OSZE und Kosovo

Eine Finte der Nato

Kaum hatte sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Krisenfeuerwehr für das Kosovo einspannen lassen, schien ihren derzeitigen Vorsitzenden, den polnischen Außenminister Bronislaw Geremek, auch schon der Mut zu verlassen: "Generell gilt auf jeden Fall: Das Problem Kosovo ist von außen nicht lösbar."

Bei so viel Einsicht in die Erfolgsaussichten der eigenen Löscharbeiten wirft sich die Frage nach dem Sinn des Betriebsausfluges in die südserbische Krisenprovinz auf. Warum werden binnen weniger Wochen 2 000 Beobachter in die unendlichen Weiten der Provinz entsandt? Um das dortige Chaos zu einem international abgesegneten Chaos zu machen? Fest steht: Die OSZE ist selbst überrascht von der Bedeutung, die ihr plötzlich zugesprochen wird. Doch leider ist die nur geliehen. Lehensherr ist die Nato.

So meint etwa der Botschafter eines EU-Staates in Belgrad: "In Wirklichkeit ist das ganze eine Nato-Aktion und die OSZE nur das Feigenblatt." Dafür spricht auch, daß die Vereinigten Staaten viel Mühe investiert haben, um einen der ihren als Chef der Mission in das Kosovo zu senden. William Walker verrichtete schon 37 Jahre lang für das US-State Department die Drecksarbeit auf diversen Kontinenten.

Die OSZE dient als diplomatische Camouflage. Sie stellt in ihrer Gesamtheit den Voraustrupp für die momentan noch nicht einsatzbereiten Nato-Truppen dar. Und eines weiß die Stahlhelm-Fraktion im Brüsseler Nato-Hauptquartier genau: Früher oder später wird sie von den unbewaffneten OSZE-Beobachtern zu Hilfe gerufen werden. Walker kündigte bereits an, daß die Berichte seiner Untergebenen aus dem Kosovo nicht ins Hauptquartier der Organisation nach Wien gehen, sondern erst einmal nach Brüssel. Und die Nato würde sofort gerufen, wenn auch nur einem seiner Mitarbeiter Gefahr drohe. Schließlich läßt sich ein Nato-Einsatz zur Rettung von OSZE-Friedensbringern besser verkaufen als ein bißchen Krieg gegen einen wildgewordenen serbischen Diktator und einige Guerilleros von der UCK.

Nicht tragfähig ist die Vereinbarung zwischen Slobodan Milosevic und der OSZE auch deshalb, weil sie keine politische Lösung für das Problem Kosovo vorsieht. Auf einem Dutzend Seiten wird in dem Abkommen zwar genau festgelegt, wer wann welche Straßensperre räumen muß und wohin die Kontrolleure überhaupt Zutritt haben sollen. Dabei gerät aber das eigentliche Ziel der Mission in den Hintergrund: Was tun mit dem Kosovo?

Die Rückkehr der Flüchtlinge ist aus humanitären Gründen so kurz vor dem Winter zwar notwendig. Ebenso die Vorbereitung von Wahlen (unabhängig von der Jahreszeit). Für beides Dank und Anerkennung an die OSZE. Aber der eigentliche Risikofaktor wird durch den Einsatz nicht entschärft: Die UCK fühlt sich plötzlich von der "internationalen Gemeinschaft" übergangen und versucht, sich durch neuerliche Überfälle auf serbische Polizisten und die jugoslawische Armee ein bißchen Aufmerksamkeit zu erballern.

Im Sommer dieses Jahres war die UCK ihrem Ziel schon ganz nahe: Sie konnte einen Großteil des Kosovo erobern und die Unabhängigkeit schien nicht mehr weit. Militärische Unterlegenheit und der Störfaktor OSZE verhinderten nun den Durchbruch. Aber wenn die 2 000 Anti-Spaltpilze der OSZE nach einem Jahr abgezogen werden, könnte der Konflikt in neuer Schärfe auftreten. Nur zum Schein werden sich die Pistoleros bis dahin wieder in die Gesellschaft integrieren. Tatsächlich können sie die Zeit nutzen, um sich und andere Kräfte zu sammeln.

Zwar wurde die Kosovo-Friedenstaube Ibrahim Rugova vorerst gestärkt. Doch selbst, wenn es zwischen ihm und Milosevic in diesem einen Jahr zu einer Übereinkunft kommen sollte, fände diese ohne die UCK statt. Eine Einigung ohne die UCK ist aber keine Einigung. Und mit ihr wird es vermutlich keine geben.

So werden die 2 000 Beobachter bloß zu Garanten eines scheinbaren Friedens, dessen Verfallsdatum angegeben ist. Diese Verweigerung, die politische Realität im Kosovo zur Kenntnis zu nehmen, könnte aber schon vorher zum Scheitern der Mission führen. Und darauf wartet die Nato nur.