für das Regime Habibie demonstriert. Bedroht, so die einhellige Meinung der Demonstranten, wird dies von der PKI, die versuche, das krisengeschüttelte Land zu destabilisieren. Plünderungen und Proteste der vergangenen Monate sollen auf das Konto der Kommunisten gehen: Seit Juni hat es allein in der Hauptstadt Jakarta über 330 Unruhen gegeben, im ganzen Land waren es insgesamt sechsmal soviele - nach den Angaben offizieller Stellen.

Für Präsident Baccharudin Jusuf Habibie ist das aber gar nicht so schlecht. Nicht, daß der ehemalige Stellvertreter und jetzige Nachfolger Suhartos seines neuen Jobs bereits überdrüssig wäre. Aber die vermeintliche Gefahr Kommunismus reicht ihm zur Legitimation, sich zur Verwaltung der Krise und vor allem ihrer sozialen Folgen derselben Methoden wie sein autoritärer Ziehvater zu bedienen. Sein Justizminister Muladi kündigte am Jahrestag des Putschversuches an, Proteste nach Suhartos Anti-Subversionsgesetz von 1973 zu verfolgen. Danach ist sogar die Todesstrafe zulässig.

Über dies Gesetz und die Ordnung im Lande wacht General Wiranto. Der Verteidigungsminister und Armeechef ist die wichtigste Person in Habibies reformasi-Kabinett. Denn mit dem Ende der 32jährigen Suharto-Ära hat sich eines mit Sicherheit nicht geändert: Die "Abri" - wie die indonesische Armee nur genannt wird - ist der wichtigste Machtfaktor im Lande. Nur der Familie des Ex-Präsidenten und seinen begünstigten Cronies geht es an den Kragen. Auch wenn Suharto jammert, er besitze keinen einzigen Cent, steht einer seiner Söhne bereits wegen Korruption vor Gericht.

Wirantos Abri ist dagegen fein heraus: Standen Armeeangehörige im Sommer dieses Jahres noch wegen Massenvergewaltigungen während Plünderungen und Unruhen im Frühjahr vor Gericht, so werden die Berichte von vergewaltigten Chinesinnen mittlerweile von der indonesischen Öffentlichkeit angezweifelt. Statt dessen steht Abri für antikommunistische und autoritäre Kontinuität - und für Ordnung.

Die Mittel dazu sind altbewährt: Aus dem Osten der Insel Java wird von Lastwagen mit vermummten "Ninjas" berichtet, die muslimische Einwohner reihenweise umbringen - ganz ähnlich wie vor wenigen Monaten die Vergewaltigungen abliefen. Offenbar setzt die indonesische Führung vor allem auf die islamische Bevölkerung, die sich vergangene Woche auch eifrig an den Kundgebungen gegen den gottlosen Kommunismus beteiligte.

Die Unruhestifter um der Ordnung willen sind sich aber auch nicht immer einig: Kämpfe zwischen Armeeeinheiten und der eigentlich auch zur Abri gehörenden Polizei forderten bereits mehrere Todesopfer. Aber vielleicht ist auch das nur wieder ein Schachzug Wirantos, um die geplante Ausgliederung der Polizei aus der Abri zu verhindern.