Lafontaine vs. Bundesbank

Keine Schlappe für Oskar

Eine Abfuhr habe er erhalten, gar Ohrfeigen einstecken müssen, abgeblitzt sei er und seine vorlauten Forderungen seien abgeschmettert worden.

Mit solchen abgedroschenen journalistischen Kraftausdrücken haben in der vergangenen Woche bundesweit die Hacker in den Redaktionen versucht, herbeizuschreiben, was nicht geschehen ist: Daß der bei vielen Unternehmern nicht besonders beliebte Finanzminister nach seinem Auftritt bei der Gralshüterin der Deutschmark, deren Zeitvertrag zu Silvester ausläuft, in Schwierigkeiten geraten sei. Beweis: Die Frankfurter Bundesbank habe die Hauptforderung des Saarländers - die Leitzinsen zu senken, um damit die Konjunktur anzuregen - nicht erfüllt. Daß aber Lafontaine nach seinem Besuch am Main stolz wie Oskar vor die Kamera treten und als De-facto-Sprecher der Bundesbank beispielsweise Niedrigzinsen für Häuslebauer oder Dispozinsen in Höhe des Diskontsatzes verkünden würde - so viel Naivität einem zu unterstellen, der sich mit Gerhard Schröder an die Macht taktiert und Jost Stollmann elegant mit herein- und wieder hinausbugsiert hat, ist schlicht frech.

Selbstverständlich konnte Lafontaine nicht mit Sofortmaßnahmen der Bundesbank rechnen. Und so haben beide Seiten zwangsläufig, wie das Handelsblatt sachlich konstatierte, "im Streit um Zinssenkungen versöhnliche Signale ausgesendet". Dennoch hat der Eurokeynesianer Lafontaine die Bundesbanker - die übrigens mit ihrer deutschnationalen Geldpolitik 1992 den Euro torpedierten, als sie entgegen aller Absprachen tatenlos zusahen, wie Großbritannien und Italien aus dem Europäischen Währungssystem herausgekickt wurden - trotz allen Gefasels von ihrer Unabhängigkeit dort, wo er sie haben wollte: in der Rechtfertigungsecke.

Wie sehr sich die Herren des Geldes in der Defensive fühlen müssen, zeigt die infantile Reaktion des künftigen Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, der in gut vier Jahren freiwillig seinen Posten räumen wird. "Die Bundesbank ist wie Schlagsahne. Je stärker man sie schlägt, desto steifer wird sie." Die EU-Kommission, der die Zentralbanker nach dem Maastrichtvertrag regelmäßig Rapport erstatten müssen, wird sich mit solchen Erklärungsmustern kaum zufriedengeben.

Der politische Druck auf die EZB, mit ihrer Zinspolitik antizyklische, d.h. der gegenwärtigen Abschwächung des Wirtschaftswachstums begegnende Programme, zu unterstützen, wird jedenfalls zunehmen. Zumal in Euroland eine Inflationsgefahr bei einer von der EZB selbst prognostizierten Preissteigerung von rund einem Prozent nicht zu erkennen ist und in ganz Europa derzeit die Zinsen tendenziell fallen. Erst in der vergangenen Woche haben Großbritannien und Dänemark, auch wenn sie nicht von Beginn an beim Euro dabeisein werden, ihre Leitzinsen gesenkt. Außerdem ist Lafontaine nicht allein: Die französischen und deutschen Regierung, die in Europland das Sagen haben, werden eine abgestimmte und nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik forcieren.

Daß die großen Sprüche des Nachkriegskeynesianismus wie "Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit" wieder durch die Äther rauschen werden, ist indes nicht zu erwarten. Dazu sind Lafontaine und Co. viel zu sehr realkapitalistisch dazu verdammt, den Märkten vorzugaukeln, der Euro werde ähnlich hart wie die Deutschmark. Koste es, was es wolle. Zum Beispiel, die Wahlversprechen nach großangelegten europäischen Beschäftigungs- und Infrastrukturprogrammen auf das zu reduzieren, was sie immer waren: Versprechen.