Schily und ein Antirassismusgesetz

Fang den Flüchtling!

Zur Amtsübernahme überschlug sich der neue Bundesinnenminister Otto Schily fast vor Lob für seinen Vorgänger Manfred Kanther: Zwischen der alten Bundesregierung und der SPD habe es in Fragen der Inneren Sicherheit viele Gemeinsamkeiten gegeben, zusammen seien große Fortschritte erzielt worden. Durch seine Arbeit habe Kanther "die Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner erheblich erleichtert", sagte Schily letzte Woche. Im Klartext: Der neue Innenminister ist froh, daß der alte einen Großteil der Drecksarbeit übernommen hat. Schily muß sich jetzt eigentlich nur noch darum kümmern, daß die massive Ausweitung der Polizeikompetenzen, die Einschränkungen im Ausländer- und Asylrecht, die Beschneidung der Grundrechte usw. auch in Zukunft erhalten bleiben.

Vom Kanther-Verschnitt Schily ist daher kaum Neues zu erwarten. Daß sich der Innenminister zum Beispiel für ein Anti-Rassismus-Gesetz nach dem Vorbild Großbritanniens einsetzen wird, darf bezweifelt werden. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hatte sich erst in der vergangenen Woche für eine europaweite Vereinheitlichung der Gesetzgebung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stark gemacht. Es könne nicht angehen, daß Rassismus in den verschiedenen EU-Staaten unterschiedlich behandelt werde, so Bubis.

Zwar ist der Nutzen von Anti-Rassismus-Gesetzen umstritten, der symbolische Wert eines verbrieften Schutzes vor Diskriminierung sollte indes nicht zu gering eingeschätzt werden - auch wenn die Ursachen des Rassismus davon kaum berührt werden. Wenn allerdings die Politik des Staates selbst strukturell rassistisch ist - so wie etwa die deutsche Asylgesetzgebung, die Polizeipraxis oder die Rechtsprechung -, dann kann auch ein Anti-Rassismus-Gesetz kaum etwas ausrichten.

So gesehen wäre es konsequent, wenn Otto Schily davon lieber gleich seine Finger ließe. Denn wie schon sein Vorgänger hat der Ex-Grüne zu Beginn seiner Amtszeit nicht etwa die Fremdenfeindlichkeit ins Visier genommen, sondern die Fremden. Auch der Sozialdemokrat verbreitet nun die alte Leier von der einseitigen Belastung Deutschlands durch Flüchtlinge innerhalb der EU - so daß es selbst Bayerns Innenminister Günter Beckstein inzwischen schwerfällt, Schily in Sachen Flüchtlingspolitik rechts zu überholen. In einem Punkt hat er es dann doch noch geschafft: Während Schily mit finanziellen Ausgleichszahlungen der anderen EU-Staaten für die "einseitige Belastung Deutschlands" einverstanden wäre, will Beckstein die deutschen Grenzen lieber weiter dicht machen: Die Flüchtlinge sollen in Zukunft nach einem bestimmten Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden.

Im Januar übernimmt Schröder-Deutschland die Präsidentschaft in der EU ebenso wie die der Schengen-Staaten. Daß die Bundesrepublik dann eine Vereinheitlichung der Gesetzgebung gegen Rassismus auf die Tagesordnung setzen wird, darf bezweifelt werden. Der neue Bundesinnenminister wird sich wohl lieber weiter dem beliebten Gesellschaftsspiel "Fang den Flüchtling" widmen. Sein Gegenspieler Beckstein hat schon mal vorgelegt: Bevor die osteuropäischen Staaten in die EU aufgenommen werden könnten, müßten sie erst einmal für "sichere Grenzen" sorgen.