Sexismus ohne Sex

Verdrückte Aktfotos, verklemmte Witze, idiotische Texte - der deutsche Hustler

Es ist nicht wahr, daß Männer an den extra für sie hergestellten Druckerzeugnissen nur die Hochglanzbilder nackter Frauen interessieren und der redaktionelle Teil genausogut aus einem kurzen Editorial bestehen könnte, das einfach nur "Viel Spaß beim Wichsen" wünscht.

In der ersten deutschen Ausgabe des US-amerikanischen Männermagazins Hustler erklärt Chefredakteur Uwe Hasenfuß (ja!), worauf er und sein Team besonderen Wert legen: Jeden Monat "unverbrauchte Reportagen, kontroverse Meinungen und ehrliche Interviews, ohne lange um den heißen Brei herumzureden". Und natürlich? "Und natürlich große und saftige Fotos von Frauen ohne Filter und Weichzeichner."

Um dieses einzigartige Konzept zu entwickeln, hatte man sich viel Zeit genommen, insgesamt fünf Monate, die sich jedoch gelohnt haben, denn viele gute Ideen konnten entwickelt werden, z.B. eine Witz-Seite. "Hustler Humor" wird mit einer auf der Toilette sitzenden, lachenden Comicfigur illustriert, die darauf hinweist, daß die folgenden Witze Witze sind. "'Angeklagter, was haben Sie denn gedacht, als Sie der Frau unter den Rock gegriffen haben?' 'Ich dachte, mir frißt ein Pferd aus der Hand.'"

Die Rubrik "Flash for Cash", in der "Ladies" 200 Mark mit Nacktfotos verdienen können, ist von der Redaktion - es kommt eben auch auf die Kleinigkeiten an - eigens mit dem Signet "Bärenjagd" geschmückt worden, einem Bärenfell, vor dem eine nackte Frau steht. Einfühlsame Texte ("Angela ist eine Hausfrau, die's exotisch mag. Sie träumt von einem flotten Dreier mit ihrem Ehemann 'und einem anderen'. (...) Außerdem bringt sie ihrem Sohn 'neue Dinge' bei. Kein Zweifel, als Lehrerin wäre Angela vielen anderen vorzuziehen.") umrahmen die Schnappschüsse, zusammen ergänzen sie sich zu optischen Höchstgenüssen. Den Wunsch eines Lesers: "Ich hoffe, daß dank Euch der Winter 'heiß' bleibt", wird der Hustler ganz sicher erfüllen können.

Offen und unverklemmt ist auch das Interview. Für diesen wichtigen Bestandteil des Heftes gelang es den Hustler-Redakteuren, in Budapest einen ganz besonders raren Gesprächspartner zu treffen, den Schauspieler Ben Becker, der "den amerikanischen Hustler kennt, schätzt und schon seit Jahren Stammleser ist", außerdem gerade nichts Besseres zu tun hatte. Becker ist ein Glücksgriff, weil er genauso offen, unverklemmt und humorvoll ist wie Hustler und im Gespräch betont, wie toll es ist, daß er endlich mal offen und unverklemmt reden darf. Und was nervt Becker sonst noch? "Ich nenne es mal die faschistoiden, elitären Tendenzen in unserer Kapitalgesellschaft. (...) Wenn ich da vorne die Pepsi-Reklame sehe, im ehemals sozialistischen Budapest, da geht's irgendwie schon los."

Von ähnlich analytischer Qualität sind die "Wahlbeobachtungen" in der Kolumne "Tony, der Hustler". Fragestellung: "Wer regiert den Puff Deutschland?" - "Packt es der Bordellier Kohl noch einmal?" Wir lesen zum Thema Kohl: "Nun juckt die Prostata; viermal hat er's gepackt, wird er auch zum fünften Mal einen hochkriegen, fragt sich der geneigte Freier." Und antwortet: "Na ja, ein schmutziges Geschäft ist es auf jeden Fall, und wer glaubt, daß sich für ihn als zahlender Gast in der Szenerie viel ändert, bloß weil er sich am Wahltag einen intimen Besuch in der 'Solokabine' leistet, hat die Gesetze der organisierten Sexindustrie nicht begriffen." Eine Analyse, die sich vorher gewaschen hat, und vor der man den Hut ziehen muß.

Aber Hustler möchte seinen Lesern auch Entspannung bieten: Michelle etwa, "Hustler Honey Oktober Michelle", die man für drei Mark 63 pro Minute auch anrufen oder im Heft dabei bestaunen kann, wie sie sich auf den Seychellen "erst vorsichtig und dann ganz (...) der Kraft des Wasserfalls" hingibt.

Eine Variation des Themas findet sich ein paar Seiten weiter unter der gewagten Überschrift "Hot in Miami", wobei der Kenner sich weniger auf Suzan konzentrieren sollte als auf die zebragemusterte Couch, die von Februar bis März 1982 unglaublich in war. Danach zierte an Sperrmülltagen die damalige Zebrasofa-Produktion die Straßenränder deutscher Kleinstädte - sie wiederentdeckt und vor dem Vergessen bewahrt zu haben, ist wohl das einzige Verdienst der deutschen Hustler-Crew.