Alternative Lebensformen

Nachruf auf ein Feindbild

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Schönbohm, der General. Nu isser von uns gegangen. Die Szene trauert. Er war ein ideales Feindbild. Er verkörperte alles Schlechte dieser Welt. Nicht nur seine politische Einstellung war unter aller Sau, auch die Werte, die er transportierte, waren das Gegenteil von dem, wofür man als Gute/r auf die Straße zu gehen pflegt. Der ehemalige General eignete sich aber nicht nur als Person vorzüglich zum Gegner, er verkörperte gleichsam ein Prinzip: Schönbohm war die personifizierte Zero-Tolerance, er stand für das Hauptstadtfähigmachen der einstigen Chaotenmetropole Berlin. Ob Militarismus, Ausländerfeindlichkeit, saubere Innenstadt, Nazi-Demos, Häuserräumung, Abschiebung - es gab kaum ein Terrain, auf dem Schönbohm nicht Mr. Oberübel war.

Kein Wunder, daß der Mann mit den irren Augenbrauen Haßobjekt Nummer eins wurde in der autonomen Szene. "Tötet Schönbohm!" konnte man an vielen Wänden lesen. Trat der General in Kreuzberg öffentlich auf, störten Linke die Veranstaltung. Für die autonome Untergrundzeitung Interim wurden "Schönblöd"-Schmähungen fast so ein Kult wie Kohl-Satiren in der Titanic. Die Schönbohm-Fixierung gipfelte kürzlich in einem von der Szene aufgeregt kritisierten Interim-Titelblatt, auf dem Schönbohm ein Schaf fickend dargestellt und als Sodomist bezeichnet wurde. Das Titelbild illustrierte perfekt den Zustand der Autonomen: Schönbohm beschimpfen war zur eigenständigen politischen Aktion geworden. Der gemeinsame Feind ersetzte gemeinsame politische Ziele. Schönbohm war Godzilla, J. R. Ewing und Rambo zugleich. In eine deutsche Uniform gepackt - mein Gott! So einen darf man nicht im Ausland präsentieren. Da würden überall gleich die Deckel der Raketensilos aufgeklappt.

Schönbohm selbst hat zu keinem Zeitpunkt versucht, seinem soldatesken Image entgegenzuwirken. Er war gerne der starke Mann, Mister Gnadenlos, liebte die Geste des Vollstrekkers. Die eigene Größe las er am Grad des Hasses seiner Feinde ab. Und diese taten ihm den Gefallen und haßten ihn. Aber das war sozusagen unvermeidbar. Schönbohm kontrollierte so das Spiel.

Jörg Schönbohm wendet sich nun also vorerst von Berlin ab. Aus dem Kino wissen wir allerdings, daß das Böse immer wiederkehrt. Doch auch ohne Teil zwei wird die linke Szene nicht in eine politische Sinnleere fallen. Da zu den Einstellungskriterien Berliner Innensenatoren offenbar gehört, megaböse zu sein, wird es nicht lange dauern, bis auch Herr Werthebach sein erstes Titelbild von Interim bekommt.